Nonnen als Leinwand-Stars

- <b>Schwester Michaela Gehart</b> war bei der Premiere in Graz dabei.
- Foto: Pelz
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Loslassen: Beim Diagonale-Filmfestival in Graz wurden die Schwestern des aufgelassenen Annunziataklosters gefeiert. Filmemacher Helmut Manninger im Gespräch mit den Bezirksblättern.
MARIA ANZBACH / GRAZ (mh). Ein Kloster sperrt zu. Die Nonnen müssen raus. Aber nicht alle sind gehorsam. Auf das Schicksal der Schwestern des Annunziataklosters aufmerksam wurde Filmemacher Helmut Manninger aus Kirchstetten im Herbst 2010 durch die Bezirksblätter, die er gerade in seinem Kamin verheizen wollte.
Premiere bei der Diagonale
Ein Jahr später zeigte der ORF im Rahmen von „kreuz und quer“ Manningers vielbeachtete Fernsehdokumentation "Kloster zu verkaufen". Beim österreichischen Filmfestival "Diagonale" in Graz war nun am Freitag die Premiere der mit 82 Minuten längeren und intensiveren Kinoversion der berührenden Geschichte. "Die große Reise" zeigt in einfühlsamen Bildern, wie die teilweise hochbetagten Schwestern sehr menschlich mit der Tatsache umgehen, dass die Ordensleitung "ihr" Haus verkaufen wird und sie nun umziehen müssen – einige von ihnen nach Jahrzehnten.
Film über das Loslassen
Übergeordnetes Thema des Films ist für Manninger das Loslassen. "Egal ob ein Bauernhof oder ein Kloster verkauft wird – die Menschen, die es betrifft, reagieren gleich." Der Kinodokumentarfilm, an dem neun Monate lang gearbeitet wurde, soll zeigen, "dass es wichtig ist, sein Herz nie an die Materie zu hängen, an seinen Beruf oder einen bestimmten Ort", sagt Manninger. "Wer das macht, der wird sich mit dem Loslassen einmal sehr schwer tun – oder kann es vielleicht gar nicht." Dazu passend hat der aus dem Burgenland stammende langjährige ORF-Mitarbeiter ein Buddha-Zitat auf Lager: "Lerne loszulassen. Das ist der Schlüssel zum Glück." In die heimischen Kinos kommt der Dokumentarfilm im Herbst 2013.
ZUR SACHE
Der Orden der "Franziskanerinnen Missionarinnen Mariens" verkaufte das 2011 aufgelassene Annunziatakloster „Am Stein“ zwischen Maria Anzbach und Eichgraben im Juni 2012 um kolportierte 2,3 Millionen Euro an eine Investorengruppe.
Filmemacher Helmut Manninger im Gespräch mit den Bezirksblättern
Bezirksblätter: Wie sind Sie auf das Thema gestoßen?
Helmut Manninger: Auf die bevorstehende Klosterauflösung kam ich beim Einheizen unseres Kaminofens. Eine Seite der Bezirksblätter war übrig geblieben. Und auf genau der stand die Minischlagzeile "Was geschieht mit dem Kloster?" Was für ein Zufall und was für eine Geschichte, dachte ich. Ein Kloster wird verkauft, und die Schwestern müssen raus. Freilich dachte ich nur ans Fernsehen, also an das Medium, für das ich seit mehr als 20 Jahren arbeite. Mein Glück, dass ich einen der besten seiner Branche gewinnen konnte, den mehrfach preisgekrönten Kameramann Robert Neumüller. Vom ersten Drehtag an war er überzeugt: „Diese Geschichte gehört auf die Leinwand. Das ist mehr als Fernsehen...“
Was ist das besondere an „Die Große Reise“?
Es gibt viele Besonderheiten: Zum einen, dass es überhaupt gelungen ist, in dieser für die Nonnen emotionalen Ausnahmesituation zu drehen – in der von der Außenwelt sonst so sorgsam abgeschotteten Welt hinter Klostermauern. Der Ordensleitung war klar, dass die Schwestern zu ihrem "Rauswurf aus dem Paradies" nicht nur "Ja und Amen" sagen werden. Trotzdem durften wir diesen Prozess begleiten. Für uns ein besonderes Privileg. Dass es "Die Große Reise" gibt, kann also durchaus als "kleines Wunder" bezeichnet werden.
Für mich hat die Tatsache „Kinodokumentarfilm“ auch eine neue Dimension eröffnet: Neun Monate an der Kinofassung arbeiten, aus 1.800 Minuten erstklassigem Rohmaterial schöpfen können. Plötzlich ist mehr Raum da, die Bilder beginnen zu leben, es wird der Beschaulichkeit Rechnung getragen, man bekommt die Chance, die Langsamkeit zu entdecken um sich emotional auf das, was die Klosterschwestern wirklich bewegt, einzustellen. Kein Bild und Interview-Stakkato, sondern ein getragener, intensiver Film.
Das Besonderste aber, auch wenn es diesen Superlativ gar nicht gibt, war der Umgang der teils hochbetagten Schwestern mit dem schier Unvermeidlichen. Allen voran Schwester Hedemarie, 93 Jahre alt, bettlägerig, seit Jahren auf die Hilfe ihrer Mitschwestern angewiesen – und zu allem bereit.
Wie war der Dreh mit den Schwestern?
Nicht immer, aber doch immer wieder war der Dreh ein himmlisches Vergnügen. Wir waren ja die Hähne im Korb, durften mitessen und mitbeten, mitsingen aber letztlich auch miterleben, wie Nächstenliebe in die Tat umgesetzt wird – sogar hautnah: Eines Drehtages plagten mich starke Rückenschmerzen, weil ich mir das Kreuz verrissen hatte. Ich bekam eine Corsage umgeschnallt und Schwester Martha kam mit einer ihrer selbstgemachten Salben. Widerstand zwecklos. Hemd rauf, Hose runter. Ob‘s geholfen hat, weiß ich nicht mehr. Das Einreiben von Nonnenhand wirkte jedenfalls vertrauensbildend.
Was ist für Sie das übergeordnete Thema Ihres Films?
Das Loslassen. Wie Menschen mit dem Thema Abschied umgehen. Vor allem jene von denen die meisten annehmen, sie seien dem Herrgott näher als andere. Und um dann zu sehen, was unsereins ein Trost sein mag: Klosterschwestern sind auch nur Menschen. Oder wie es Theologin Carina Spernbour ausdrückt, die den Schwestern beim Abschied-Nehmen beigestanden ist. "Egal ob ein Bauernhof oder ein Kloster verkauft wird - die Menschen, die es betrifft, reagieren gleich.“
Was wollen Sie mit diesem Film zeigen?
Dass es wichtig ist, sein Herz nie an die Materie zu hängen, an seinen Beruf oder einen bestimmten Ort. Wer das macht, der wird sich mit dem Loslassen einmal sehr schwer tun – oder kann es vielleicht gar nicht. Die katholische Kirche wird es mir sicher nachsehen, wenn ich an dieser Stelle einen Spruch von Bhudda zitiere: "Lerne loszulassen. Das ist der Schlüssel zum Glück."
Was haben Sie selbst vom Film gelernt?
Dass der Glaube eine unbändige Kraft hat. Weil rundherum keiner daran geglaubt hat, dass aus einer Fernsehdoku auch ein Kinofilm entstehen kann. Alle außer uns, allen voran Birgit Foerster (Montage) und Michael Cencig (Produzent). Und ich bin dankbar dafür, dass wieder einmal der große Regisseur Zufall am Werk war, und das Leben selbst dieses besondere Drehbuch geschrieben hat, Happy End inklusive. Und letztendlich ist der Film das geworden, was ich mir von Anfang an gewünscht habe – ein Liebesfilm. So paradox es klingen mag, ein Liebesfilm über die Kunst des Loslassens.


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