Bilanz-Interview
Güssing-Jennersdorfer Raika-Bezirkschef Richter in Pension gegangen
Ewald Richter, Vorstandssprecher der Raiffeisen-Regionalbank Güssing-Jennersdorf, ist in Pension gegangen. Im Interview zieht der Chef der größten Bank der Region Bilanz. Er gehörte ab 2006 der Geschäftsleitung an, 2018 wurde er Vorstandssprecher.
MEINBEZIRK.AT: Sie waren 43 Jahre bei Raiffeisen. Was war in der dieser Zeit der größte Wandel?
RICHTER: Raiffeisen war früher am stärksten im bäuerlichen Sektor verankert. Heute ist sie eine Universalbank mit starken Standbeinen im Wohnbausektor, bei Firmenkunden und im Wertpapiergeschäft.
Wie hat sich die Bankenstruktur in dieser Zeit verändert?
Anfang der 1980er begann die Fusionswelle von Nachbarbanken, in den 90ern auch die wirtschaftliche Fusion. Als sich 1991 die fünf selbstständigen Kassen im Bezirk Güssing fusioniert haben, war das die Bildung der ersten Raiffeisen-Bezirksbank im Burgenland.
Hat sich die Fusion der Bezirksbanken Güssing und Jennersdorf im Jahr 2021 bewährt?
Mit Sicherheit. Denn den Universalberater für alles gibt es nicht mehr. Wir haben die Bank auf neue Füße gestellt und die Spezialisierung vorangetrieben. Jetzt haben wir ein Kundenservicezentrum mit Sitz in Rudersdorf, eine spezielle Wertpapierberatung sowie zwei Zentren für Wohnbaufragen und Firmenkunden.
Was war die größte Herausforderung Ihrer Berufslaufbahn?
Im Jahr 2000 ist eine Bank in einer Nachbarregion in Schieflage geraten. Ich wurde mit der Konsolidierung beauftragt. Die drei Jahre waren eine der größten Erfahrungen für mich, kein Kunde hat damals auch nur einen Cent Schaden erlitten.
Wie haben Sie die Veränderung der Zinslandschaft erlebt?
Nach der Lehman-Pleite 2008 sind die Zinsen kontinuierlich gesunken, 2015 erstmals ins Negative gedreht. Aus den Zinsgewinnen konnten wir nicht mehr die Serviceleistungen für die Kunden subventionieren. Ab 2022 sind die Inflation und die Zinssätze stark gestiegen. Früher haben Kunde und Berater die Zinsen für einen Kredit im Gespräch vereinbart, heute orientieren wir uns an Indizes.
Die neuen strengen Kriterien für Wohnbaukredite in Österreich sorgen für viel Kritik.
Das stimmt. Wir mussten neue Regeln mit den Kunden finden, auch für bestehende Kredite. Ich kann aber sagen, dass wir bisher noch keine einzige Privatinsolvenz hatten. Wir lehnen auch Kreditanträge ab, wenn wir sehen, dass der Kunde die Rückzahlung nicht leisten kann. Derzeit wird mehr saniert als neu gebaut. Langsam läuft es aber wieder an, zumindest wird das Bauen nicht mehr noch teurer.
Raiffeisen hat seit 2018 in den Bezirken Güssing und Jennersdorf insgesamt 16 Filialen geschlossen. War das richtig?
Es war notwendig und ist auch aus heutiger Sicht immer noch richtig. Das Kundenverhalten hat sich verändert, die regulatorischen Vorgaben und Dokumentationspflichten wurden immer mehr. Früher war das Schaltergeschäft das Um und Auf, aber Automatisierung und elektronischer Geldverkehr werden immer stärker, die Beratung wird intensiver nachgefragt. Wir haben jetzt weniger Filialen, nämlich neun, die sind aber dafür personell und technisch optimal ausgestattet. Alle haben noch immer einen Bankomaten, und der Bargeldverkehr am Schalter ist auch weiterhin möglich.
Raiffeisen ist eine Genossenschaftsbank.
Das ist richtig. Sie steht im Eigentum ihrer Mitglieder. Ich bin sicher, der Genossenschaftsgedanke hat auch weiterhin Zukunft.
Ein Blick in die Glaskugel: Wird es in 20 Jahren in Österreich noch Bankfilialen geben?
Es werden vielleicht weniger sein, aber warum sollte es sie nicht geben? Der Österreicher hängt am Bargeld, aber er will auch persönliche Beratung haben. Raiffeisen wird mit seinen jetzigen Strukturen sicher die nächsten zehn Jahre gut durchkommen.
Mit Ewald Richter ist auch sein Vorstandskollege Alfred Weinhofer in Pension gegangen. Die Raiffeisen-Regionalbank Güssing wird nun von Vorstandssprecher Günter Penthor mit seinen Kollegen Günther Hadl und Jürgen Böhm geleitet.
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