„Sozial und wirtschaftlich!“

Heiner Flassbeck: „Nur auf Export zu hoffen ist Irrsinn!“
  • Heiner Flassbeck: „Nur auf Export zu hoffen ist Irrsinn!“
  • hochgeladen von Vanessa Pichler

Wirtschaftsforscher Heiner Flassbeck tritt dafür ein, dass alle Menschen in der Gesellschaft am Produktivitätsfortschritt teilhaben – für steigende Löhne. In der WOCHE erklärt er, warum.

WOCHE: Was entgegnen Sie, wenn sich die Wirtschaft gegen steigende Löhne wehrt?
Heiner Flassbeck: Das ist ein gravierender Fehler. Weil weniger steigende Löhne nur im Export einen Vorteil bringen. Im Binnenmarkt braucht man steigende Löhne, um das Zeug verkaufen zu können, das man produziert. Unternehmer wollen ihre Produkte ja nicht auf Lager legen. Dieses einseitige Schielen auf den Export ist völliger Irrsinn. Vom Lohnniveau können wir sowieso nicht gegen die Chinesen antreten. Es wird dort noch zehn Jahre niedriger sein.

Mit der Konjunktur geht es ja wieder aufwärts …
In China geht es tatsächlich aufwärts; dort steigen auch die Löhne. In anderen Ländern ist es reine Hoffnung auf den Export. In Deutschland hat sich in der Binnenkonjunktur nichts geändert. Die ist flach wie ein Brett seit fünfzehn Jahren. Der deutsche Einzelhandel stand im August 2010 bei 98; im Jahr 2005 war er bei 100. Wenn die deutsche Regierung es wenigstens zugeben würde! Aber sie sagen: „Jetzt kommt der Konsum!“ – Das ist glatt gelogen.

Wie wollen Sie von höheren Löhnen überzeugen?
Das wird immer als soziales Wunschdenken gebranntmarkt. Deshalb sage ich, es ist nicht nur sozial, sondern wirtschaftlich vernünftig. Gegen die wirtschaftliche Vernunft sozial zu sein, funktioniert nicht. Man kann sozial sein und wirtschaftlich vernünftig. Das ist das Gebot der Stunde und das, was nicht begriffen wird.

Wenn es wirtschaftlich vernünftig ist, müsste sich die Idee eigentlich durchsetzen …
Das liegt daran, dass für den einzelnen Unternehmer niedrige Löhne gut sind. Wenn alle niedrige Löhne bezahlen, verdient er nicht mehr. Diesen Schritt schaffen die Unternehmer nicht, und damit auch nicht die Politiker. Die Unternehmer beeinflussen ja die Politiker. Wir brauchen einen Mechanismus, der dafür sorgt, dass alle Löhne erhöht werden. Österreich hat die wunderbare Sozialpartnerschaft. Sie muss aber von dem Geist beseelt sein, dass es notwendig ist, dass alle Menschen an dem Produktivitätsfortschritt beteiligt werden, weil unser Zeug sonst nicht im Inland verkauft werden kann.

Kann sich die Wirtschaft höhere Löhne leisten?
Die Löhne, die der Produktivität entsprechen und dem Inflationsziel von zwei Prozent, muss sich jede Wirtschaft leisten, sonst kann sie ihre Produkte nicht absetzen. Es im Rest der Welt zu verkaufen, ist gegen die Wand gelaufen. Dieses Modell funktioniert nicht mehr. Wir brauchen Tarifverhandlungen und deren Durchsetzung bei allen Unternehmen. In Deutschland hat man das abgeschafft; man macht individuelle Lohnvereinbarungen. Damit hat man die Tür geöffnet, dass jeder Unternehmer sein Heil in möglichst niedrigen Löhnen sucht. Das werfe ich ihm nicht vor, aber die Politik hat versagt.

Sie fordern eine neue Politik?
Das ist der andere Punkt. Es gibt heute keine Politiker mehr, die genug von der Sache wissen, um dem Unternehmer selbstbewusst entgegenzutreten und zu sagen: „Du hast keine Ahnung von der Sache, also halte die Klappe.“ Alle Länder brauchen neue Politiker.

Wie kann diese Veränderung vonstatten gehen?
Der einzelne Unternehmer kann nicht seine Löhne erhöhen. Er setzt damit sein Geschäft aufs Spiel. Wir brauchen einen Mechanismus, durch den alle ihre Löhne erhöhen. Das ist das Minimum, was die Politik leisten muss. Die Vermittlung zwischen Unternehmer- und Volkswirtschaftsdenken bekommt sie nicht mehr hin.

Mit welchen Folgen?
Ich war vor einem halben Jahr in Sao Paolo, eingeladen bei einem der reichsten Brasilianer und wir saßen dort in einer Festung, nicht in einem Haus. So muss dieser Mensch leben, weil er sich schützen muss vor den armen Leuten, die nicht mehr bereit sind, diese Gesellschaft mitzutragen. Wir müssen die Leute fragen, ob sie in 20 Jahren so leben wollen.

Sehen Sie die Chance, dass soziale Vernunft einkehrt?
Das Gute ist, dass wir eine Kombination von internationalem und internem Druck haben. Die Gewerkschaftsführer – zumindest in Deutschland und Österreich – haben jedenfalls begriffen, dass es keinen Sinn macht, so massive Zugeständnisse zu machen wie in den letzten zehn Jahren. Wenn das jetzt nicht wirkt, nicht eine Welle der Vernunft hervorbringt, dann werde ich wirklich pessimistisch. Denn es drängt alles in die gleiche Richtung: Die Menschen müssen mehr Geld haben, mehr nachfragen. Wir müssen auf die anderen Länder Rücksicht nehmen – das alles setzt uns Aufgaben. Wenn die Politik diese Aufgaben nicht umsetzt, muss man schwarz sehen.

Autor: Gerd Leitner

Anzeige
Ein Event für alle: THE LAKE ROCKS SUP FESTIVAL am Faaker See vom 9. -14. Mai.  | Foto: Andy Klotz Fotografie
24

THE LAKE ROCKS SUP Festival 2024
Paddelspaß für alle am Faaker See

Die Stand Up Paddel Welt blickt Anfang Mai wieder auf den Faaker See und macht das THE LAKE ROCKS Festival zu einem Event für jedermann: Es lädt zum Anfeuern, Ausprobieren und Mitpaddeln. FAAKER SEE. Villach wird einmal mehr seinem Ruf als DIE Paddelstadt im Alpen-Adria-Raum gerecht, wenn vom 9. bis 12. Mai 2024 das THE LAKE ROCKS SUP Festival zum dritten Mal in die Draustadt einlädt. Wettkämpfe, Rahmenprogramm und kostenlose Testmöglichkeiten bieten ein abwechslungsreiches Programm für...

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Du willst eigene Beiträge veröffentlichen?

Werde Regionaut!

Jetzt registrieren

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.