Austria Wien stellt sich seiner Geschichte
Der FK Austria Wien arbeitet seine Geschichte auf: Ein neues Buch erzählt über die Vertreibung der Juden und das Verhalten des Vereins von 1938 bis 1945. Auch Legenden wie Mathias Sindelar werden dabei behandelt.
FAVORITEN. Im Jahr 2014 beschloss die Vereinsführung der Austria Wien, eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Vereinsgeschichte während der NS-Zeit in Auftrag zu geben. Das Ergebnis liegt nun vor und ist unter anderem im Fanshop erhältlich.
Damit nimmt man einen wichtigen Bildungsauftrag wahr, sagt Austria-Vorstand Markus Kraetschmer: "Wir finden es extrem wichtig, diesen Teil der Geschichte in weiterer Folge auch in unserem Museum weiterzugeben." Das neue Buch biete dafür die Grundlage.
Aufklärungsarbeit ist nötig
Tatsächlich braucht es diese Aufklärungsarbeit. Innerhalb der Austria-Fanszene bewegen sich immer noch offen faschistische Gruppierungen. Andererseits kommt es aus Teilen des Rapid-Anhangs besonders rund um Derby-Termine zeitweise zu antisemitischen Ausfällen.
Das Buch selbst wurde vom Zukunftsfonds der Republik Österreich und dem Nationalfonds für Opfer des Nationalsozialismus gefördert. Autor Johann Skocek bezeichnet das Ergebnis als "eine Stadtgeschichte, eine Fußballgeschichte, eine Klubgeschichte und eine politisch-ideologische Geschichte". Es sei damit Teil einer aktuellen gesellschaftlichen Auseinandersetzung. Neben Skocek haben auch Bernhard Hachleitner, Matthias Marschik und Rudolf Müllner an dem Geschichtswerk mitgearbeitet.
Verfolgung und Anpassung
Vor der Machtergreifung der Nazis in Österreich bestand der gesamte Vereinsvorstand der Austria Wien aus jüdischen Mitbürgern. Sie alle wurden ab 1938 abgesetzt und vertrieben. Manche wurden ermordet. Dazu gehören der Manager Robert Lang sowie die Schriftführer Heinrich Bauer und Martin Medina.
Allerdings ist die Verfolgung nur ein Teil der Geschichte. Andere Akteure konnten sich wie auch der Gesamtverein sich mit dem System arrangieren.
Mathias Sindelar und Karl Sesta
Manche Austria-Spieler profitierten von der Arisierung jüdischen Eigentums. Wunderteam-Kapitän Mathias Sindelar übernahm etwa das arisierte Café Annahof, Verteidiger Karl Sesta eine Hammerbrotfiliale.
Insgesamt waren 17 Austrianer Mitglied der NSDAP. Dazu gehörten der Vereinsführer Bruno Eckerl und dessen Stellvertreter Walter Münch. Letzterer war bereits seit dem Jahr 1937 SS-Mitglied.
Nach Kriegsende ergaben sich einige bemerkenswerte Kontinuitäten. So wurde der 1938 geflüchtete Emanuel Schwarz im Jahr 1945 wieder zum Vereinsvorsitzenden und sollte es bis 1957 bleiben. Dann übernahm allerdings wieder Bruno Eckerl das Zepter.
Zur Sache
Das Buch "Ein Fußballverein aus Wien: Der FK Austria im Nationalsozialismus 1938–1945" ist im Böhlau Verlag erschienen.
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