Gewalt an Kindern im Burgenland
Warum wir weiter darüber sprechen müssen
Kinder brauchen mehr Schutz. Das ist nicht nur aufgrund der aktuellen Geschehnisse rund um den österreichischen Schauspieler Florian Teichtmeister klar geworden. Mit dem geplanten Kinderschutzpaket der Regierung, werden Maßnahmen getroffen, die längst ausständig sind. Auch im Burgenland setzt sich der Verein Lions Club mit einem gezielten Programm gegen sexuellen Missbrauch an Kindern ein.
BURGENLAND. Sexueller Missbrauch an Kindern jedes Alters ist weiter verbreitet als man glaubt oder glauben möchte. Statistiken zeigen: Ein betroffenes Kind muss durchschnittlich neun Mal um Hilfe bitten, bevor es tatsächlich die benötigte Hilfe bekommt. Wichtig ist es daher, den Fokus nicht zu sehr auf die medial & politisch breit diskutierten Gefahren zu legen, sondern mehr auf Diejenigen, die unsere Unterstützung benötigen. Auch das Burgenland bleibt von Sexualstraftätern nicht verschont. Wie der ORF Burgenland berichtete, kommt es hier jährlich zu 30 bis 40 Straftaten wegen pornografischer Darstellungen Minderjähriger. Auch wir berichteten erst kürzlich von einem erst 15-jährigen (!) Gymnasiasten aus Neusiedl am See, der im Internet kinderpornographische Inhalte herunterlud und auch selbst auf einer Streaming-Plattform teilte (hier geht es zum Artikel).
Hohe Dunkelziffer
Um wie viele Fälle sexualisierter Gewalt an Kindern es sich wirklich handelt, wissen wir nicht. Laut Günther Ebenschweiger, dem Präsidenten des Österreichischen Zentrum für Kriminalprävention, haben wir in diesem Bereich ein "Hellfeld von rund 7%", das heißt, dass wir insgesamt 93% der Taten und TäterInnen nicht sehen. Umso wichtiger sei es laut ihm, dieses riesige "Dunkelfeld zu erhellen", besser noch: es erst gar nicht entstehen zu lassen. Fakt ist: Über 50% der Betroffenen sind unter sechs Jahre, 30% im Alter von sechs bis 10 Jahren. In 80% der Fälle sucht das Opfer die Schuld bei sich. Jedes vierte Mädchen und jeder achte Bub ist von sexuellem Missbrauch betroffen. 90% der Täter finden sich im familiären Umfeld, nur 10% sind Fremdtäter. Ebenschweiger empfindet es außerdem als wichtig, nicht von "digitalen Gefahren" zu sprechen - wie es in vielen Medien oder auch in der Politik erwähnt wird.
"Medien - und da spielt es keine Rolle, ob wir von Smartphones, Tablets, sozialen Medien oder Computerspielen sprechen - sind nur die Instrumente. Entscheidend wäre, dass Eltern mehr digitale Kompetenz, mehr Achtsamkeit leben und dadurch die unzureichende oder fehlende Resonanz zwischen Eltern und Kindern verbessert wird".
Präventions-Programm im Burgenland
Eine wichtige Präventionsmaßnahme gegen sexuellen Missbrauch ist, den Kindern Strategien zu vermitteln, die ihnen mehr Sicherheit geben können. Der Lions Club Eisenstadt hat sich daher bereits seit dem Jahr 2011 dem Kampf gegen den sexuellen Missbrauch an Kindern verschrieben und mit dem bereits 1994 in Osnabrück entwickelte theaterpädagogischen Präventionsprogramm "Mein Körper gehört mir" viele Kinder, Eltern und LehrerInnen erreicht. Es handelt sich dabei um ein mehrteiliges und auf mehreren Ebenen ansetzendes Gewaltpräventions-Programm des Österreichischen Zentrums für Kriminalprävention und wurde speziell für die 3. und 4. Volksschulklassen entwickelt.
Dank der Sponsoren (Gemeinden, Land Burgenland, Raiffeisenbank Burgenland, etc.) kann der burgenländische Lions Club in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Zentrum für Kriminalprävention in burgenländischen Volksschulen mehrmals im Jahr Veranstaltungen gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern durchführen. Zuletzt war der Lions Club Eisenstadt mit dem Programm am 31.01. in der Volksschule Steinbrunn unterwegs. Das Theaterstück soll den Kindern Sicherheit geben, und ihnen keine Angst machen. Wesentlich sei es, Tabustrategien zu entwickeln, die Kinder von Geburt an laufend aufzuklären und ihr Selbstwertgefühl zu stärken. Jedes Kind soll für sich eine Liebe-Leute-Liste erstellen, also von jenen Personen in der Familie, denen es sich im Notfall mit seinen Problemen anvertrauen kann.
Bei Kinderschutz darf nicht gespart werden
Auch der Verein Autonomer Österreichischer Frauenhäuser spricht sich für eine klare und eindeutige Haltung gegen jede Form der Gewalt an Kindern aus. Sie fordern daher die Etablierung von eigenen Gewaltschutzbeauftragten in allen österreichischen Frauenhäusern. Gelebter Gewaltschutz müsse mit ausreichenden finanziellen und personellen Ressourcen verbunden werden, um die Umsetzung der Kinderschutzrichtlinien und die damit einhergehenden Fortbildungen und Schulungen für alle, die mit Kindern arbeiten, zu ermöglichen.
Härte Strafen nicht zielführend
Ob die geplanten "härteren Strafen" den Kinderschutz tatsächlich erhöhen werden, bleibt allerdings fraglich. Für potenzielle TäterInnen dürfte allein ein höheres Risiko ertappt zu werden, mehr abschrecken, als lange Strafen. Solange das Ausmaß der Gewalt an Kindern und Jugendlichen auf gesellschaftlicher und politischer Ebene noch immer nicht ernst genug genommen wird, und die bestehenden Gesetze nicht tatsächlich in Anwendung kommen, wird sich an der aktuellen Situation auch weiter nichts ändern.
Unterstützung
Unter der Telefonnummer 147 (Rat auf Draht) kann man jederzeit anonym Auskunft und Hilfe erhalten. Darüber hinaus kann man sich auch an das Kinderschutzzentrum in Eisenstadt (Unterbergstraße 20) oder an die Jugendwohlfahrt (BH) wenden.
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