Hilfe und Rat
Wenn Schlucken und Sprechen schwerfallen

- Nach umfassender Diagnostik folgt eine präzise Bewertung und daraus folgend eine individuell angepasste Behandlung
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Stimm-, Sprech- und Schluckstörungen: OÄ Dr. Sabine Reinisch, Leiterin der Phoniatrie in der Klinik Oberwart, über Diagnose und Therapiemöglichkeiten.
Etwa 70 Prozent aller älteren Menschen haben Schluckstörungen. Oft gehen diese mit internistischen oder neurologischen Erkrankungen einher. „Der Großteil unserer Patientinnen und Patienten auf der Phoniatrie-Ambulanz kommt mit diesen Beschwerden zu uns“, erklärt die erste Oberärztin Dr. Sabine Reinisch von der HNO-Fachabteilung an der Klinik Oberwart.
Generell wird in der Phoniatrie-Ambulanz (derzeit immer mittwochs zwischen 11 und 14 Uhr, bzw. nach telefonischer Voranmeldung) jegliche Erkrankung der Stimme, der Sprache und des Gehörs, die eine untrennbare funktionelle Einheit sind, abgeklärt. „Die Anforderung an die Stimme und die kommunikative Fähigkeit des Einzelnen, die auch ein ausreichendes Gehör voraussetzt, ist im Laufe der vergangenen Jahrzehnte deutlich gestiegen. Daher ist es so wichtig stimmliche Veränderungen, insbesondere bei Patientinnen und Patienten mit Sprechberufen wie Lehrerinnen und Lehrer so früh wie möglich zu erkennen, da Einschränkungen sowohl private Kontakte als auch berufliche Karrieren beeinflussen können“, betont die Expertin.
Wann Heiserkeit abzuklären ist
Jede Heiserkeit, die länger als zwei bis drei Wochen durchgehend anhält, sollte zunächst vom HNO-Facharzt und in weiterer Folge vom Phoniater bzw. der Phoniaterin abgeklärt werden. Mittels verschiedener Untersuchungstechniken lassen sich organische Veränderungen wie Stimmknötchen, Entzündungen oder Tumoren von einer funktionellen Heiserkeit (Dysphonie) abgrenzen. In der Phoniatrie werden nicht nur Patientinnen und Patienten mit Dysphonien betreut, sondern auch jene mit Sprechstörungen, beispielsweise Stottern. Derzeit suchen – infolge der langen Isolation während der Coronazeit – auch vermehrt Kinder mit Artikulationsstörungen Hilfe in der Phoniatrieambulanz.

- OA Dr. Sabine Reinisch leitet die Phoniatrie in der Klinik Oberwart
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Nach umfangreicher Diagnostik legen die Phoniatrikerinnen und Phoniatriker in enger Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten aus den Bereichen Neurologie, Radiologie, Pädiatrie und Logopädie individuell angepasste Therapien für die Patientinnen und Patienten an.
Schluckbeschwerden auf dem Vormarsch
Noch stärker „boomen“ jedoch Schluckbeschwerden, so die Phoniatrie-Expertin. Die Nahrungsaufnahme ist ein lebenswichtiges Grundbedürfnis. Der Schluckvorgang ist ein zwar unwillkürliches, aber kompliziertes Zusammenspiel verschiedener Muskeln, die durch unterschiedliche Nerven gesteuert werden.
Die Ursachen für Schluckprobleme sind unterschiedlich. Sie können sich durch Beeinträchtigungen im Bereich der Mundhöhle, des Rachens oder des Kehlkopfes oder als Transportstörung der Speiseröhre äußern.
An Diabetes Erkrankte oder neurologische Patientinnen und Patienten können Schluckbeschwerden infolge von Sensibilitätsstörungen entwickeln. Zudem nimmt im Alter die Muskulatur ab. Das und der altersbedingte Umbau des gesamten Körpers, wie auch Probleme mit der Wirbelsäule, können zu belastenden und teils gefährlichen Schluckstörungen führen, die schließlich in Aspirationspneumonien gipfeln können. „Meist spielen hier verschiedene Ursachen zusammen“, betont OÄ Dr. Sabine Reinisch. Deshalb sei die intensive Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten aus anderen Fachgebieten zentral.
Genaueste Abklärung im Vorfeld
Bei Erstkontakt mit der Phoniatrie-Ambulanz wird zunächst ein HNO-Status gemacht. Eine genaue Anamnese mithilfe eines Fragebogens hilft dabei, Problemfelder einzuschränken und sich zu orientieren, wann Schluckprobleme konkret auftreten. Zur weiteren Abklärung gibt es auch die Möglichkeit einer sogenannten funktionellen Schluckuntersuchung, eine endoskopische Untersuchung, mit Hilfe derer herausgefunden wird, wie Patientinnen und Patienten Nahrungsmittel unterschiedlicher Konsistenz verarbeiten können. Etwaige Hindernisse im HNO-Bereich oder der Speiseröhre werden mit Bildgebungsverfahren, z. B. Schluckakt-Röntgen, ermittelt.
Therapie: Schluckübung bis Ernährungsberatung
Nach der umfassenden Diagnostik folgt eine präzise Bewertung und daraus folgend eine individuell angepasste Behandlung, beispielsweise spezielle Schluckübungen, Ernährungsberatung, Maßnahmen zur Verbesserung der Mundmotorik und gegebenenfalls die Anpassung der Konsistenz der Ernährung. Logopädinnen und Logopäden nehmen in der Therapiephase oftmals eine führende Rolle ein. „Gerade ältere Patientinnen und Patienten, bei denen oft mehrere Probleme gleichzeitig auftreten, sind ambulant manchmal schwierig zu führen. Schlucktherapien starten deshalb nach Absprache während eines einwöchigen stationären Aufenthalts“, schildert die HNO-Fachärztin. Danach können Patientinnen und Patienten das Training auch bei einem niedergelassenen Logopädinnen und Logopäden fortführen. Zusatz: „Mit einer Abklärung inklusive einem ganz klaren Therapiekonzept in der Tasche.“
Gut zu wissen: Das Leistungsspektrum des HNO-Fachschwerpunktes in der Klinik Oberwart umfasst neben der Spezialisierung auf Phoniatrie die Diagnostik aller Aspekte der HNO-Erkrankungen, insbesondere Standard-Operationen bei Kindern an Mandeln, Adenoiden und Ohren, plastischen Operationen (z. B. Septorhinoplastiken und Ohrenanlegeplastiken), endoskopische und offene Nasennebenhöhlen-Operationen, Diagnostik und Therapie von schlafbezogenen Atemstörungen, operative und konservative Versorgung von Patienten mit Tumoren im Kopf- und Halsbereich sowie Speicheldrüsenchirurgie.
Aufgrund der steigenden Anzahl an Patienten, die mit Trachealkanülen versorgt werden, hat sich auch eine Sprechstunde zur Betreuung dieser Patienten mit ihren ganz individuellen Bedürfnissen entwickelt.


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