"Es war ein wunderschöner Moment, sie in der Hand zu halten!"
Grasski-Gesamtweltcupsiegerin Kristin Hetfleisch im exklusiven Bezirksblätter-Interview
Kristin Hetfleisch aus Oberdorf holte als erste Burgenländerin den Gesamtweltcup im Grasski und damit im FIS-Bereich überhaupt. Zugleich holte die erst 17-Jährige zwei Einzelwertungen (Superkombination, Slalom), sowie zweimal Platz 2 (Riesentorlauf, Super G) und den Gesamtweltcupsieg bei den Junioren. Zudem stand sie in 13 Weltcuprennen elfmal am Siegespodest.
Mit Bezirksblätter-Redakteur Michael Strini sprach sie ein paar Tage nach ihrem Triumph in Predklasteri über die Saison und die letzten entscheidenden Rennen.
BEZIRKSBLÄTTER: Hallo Kristin, wie geht's dir heute?
Kristin Hetfleisch: "Danke, es geht schon wieder. Die letzten Tage waren schon etwas viel!"
BB: Es war ja Spannung pur bis zum Schluss - auch nach dem Heimrennen in Rettenbach?
Kristin: "Das stimmt. In Rettenbach machte ich mir auch selbst viel Druck, weil ich gerade auf meinem Heimhang etwas beweisen wollte. Begonnen hatte es mit Platz 2 hinter Barbara auch sehr gut, aber dann kam leider der Riesentorlauf, wo ich zwar noch Rang 5 rettete, weil ich das Rennen zu Ende fuhr. Ich war angeschlagen, wollte mich aber nicht untersuchen lassen, bis Andi Guttmann mich quasi einpackte und ins Krankenhaus fuhr. Ich war enttäuscht und zwider, konnte aber in der Superkombi starten. Ich habe erst mit etwas Abstand erkannt, wie wichtig dieser 5. Platz eigentlich war. Der Sonntag mit dem Fünffachsieg war dann sowieso einfach nur genial. Mit Platz 2 holte ich mir die Weltcupführung auch wieder zurück!"
BB: Wie war das finale Wochenende für dich?
Kristin: "Nach Rettenbach herrschte schon ein großer Druck - auch medial. Es gab soviele Anfragen, das war alles komplett neu für mich. Ich habe es versucht, auszublocken, doch das Hirn auszuschalten, geht nicht wirklich. Auch wenn man es oft hört, es funktioniert nur bedingt. Man denkt einfach nach, was wäre wenn."
BB: Wie hast du die Rennen selbst erlebt?
Kristin: "Ich war schon sehr nervös. Platz 3 im Super G war schon sehr wichtig und der 2. Platz im Riesen war auch super. Mit den Bonuspunkten aus den FIS-Rennen wusste ich, dass ich vor Barbara liege. Diese FIS-Punkte gibt es auch bei den Alpinen, diese fahren aber kaum FIS-Rennen, darum fallen die im Weltcup nicht ins Gewicht."
BB: Und dann kam der Sonntag und der alles entscheidende Slalom. Kannst du deine Gefühlswelt ein wenig schildern?
Kristin: "Barbara gilt als schwächere Slalomfahrerin und war mit Startnummer 2 dran, ich hatte 9. Schwächen hat sie aber nicht gezeigt und kam mit einer starken Zeit runter. Das hat natürlich das Nervenkostüm schon ziemlich belastet, aber ich wusste, Slalom ist meine Disziplin, die nimmt mir Barbara nicht weg. Meine Teamkollegen und Trainer haben mich zusätzlich aufgebaut und gemeint, du kannst das! Sekunden vor dem Start geht dir dann alles durch den Kopf und dann heißt's nur noch raus. Es ist kaum zu beschreiben. Ich bin dann den Steilhang runter und war an einer Stelle fast zu schnell und fast draußen. Im Ziel war ich dann über zwei Sekunden vor Barbara und auch etliches vor der Japanerin. Es war glaube ich der beste Slalom meines Lebens!"
BB: Und vor dem 2. Durchgang war die Situation besonders angespannt?
Kristin: "Mein Papa hat gesagt, du kannst jetzt voll anreißen und den Tagessieg einfahren oder dir die Kugel abholen. Überlege dir das genau, was dir wichtiger ist! Ich wollte eigentlich den Tagessieg und nochmal voll runterpreschen. Aber alle haben dann gesagt, bitte hol dir die Kugel ab. Ich habe dann sogar noch die Schier gewechselt und dann nur noch einen schnellen, sicheren Trainingslauf runtergelegt. Wie ich dann unten war, wusste ich sofort, ich habe die Kugel - oder den "deperten Glasbecher" wie Marcel Hirscher meint."
BB: Wie waren dann diese ersten Sekunden nachdem du im Ziel warst?
Kristin: "Es war total emotional. Der gesamte Druck, der sich davor aufstaute, fiel plötzlich komplett ab. Ich war in dem Moment total leer und habe geweint. Da denkst du dann nicht wirklich mehr, es bricht einfach alles irgendwie herein. Es war einfach unglaublich, als alle aus dem Team auf mich zuliefen und mir gratulierten. Danach war alles locker, man spürte, es war das letzte Rennen."
BB: Und dein Papa war ja am Start oben. Wie war es für ihn?
Kristin: "Der war am Start sicher noch nervöser als ich. Er hat nachher gemeint, er hätte beinahe zwei Herzschrittmacher gebraucht. Er ist sowieso immer besonders angespannt, darum war es besonders schön, als er herunter ins Ziel kam und wir uns in die Arme fielen."
BB: Dann kam die Siegerehrung bzw. die Siegerehrungen, weil du ja gleich mehrere Kugeln abgeräumt hast.
Kristin: "Ja! Die erste Kugel gab es bereits am Vortag in der Superkombination. Ich konnte es dann kaum mehr erwarten, endlich die Kugel in Händen zu halten - irgendwie wie kleines ungeduldiges Kind, das sich auf ein besonderes Weihnachtsgeschenk freut. Ich wollte sie endlich haben. Da habe ich dann gar nicht mehr mitbekommen, dass ich auch die Einzelwertung im Slalom gewonnen hatte und war überrascht, als zu dieser Siegerehrung auch noch geholt wurde. Ich war so fokussiert auf die große Kugel, dass alles andere nur so nebenbei ablief."
BB: Und wie fühlt sich die große Kugel dann an?
Kristin: "Schwer! (schmunzelt) Das Gefühl ist einfach unglaublich und überwältigend. Es war ein unbeschreiblich wunderschöner Moment, sie erstmals in der Hand zu halten! Realisiert habe ich es auch heute - ein paar Tage später - noch nicht so ganz. Aber sie gehört nun mir! (lacht)"
BB: Dann ging es nach Hause?
Kristin: "Ja, ich war total müde. Daheim warteten ein paar Verwandte. Das war auch ein sehr schöner Empfang. Wir haben noch kurz angestoßen und dann bin ich ins Bett."
BB: Und Montag dann in die Schule. Wie hat man dich dort empfangen?
Kristin: "Alle haben sich für mich und mit mir gefreut - die Lehrer, Klassenkollegen und auch die anderen Schüler. Es war aber zuviel. Es war alles total überwältigend und ich habe mich vollkommen leer gefühlt - körperlich und geistig."
BB: Kommen wir zurück zur Saison - es gab ja neben dem Gesamtweltcup auch noch große Erfolge. Wie resümierst du dieses Jahr?
Kristin: "Ich habe viel im Mentalbereich mit Christine Schober gearbeitet. Mit Johann Schober habe im körperlichen Bereich sehr intensiv aufgebaut. Nach meiner Verletzung im Vorjahr bei der Junioren-WM hatte ich doch sehr viel aufzuholen. Der Körper und Geist waren bei mir im Einklang, das war sehr wichtig, um das heuer alles zu schaffen. Ich bin anders in die Saison gegangen, als die Jahre zuvor und die ersten Siege waren schön und schenkten mir sehr viel Selbstvertrauen!"
BB: Auch für die Juniorenweltmeisterschaft? Dort hast du ja mit einmal Gold, zweimal Silber und einmal Bronze ebenfalls ordentlich zugeschlagen.
Kristin: "Der Druck vor der WM war sehr groß - auch von den Medien her. Das habe ich vorher so nicht gekannt, weil ja Grasski nach wie vor eine Randsport ist. Ich war in Topform und war mir bewusst, was ich drauf habe. Vier Medaillen waren dennoch ein Wahnsinn, damit hätte ich im Vorfeld nie gerechnet. Es war schon unglaublich, als ich Gold im Riesentorlauf gewann. Mit dem Erwartungsdruck von außen konnte ich nicht so gut umgehen, aber es war einfach super gelaufen - auch fürs gesamte Team. Wir haben uns gegenseitig aufgebaut und gepusht!"
BB: Und nun heißt es etwas abschalten oder ist das überhaupt möglich?
Kristin: "Ein paar Wochen sind jetzt Pause. Die brauche ich auch, aber jetzt heißt ja wieder die Schulbank drücken. Im Oktober geht dann das Training bzw. die Vorbereitung für kommende Saison wieder los."
BB: Und da gibt es wieder viele Ziele?
Kristin: "2015 gibt es wieder eine Junioren-WM, aber das große Ziel ist eine Medaille im Slalom bei der großen Weltmeisterschaft in Italien. Der Hang liegt mir und darum freue ich mich schon drauf, weil es auch meine erste große WM sein wird. Natürlich will ich auch den Gesamtweltcup verteidigen!"
BB: Du hast schon mehrmals das Team, Trainer und auch Familie angesprochen. Wieviel Anteil haben sie an deinem Erfolg?
Kristin: "Einen sehr großen. Sie geben mir Rückhalt und haben mir auch sehr viel vom medialen Druck genommen. Meine Eltern haben praktisch fast alle Medienanfragen übernommen, damit ich mich aufs Rennfahren konzentrieren konnte. Auch der Rückhalt in Oberdorf ist gewaltig, das bedeutet mir sehr viel. Es ist auch wunderschön, wenn Kinder zu mir kommen und sagen, ich sei ihr Vorbild. Aber auch meine Trainer und das Grasskiteam sind sehr wichtig. Wir sind wie eine große Familie. Die Jaqui (Jaqueline Gerlach) ist eine meiner besten Freundinnen. Darum bedanke ich mich bei allen, die dieses erfolgreiche Jahr ermöglicht haben, besonders aber bei meinen Eltern, meiner Schwester Tina und meinem Trainer Erich Horvath, sowie dem Team vom Schizentrum Rettenbach, wo ich beste Trainingsbedingungen vorfinde!"
BB: Danke fürs Kommen und noch weiterhin viel Erfolg!
Kristin: "Gerne und danke für die gute Zusammenarbeit!"
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.