Ausschreitungen in Favoriten
Kleinpartei SÖZ will Randalierer zu Fußballern machen
Die Partei „Soziales Österreich der Zukunft“ (SÖZ) möchte jene Jugendliche, die an den Protesten gegen das Ernst-Kirchweger-Haus im Juni teilgenommen haben, mit einem neuen Fußballverein deradikalisieren.
FAVORITEN. Favoriten war im Fokus von ganz Wien als im Sommer türkische Nationalisten die friedliche Demonstration kurdischer Aktivisten gegen Femizide störten. Die Proteste von Nationalisten, die sich auch gegen das Ernst-Kirchweger-Haus (EKH) richtete, wo mehrere türkische und kurdische Vereine beheimatet sind, sowie die Gegendemonstrationen von linken Aktivisten hielten mehrere Tage an.
Neben Nationalisten, Faschisten und Anhängern der türkisch-rechten Gruppierung „Die Grauen Wölfe“ waren hier auch Jugendliche zu finden. Diese will die Partei „Soziales Österreich der Zukunft“ (SÖZ) nun im Rahmen eines Fußballvereins deradikalisieren.
Respekt und Zusammenhalt: Sport gegen Gewalt
„Nach den Vorfällen in Favoriten haben wir uns als Partei sofort daran gemacht einen Weg zu finden, solche Vorfälle für die Zukunft einzudämmen und zu verhindern“, berichtet Hakan Gördü, Parteiobmann der SÖZ. Deshalb hat die SÖZ in den letzten Wochen regelmäßig den Kontakt zu jenen Jugendlichen gesucht, die an den Protesten gegen das EKH beteiligt waren und diese Taten jetzt bereuten.
Nach mehreren Gesprächen und Workshops mit den jungen Männern entschied man sich dazu einen neuen Fußballverein zu gründen, so Gördü. Hier sollen diejenigen, die mit-protestierten mithilfe von körperlicher Betätigung sowie der regelmäßigen Betreuung durch Sozialarbeiter und Psychologen aufgefangen, deradikalisiert und in die Gesellschaft resozialisiert werden sollen.
Hierbei orientierte sich die SÖZ an dem Isländischen Suchtpräventations-Modell für Jugendliche. „Die gewaltbereiten jungen Männer sollen hier ihre Energie ausleben können und lernen, was gegenseitiger Respekt und Zusammenhalt wirklich bedeutet“, führt Gördü weiter aus.
Eigenes Denken statt mitlaufen
„Das Fußballspiel besteht aus Leistung, Erfolg, Teamgeist und Wettbewerb. Es kann produktiv und konstruktiv zur Entwicklung des Selbstwertes und des Glücksgefühls beitragen“, erklärt Gördü. Laut dem Politiker sei das gesunde Selbstbewusstsein ein wichtiger Grundstein dafür, dass Jugendliche selbstständige Entscheidungen treffen würden, anstatt gedankenlos bei einer Gruppe mitzulaufen.
Das Fußballspiel soll auch eine alternative Quelle für die Jugendlichen bieten, jenes Zugehörigkeitsgefühl zu erlangen, das sie bis dahin im extremen Nationalismus gesucht haben. „Die Identifikation in der Gruppe ist ein wichtiger Bestandteil im Leben jedes jungen Menschen. Das moralische Weltbild besteht aus den Leuten, die einen umgeben“, bekräftigt Gördü. „Deswegen ist es hier wichtig, den Jugendlichen das richtige Vorbild zu setzen, damit sie sich zu verantwortungsvollen jungen Erwachsenen entwickeln können.“
Weltbild richtig stellen
Doch warum entschied sich die SÖZ dazu diesen Jugendlichen zu helfen anstatt den Aktivisten, die sie tagelang eingeschüchtert haben? Laut dem Parteiobmann läge der Hauptgrund der SÖZ darin, dass der Großteil der linken Aktivisten angeblich bereits erwachsen wäre und somit keine Jugendhilfe benötigen würde.
Gördü betont, dass die betroffenen Jugendlichen nicht gewusst hätten, was sie damals am Keplerplatz falsch gemacht haben: „Das Narrativ des Nationalismus ist in der Türkei sehr stark und man hätte sie dort für das, was sie hier gemacht haben, gelobt. In Österreich ist es aber vollkommen deplatziert. Ihre Welt besteht aus einem bestimmten Weltbild, das sie untereinander reproduzieren.“ Die Jugendlichen hätten sich auch durch vereinzelte PKK-Fahnen, die bei den Gegendemonstrationen aufgetaucht waren, provoziert gefühlt.
Mit Workshops zu politischer Bildung, die sie zusätzlich im Verein anbieten werden, hofft die SÖZ dieses Weltbild richtig stellen zu können.
Regelmäßige Kontrollen duch die Polizei
Doch die Umsetzung des Fußballvereins gestaltet sich schwieriger als anfangs gedacht. Zum einen stehen viele Fragen bezüglich der Organisation des Vereines noch offen. Etwa wo das Training stattfinden soll, in welchem Rahmen, der Namen sowie das Logo des Vereins.
Zum anderen sorgen sich die Jugendlichen, die sich am Projekt beteiligen wollen, um ihre Anonymität. Denn seit ihrer Teilnahme an den Protesten ist die Polizei eine spürbare Präsenz in ihrem Leben geworden. Die meisten von ihnen haben bereits Wohndurchsuchungen durch die Behörden und regelmäßige Kontrollen erlebt. Selbst auf dem Weg zur Pressekonferenz der SÖZ wurde eine Gruppe von ihnen von Polizisten aufgehalten.
"Botschaft ist bei Jugendlichen angekommen"
Parteiobmann Gördü appelliert an Deradikalisierung anstelle von Überwachung: „Ich bin froh, dass die Jugendlichen – teilweise durch die Polizei - gelernt haben, dass sie einen Fehler gemacht haben. Die Botschaft ist definitiv bei ihnen angekommen. Ich glaube aber, dass wir durch Empathie mehr erreichen können als durch Einschüchterung – auch wenn es Leute sind, von denen man denkt, dass man ihnen keine Empathie entgegen bringen möchte“, bekräftigt der Parteiobmann.
„Letztendlich sind das keine Faschisten, sondern Jugendliche, die noch heranwachsen und sich entwickeln. Wir erkennen das Potential in diesen Jugendlichen und vertrauen darauf, dass sie das nicht wieder machen werden. Wir können nicht garantieren, dass sich alles positiv entwickeln und es keine Rückfälle geben wird, ich denke aber, dass es gut funktionieren wird.“
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