Neusiedler See
Reaktionen der Wirtschaft auf mögliche Austrocknung
Die Fachtagung der GRÜNEN in Eisenstadt hat zahlreiche Stimmen aus der Wirtschaft auf den Plan gerufen.
NEUSIEDLER SEE. Die Unternehmerinnen und Unternehmer, die direkt oder indirekt vom See abhängig sind, teilen die Einschätzung von Bernhard Kohler und Alois Lang über die Bedeutung des Sees für die Region in keiner Weise.
Niedriger Wasserstand und Umsatzzahlen
Wolfgang Drescher ist ein echter Allrounder und betreibt mit seiner Familie eine Schifffahrt, zwei Hotels und ein Restaurant am See. Er ist davon überzeugt, dass der niedrige Wasserstand direkt für den Rückgang der Umsätze und Nächtigungen verantwortlich sein werde. Wenn das Wasser weiter abnimmt, könnten zwar neue Konzepte entwickelt werden, aber sie müssten über Jahre hinweg wachsen.
"Selbst dann werden sie aber den ‚Faktor See‘ nicht im selben Ausmaß ersetzen können. Für viele Betriebe wird diese Übergangsphase klarerweise nicht zu bewältigen sein. Der Wandel wird also die gesamte wirtschaftliche Struktur in der Region beeinflussen."
Dotierung verschafft Zeit
Auch der freiheitliche Nationalratsabgeordnete Christian Ries (FPÖ) ist der Meinung, dass die Debatte um die Zukunft des Sees – Stichwort Austrocknungsszenario – zu weit entfernt von den unmittelbar Betroffenen geführt werde. Der Theorie des Zoologen Kohler widerspricht lt. Ries u.a. die Fachmeinung des Limnologen Georg Wolfram:
"Er spricht sich für eine geregelte Wasserzuleitung aus, um den See so lange wie möglich zu erhalten", erklärt Ries.
Und eine Anhebung des Wasserstandes von zehn Zentimeter pro Jahr sei möglich, so der Parlamentarier.
"Eine Wasserzufuhr von 10 cm im Jahr wäre für uns alles andere als nichts“, erklärt Monika Weiss von der Schifffahrt Weiss in Mörbisch am See.
Im vorigen Jahr wären dadurch erheblich weniger Reparaturkosten entstanden, dieses Jahr hätte zumindest die Festspielsaison überbrückt werden können.
„Vor allem aber würde uns eine Zuleitung mehr Zeit verschaffen, um auf die Veränderungen zu reagieren“, so die Unternehmerin.
Investiert habe man bereits in besonders flachgängige Boote und Schwimmstege. Sollten diese Maßnahmen aber auch nicht mehr ausreichen, sieht man bei der Schifffahrt Weiss schwarz:
„Wir tun unser bestmögliches, mit der Situation umzugehen. Wir erwarten uns im Gegenzug von der Politik, dass sie uns dabei unterstützt und den Weg für eine Wasserzufuhr ebnet.“
Wichtiges Nahverkehrsmittel
Zusammen mit den anderen Radfähren bringen die Drescher Line und Schifffahrt Weiss im Schnitt 65.000 Personen jedes Jahr über den See.
„Vor 60 Jahren hat mein Großvater mit seiner Fischerzille den ersten Radfahrer über den See befördert“, schildert Weiss.
Seitdem habe sich die Radfähre zum wichtigsten Verkehrsmittel für Urlaubsgäste entwickelt.
"Zu den Seefestspielen reisen pro Vorstellung zwischen 600 und 800 Personen mit den Schiffen an, das entspricht gut 200 PKW", weiß Drescher.
Die beiden sind sich einig, dass ohne Schifffahrt weniger Bewegung um den See herum stattfinden würde, dafür jedoch mehr Verkehr auf den Straßen. Auch deshalb müsse der See erhalten bleiben.
Kein Tourismus und weitere Folgen
Ähnlich sehen es Hotelier und Pächter des Seerestaurants ‚Katamaran‘ in Rust, Anton Polleres sowie Tourismus-Chef der Seegemeinde Podersdorf, Rene Lentsch.
„Ohne den See gibt es keinen Tourismus. Nicht in der Form und schon gar nicht in dem Ausmaß. Durch ihn kann die Region den Lebensstandard halten und daher muss auch der Wasserstand auf einem schiffbaren Pegel gehalten werden, wenn dies technisch möglich ist. Aber auch das Ambiente ‚am See sein‘ ist für die Gäste wichtig“, weiß Polleres.
"Noch zwei solche Jahre wie 2022 und der See ist weg. Und wenn er weg ist, kommt er nie wieder", ist Lentsch überzeugt.
Da helfe dann auch keine Zuleitung mehr, weil er damals nur durch Überflutungen der Donau, Raab, Lafnitz etc. wieder angefüllt wurde und das funktioniere jetzt gar nicht mehr. Ohne den See – auch als Landschaftselement – wären Radfahren und vernünftiger Weinbau kaum mehr möglich, so der Touristiker und empfiehlt stattdessen die Erhaltung des Sees ohne künstliche Zuleitung, nämlich durch Schilfmanagement und Verhinderung von Windverfrachtungen.
Sorgen macht sich Polleres zudem über die Folgen einer kompletten Austrocknung des Sees:
„Staubstürme wären die Folge, die die Lebensqualität von über 40.000 am See lebenden Menschen maßgeblich beeinträchtigen würden. Die Artenvielfalt wäre dahin, einerseits natürlich durch das Fischsterben, andererseits aber auch durch das Fernbleiben der Zugvögel. Wegen all dieser Gründe brauchen wir eine geregelte Zuleitung.“
"Und da spreche ich nicht (nur) als touristisch Verantwortlicher, sondern als Ortsbewohner, Liebhaber der Region, Liebhaber der regionalen Weine und Familienvater, der sehr an einer hohen Lebensqualität für seine Kinder interessiert ist. All diese Dinge sind aber in Gefahr, sollte der See tatsächlich austrocknen", so Lentsch abschließend.
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