Wie Enns zu einer neuen Heimat wurde

ENNS (afl). Sie kamen vor 50 Jahren nach Österreich. Was war der Grund dafür?
Maria Hoeffle: 1965 haben sich meine Eltern entschlossen, nach Österreich zu gehen, weil hier Gastarbeiter gesucht wurden. In der Heimat gab es zwar Arbeit, diese war aber sehr schlecht bezahlt und man wollte sich für die siebenköpfige Familie etwas leisten können.
Wir hatten ein kleines Häuschen mit Lehmboden, Schilfdach und einem typischen „Plumpsklo“ hinter dem Haus. Wasser gab’s aus dem Brunnen, Strom hatten wir keinen. Dafür roch es überall nach Petroleum von den Lampen. Und doch waren wir glücklich. Man kannte ja nichts anderes.

Wie waren der Abschied von Zuhause und die Reise selbst?
Beim Abschied gab es ein lachendes und ein weinendes Auge, denn wir lebten ja nur einige Jahre im kleinen Dorf Genterovci nahe der Stadt Lendava an der ungarischen Grenze, von wo die Familie während der Ungarnrevolution 1956 hinübersiedelt ist. Darum war es keine „Heimat“, jedoch hatte man Freunde und Familie hier.
Meine jüngeren Geschwister waren schon ein paar Monate zuvor mit den Eltern nach Österreich gekommen, mein älterer Bruder war auch schon als Gastarbeiter in Graz und so kam dann meine Zeit, mit dem Zug von Maribor über Graz nach Linz zu fahren.
Ich kam aus dem Staunen nicht heraus … So viele Häuser, so große Orte, so viele Menschen. Ich war plötzlich nicht mehr im 100-Einwohner-Ort.

Wie kam man in Enns zu Wohnung/Arbeit?
Meine Eltern hatten in der k. u. k.-Reithalle eine kleine Wohnung, da mein Vater anfangs dort als Hausmeister tätig war. Später fing er bei Neumann & Wenzel an, meine Mutter in der VÖEST und sie mieteten ein kleines Häuschen am Bahnhofweg. Da Gastarbeiter gefragt waren, war es auch für uns Kinder nicht wirklich schwer, eine zu bekommen. Auch ich konnte bei Neumann & Wenzel anfangen zu arbeiten.

Wie wurde die Familie damals in Enns aufgenommen?
Ich war 17 Jahre jung und wir fanden natürlich schnell Anschluss bei anderen Jugendlichen aus Enns. Auch meine Eltern hatten schnell liebe Bekannte und Freunde. „Wir sind Gäste hier“, sagte mein Vater immer, „und wir müssen uns entsprechend benehmen.“ Die fehlenden Sprachkenntnisse waren kein Problem, unsere neuen Freunde und Bekannten halfen uns, die Sprache zu lernen. Auch meinen Eltern war es sehr wichtig, dass wir uns verständigen konnten – wenn auch nur mit gebrochenem Deutsch … Meine Eltern lösten im Bekanntenkreis eine Welle der Empörung aus, als sie bei Pensionsantritt mitteilten, dass sie wieder zurück nach Genterovci gehen – sie gehörten laut den Freunden doch hierher und nicht nach Slowenien.

Wie geht es Ihnen in Enns heute?
Ich bin nun seit 50 Jahren hier. Länger als sonst irgendwo. Mein Wurzeln sind ungarisch und bin sehr gerne in Ungarn und auch Slowenien, jedoch ist meine Heimat eindeutig Enns. Ich lernte meinen Mann hier kennen und lieben, hab drei wunderbare Kinder und so viele Freunde und Bekannte, dass ich mir gar nichts mehr wünschen kann. Es gibt für mich nichts Schöneres als über „meinen“ Hauptplatz zu schlendern, die Märkte zu besuchen oder einfach bei Sandra Stangl, den Aichbergers oder bei meinem Sohn im Geschäft zu sitzen und mit Freunden Kaffee oder einen Spritzer zu trinken. Ich sehe mich inzwischen als Vollblut-Ennserin und bin so dankbar, dass ich hier so herzlich aufgenommen worden bin und nie das Gefühl hatte, eine Fremde oder Ausländerin zu sein. Danke dafür an alle Ennser und Ennserinnen, dass ich eine von Ihnen sein darf.

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