,Politiker müssen vor eigener Türe kehren‘

Bundespräsident Fischer: „Wir sollen unser Land kritisch, aber gerecht beurteilen.“ | Foto: Schalk
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  • Bundespräsident Fischer: „Wir sollen unser Land kritisch, aber gerecht beurteilen.“
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WOCHE: Das Vertrauen in Politiker ließ nicht zuletzt aufgrund der vielen Skandale nach. Die Justiz, eine Säule der Demokratie, ist gehörig ins Wanken geraten. Wie kann man gegensteuern?
FISCHER: Dafür gibt es kein Patentrezept, das in einer Schreibtischlade liegt und das man nur herausziehen muss. Da hilft nur eine Vielzahl von Maßnahmen. Das beginnt damit, dass Politiker vor ihrer eigenen Türe kehren müssen und sich gewisse Dinge nicht leisten dürfen, die dem Ansehen der Demokratie schaden. Das setzt sich damit fort, dass die Justiz stark genug sein muss, um mit Korruption fertig zu werden und auch genügend Personal haben muss. Das setzt sich drittens damit fort, dass sich Parlamentarier bewusst sein müssen, wie das Bild ist, das sie den Beobachtern geben. Auch die Medien haben ihre Aufgaben wahrzunehmen, indem sie der Wahrheit Vorrang vor dem Gericht und der Sensation einräumen. Schließlich müssen wir auch unseren eigenen Blick realistisch einstellen. Wir sollen unser eigenes Land nicht schlechter machen, als es ist. Wir sollen unser Land kritisch, aber gerecht beurteilen.

Die Regierungsinserate entwickeln sich von 2009 auf 2010 von 29 auf 42 Millionen. Das Ansehen der Politiker hat sich dadurch aber nicht verbessert, das Gegenteil ist der Fall. Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen Politik und Medien in Österreich?
Das übergeordnete Ziel ist es, zu einer positiven Entwicklung der Republik und der Menschen in diesem Land beizutragen. Da haben die Regierung, die Länder sowie die Gemeinden Wichtiges beizutragen. Und auch die Medien haben eine wichtige Rolle. Ein Staat, in dem es keine freien Medien gibt, ist schon allein aus diesem Grund gefährdet, in puncto Sauberkeit und Korrektheit. Die Medien haben die Aufgabe, in der Demokratie zur Hygiene beizutragen. Dass es in diesem Wechselspiel zwischen Machtausübung durch die Regierung und Kontrolle, unter anderem durch die Medien, Reibungsflächen und Konflikte gibt, ist unleugbar. Aber wir können auf keines der beiden verzichten. Diese beiden Seiten sind dazu verurteilt, miteinander auskommen zu müssen.

Es gibt einen neuen Anlauf, die Schuldenbremse in der Verfassung zu verankern. Unser Land benötigt Reformen, um den Staatshaushalt zu sanieren. Wo sehen Sie Handlungsbedarf?
Wenn man das Defizit im Staatshaushalt kleiner machen und ein weiteres Anwachsen der Staatsverschuldung verhindern will, dann muss man sparen bzw. Ausgaben reduzieren und auf der anderen Seite versuchen, ob man in ergänzender Weise Einnahmen erhöhen kann. Besonders schwierig ist die Erfüllung dieser Aufgaben deshalb, weil man die Konjunktur dabei nicht gefährden darf. Wirtschaftsexperten sprechen hier von einem magischen Dreieck. Wie man diese einzelnen Maßnahmen setzt und in welchen Proportionen, darüber finden Verhandlung der Bundesregierung statt. Ich will diesen nicht vorgreifen, die Richtung stimmt aber. Ich werde eine solche Politik unterstützen, weil andere Alternativen mit noch größeren Problemen verbunden wären.

Sie haben sich jüngst wieder für eine Erbschaftssteuer ausgesprochen. War es ein Fehler, diese abzuschaffen?
Ich will ja nicht den Eindruck erwecken, dass Steuern etwas Erfreuliches sind. Ich glaube aber, dass am Ende des Tages, sowohl auf der Ausgabenseite, aber auch auf der Einnahmenseite Maßnahmen getroffen werden müssen. Hätte man vor vier oder fünf Jahren die Erbschaftssteuer nicht ersatzlos auslaufen lassen, wäre seither bereits eine ganz schöne Summe zustande gekommen.

Eine aktuelle Jugendstudie in Wien hat zutage gebracht, dass 40 Prozent der Befragten angaben, dass „Juden zuviel Einfluss auf die Weltwirtschaft“ hätten. Versagt hier das Bildungssystem?
Wir dürfen bestimmte Probleme nicht aus den Augen verlieren und müssen immer wieder gegen Vorurteile ankämpfen, auch wenn es den Charakter einer Sisyphusarbeit hat. Es gibt im Zeitalter der Europäischen Union einen Trend des verstärkten Nationalismus. Also die Ablehnung des Anderen, die Ablehnung von Menschen mit anderer Sprache, anderer Hautfarbe oder anderer Religion. Ich halte das für grundfalsch. Der Kampf gegen Rassismus ist eine wichtige Aufgabe, der man sich auf allen Ebenen, wie z. B. in der Schule, aber auch im öffentlichen Diskurs widmen muss.

Erlauben Sie mir, einen Blick nach Brüssel zu werfen: Es gibt immer mehr Parteien in Europa, die in ihren Ländern einen „Anti-Europa-Populismus“ fahren. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Ein Anti-Europa-Populismus ist zu kurz gedacht. Mag sein, dass man daraus den einen oder anderen taktischen Vorteil ziehen kann, aber ein Beitrag zur Lösung schwieriger Fragen ist dies sicher nicht. Es ist unübersehbar, dass wir nicht alleine auf der Welt sind und dass die Zusammenarbeit mit anderen Staaten immer wichtiger wird – und in zehn Jahren noch wichtiger sein wird als heute. Die Zusammenarbeit der 500 Millionen Europäer spielt dabei eine besondere Rolle. Wir dürfen den Gedanken der europäischen Kooperation nicht einfach über Bord werfen, sondern wir müssen diese europäische Zusammenarbeit noch besser organisieren. Dazu gehört auch eine wirtschafts- und finanzpolitische Zusammenarbeit.

Der deutsche Finanzminister Schäuble hat sich dafür ausgesprochen, dass die EU einen direkt gewählten Präsidenten brauche. Teilen Sie seine Ansicht?
Mit dem Lissabon-Vertrag ist eine neue Position, und zwar mit Van Rompuy, geschaffen worden. Ein durchaus konsequenter und weiterer Schritt wäre es, bei den Wahlen zum europäischen Parlament auch einen Europa-Präsidenten direkt zu wählen. Ich kann dem durchaus etwas abgewinnen. Das würde die Autorität des Europa-Präsidenten erhöhen und gleichzeitig eine Stärkung des demokratischen Elements in Europa sein. Allerdings setzt dies eine Weiterentwicklung des europäischen Rechts, also eine Vertragsänderung voraus.

Themenwechsel. Glauben Sie als Oberbefehlshaber des Österreichischen Bundesheeres, dass ein Berufsheer Katastrophen wie die Hochwasser einst in Niederösterreich oder Lawinenunglücke wie in Galtür bewältigen könnte?
Es gibt in Europa sowohl Länder mit Berufsheer als auch Länder mit Wehrpflicht. Daher glaube ich, dass man kein Dogma aufstellen soll, dass nur ein Berufsheer oder nur ein Heer auf der Basis der Wehrpflicht die Probleme der Landesverteidigung lösen kann. Es geht konkret darum, wie beurteile ich die Vor- und Nachteile der Systeme, welche sekundären Auswirkungen haben sie, etwa auf den Zivildienst, und wie schaut es mit der Kostenfrage aus. Es sind sehr subtile Abwägungen vorzunehmen, welches System für ein neutrales Land von der Größenordnung Österreichs besser geeignet ist. Diese Diskussion ist zu führen. Ich persönlich unterstütze den Gedanken der Wehrpflicht.

Was bedeutet Ihnen die Lösung des Ortstafelkonflikts persönlich und waren Sie über die Entschlossenheit von Landeshauptmannes Dörfler, diesen Konflikt zu beenden, überrascht?
Die Beziehungen zwischen der deutschsprachigen und der slowenischen Volksgruppe in Kärnten während des gesamten 20. Jahrhunderts war schwierig und zeitweise sogar ausgesprochen tragisch. Umso mehr anerkenne ich, dass jetzt eine Lösung gefunden werden konnte. Dabei zögere ich nicht, die positive Rolle des Kärntner Landeshauptmanns Dörfler, des Staatssekretärs Ostermayer und führender Vertreter der slowenischen Volksgruppe besonders hervorzuheben.

Autorin: Karin Strobl

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