"Es kann kein ewiges Wachstum geben"

Der deutsche Universitätsprofessor und Nachhaltigkeitsforscher Felix Ekardt ist am Mittwoch, 5. Dezember um 19 Uhr zu Gast bei "Wissen schafft Kultur" an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Das WOCHE-Interview:

WOCHE: Nachhaltigkeit wird zunehmend zum Modewort. Was verstehen Sie unter Nachhaltigkeit?
FELIX EKARDT: Jeder in Politik und Wirtschaft will heute nachhaltig sein. Häufig werden einfach ganz generell jegliche wünschenswerten Ziele mit "Nachhaltigkeit" assoziiert. Doch das ist sinnlos, denn dafür könnten wir eingeführte Begriffe wie Gerechtigkeit oder Gemeinwohl verwenden. Wenn ich von Nachhaltigkeit spreche, rede ich von dem Ziel, so zu leben und zu wirtschaften, dass es auch dann noch aufgeht, wenn alle Menschen weltweit und auf Dauer so leben wie wir.

Welche sind die größten Hindernisse auf dem Weg zur Nachhaltigkeit?
Bei Politikern, Unternehmern und uns allen ist nicht mangelndes Wissen das zentrale Problem. Wissen beeinflusst menschliche Einstellungen, oft aber nur wenig das reale Handeln. An sich ist zum Beispiel Klimaschutz einfach: nur selten Fleisch essen, Autos mit anderen teilen und nur selten nutzen, auf Urlaubsflüge verzichten, in gut gedämmten Häusern wohnen usw. Dass das nicht klappt, liegt daran, dass menschliches Handeln von Normalitätsvorstellungen geprägt wird. Und wir leben halt in einer Welt, wo der nächste Flughafen, die nächste Tankstelle und das nächste Fleischbüffet nie weit weg sind. Auch die menschlichen Emotionen sind oft hinderlich. Kausal hochkomplexe und räumlich-zeitlich scheinbar weit entfernte Klimaschäden erscheinen Menschen unbewusst vom Bauch her wenig drängend. Problematisch ist auch der oft sehr kurzfristig verstandene Eigennutzen von Politikern, Unternehmen und Bürgern.

Bedeutet nachhaltige Lebensweise auch einen Einschnitt in die Lebensqualität?
Beim Klimaschutz ist ein erheblicher Teil des Problems rein technisch durch mehr Energieeffizienz und mittelfristig 100 % erneuerbare Energien im Strom-, Wärme- und Treibstoffsektor lösbar, ohne dass sich das Leben groß zu ändern bräuchte. Manche Probleme, etwa der Fleischkonsum, haben jedoch kaum eine technische Lösung, sondern erfordern Verhaltensänderungen. Das kann dann allerdings gerade auch mehr Gesundheit und mehr Sportlichkeit bedeuten, was ich nicht unbedingt als Verzicht empfinden würde. Ich bin beispielsweise seit 19 Jahren Vegetarier und habe auch keinen Führerschein. Selbst wenn man etwa eine wirksamere Klimapolitik, die schrittweise die fossilen Brennstoffe durch Abgaben oder Zertifikatmärkte abschafft, freiheitseinschränkend fände, schützt genau dies außerdem die Freiheit künftiger Generationen und von Menschen in anderen Erdteilen - und der Jüngeren heute noch Lebenden. Eine Welt der Klimakriege um schwindende Nahrung und Wasser sowie mit gigantischen Naturkatastrophen und Migrationsströmen kann nicht unser Ziel sein und wäre auch ökonomisch verheerend. Besonders betroffen wären auch bei uns die sozial Schwächeren.

Kann es Wohlstand ohne Wachstum geben?
Menschliches Glück hängt komparativ daran, was die anderen um uns herum haben. Deswegen werden wir reicher, aber nicht glücklicher, und wir merken es nicht einmal. Und mit mehr Wachstum nehmen Klimaprobleme und Ressourcenverbräuche zu, sogar so sehr, dass Effizienzgewinne einfach aufgefressen werden. Trotzdem wäre durch eine konsequente Umweltpolitik vorübergehend in den Öko-Sektoren noch Wachstum möglich, in den Schwellenländern sowieso, schon zur Armutsbekämpfung, aber auch bei uns. Ewiges Wachstum kann es in einer physikalisch endlichen Welt aber nicht geben.

Welchen Beitrag kann ein kleines Land wie Kärnten leisten?
Das zentrale Instrument wirksamer Nachhaltigkeitspolitik wären global schrittweise steigende, staatlich adminstrierte Preise für fossile Brennstoffe und Landnutzung. Das würde dann Ernährung, Mobilität und Wohnverhalten schrittweise verändern. Trotzdem ist die lokale und regionale Ebene wichtig. Denn die Schwellenländer sehen Länder wie die USA, Deutschland oder Österreich als Vorbilder. Solange wir nicht zeigen, dass wir nachhaltiger leben und wirtschaften können, wird China - wo momentan pro Kopf der Ressourcenverbrauch noch viel niedriger ist als bei uns - exakt unsere Fehler wiederholen. Wir müssen vorangehen und die anderen mitziehen.

Zur Person:
Felix Ekardt ist ist Jurist, Soziologe, Rechtsphilosoph und Religionswissenschaftler.
Er leitet die Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig und ist Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Uni Rostock.

Anzeige
Ein Event für alle: THE LAKE ROCKS SUP FESTIVAL am Faaker See vom 9. -14. Mai.  | Foto: Andy Klotz Fotografie
24

THE LAKE ROCKS SUP Festival 2024
Paddelspaß für alle am Faaker See

Die Stand Up Paddel Welt blickt Anfang Mai wieder auf den Faaker See und macht das THE LAKE ROCKS Festival zu einem Event für jedermann: Es lädt zum Anfeuern, Ausprobieren und Mitpaddeln. FAAKER SEE. Villach wird einmal mehr seinem Ruf als DIE Paddelstadt im Alpen-Adria-Raum gerecht, wenn vom 9. bis 12. Mai 2024 das THE LAKE ROCKS SUP Festival zum dritten Mal in die Draustadt einlädt. Wettkämpfe, Rahmenprogramm und kostenlose Testmöglichkeiten bieten ein abwechslungsreiches Programm für...

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Du willst eigene Beiträge veröffentlichen?

Werde Regionaut!

Jetzt registrieren

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.