Robert Lehrbaumer im Interview
"Optimismus ist meine persönliche Basis-Droge"
Robert Lehrbaumer löst Wolfgang Gratschmaier als künstlerischen Leiter von Schloss Thalheim Classic ab.
THALHEIM (bw). Pianist, Dirigent und Organist: Robert Lehrbaumer begeistert das Publikum mit seiner Virtuosität. Nun bringt er sich auch als künstlerischer Leiter bei Schloss Thalheim Classic ein. Die Bezirksblätter baten den Kunstschaffenden zum Interview.
2020 war für die Kulturszene ein hartes Jahr und niemand weiß, wie sich 2021 entwickeln wird. Wie wichtig ist Optimismus in ihrer Tätigkeit als Künstlerischer Leiter und als Musiker?
Robert Lehrbaumer: Wer mich kennt, der weiß, dass Optimismus für mich persönlich die „Basis-Droge“ ist, von der man „high“ sein muss, um sich nicht verunsichern zu lassen: In beiden Bereichen, ob selbst auf dem Podium konzertierend oder in der Rolle des Veranstaltungsgestalters, ist es wirklich mühsam, derzeit für jede Veranstaltung ein Vielfaches an Vorbereitung zu investieren: Verschiebung, Anpassung an neue Regelungen, Ungewissheit, ob die jeweils aktuellen Vorbereitungen schließlich passen oder wieder verändert werden müssen oder der Event sowieso wieder abgesagt, umbesetzt oder erneut verschoben werden muss. Die ganze Mehrarbeit wird dadurch „belohnt“, dass (vor allem freischaffende) Künstler nun zehn Monate lang nichts oder so gut wie nichts verdient haben und dass die Veranstalter kostspielige Adaptionen vornehmen müssen und durch die Abstands- und andere Erfordernisse schwere Einbußen bei den Einnahmen haben. Ohne Optimismus geht da gar nichts! Gottseidank habe ich davon recht viel - toi toi toi, dass meine Reserven nie versiegen mögen. (lacht)
Mit welchen Gedanken sind Sie in das aktuelle Jahr gestartet?
Meine Gedanken sind anlassbezogen, das heißt: Sie orientieren sich nicht an Festtagen. Ich habe mir noch nie ernsthafte Jahresvorsätze gemacht. In das aktuelle Jahr bin ich dankbar gestartet: dankbar für meine Familie, für meine Leidenschaft für die Musik und dafür, dass ich sie - trotz widrigster Umstände - beruflich ausleben kann und nach wie vor, von den Rückmeldungen her, das Gefühl habe, dass ich damit vielen Menschen etwas geben kann. Ich kann und darf also meine Begeisterung an der Kunst so weiter geben, dass sie tatsächlich ansteckend wirkt. Das macht mich enorm glücklich, weil ich das letztlich als meinen Lebensinhalt ansehe. Dankbar auch für die Natur, auf die wir gut aufpassen sollten – ohne sektiererisch fanatisch, sondern besser liebevoll und effizient pragmatisch zu sein. Dankbar für Bewegung und Sport, die zwar in meinem sehr intensiven Berufsleben nicht so zu ihrem Recht kommen, wie ich das gerne wollte, aber umso mehr geschätzt sind.
Was werden die größten Herausforderungen heuer für Schloss Thalheim Classic sein?
Das ganze Leben ist derzeit eine große Herausforderung. In diesem Sinne betrachte ich "Schloss Thalheim Classic" als Teil dieses schwierigen Ganzen. Wenn wir jetzt vor lauter Panik oder Sorge aufhören zu leben bzw. aktiv zu sein, weil wir warten, dass alles vielleicht wieder „normal“ wird - und was ist denn schon „normal“ -, dann vergeuden wir viele kostbare Stunden, Tage, Wochen, Monate und vielleicht irgendwann auch Jahre unseres Lebens - und vielleicht auch Chancen, um Neues zu erfahren und zu entwickeln. In diesem Sinne sind wir im STC-Team voll motiviert, uns an die jeweiligen Umstände anzupassen und stets startbereit zu sein für den Zeitpunkt, an dem wir wieder „von Mensch zu Mensch“ Kultur vermitteln können.
Worauf legen Sie als Künstlerischer Leiter Wert?
Auf Ehrlichkeit. Ich bekomme geradezu körperliche Krämpfe, wenn ich sehe, höre oder spüre, dass Show gemacht wird. Um ein grelles Exempel zu geben: Beethoven beispielsweise sollte bitte nicht von manchen Interpretinnen dazu benützt werden, um halbnackt bzw. mit hochgeschlitzten Abendkleidern auf der Bühne die Besucher – vor allem wohl die männlichen – von großer Musik „abzulenken"; da mögen sie in ihrem künstlerischen Tun noch so großartig sein. Aber vor Selbstdarstellung sind auch manche männliche Künstler ebenso wenig gefeit. Natürlich sind schöne Kleidung und wahre Leidenschaft auch Bestandteil von beeindruckenden Aufführungen: Kunst hat ja sehr viel mit Ästhetik und Emotionalität zu tun. Aber all das darf nie „aufgesetzt“ und übertrieben sein bzw. zum Selbstzweck werden. In diesem Sinne werden Sie auf Schloss Thalheim jede Menge hervorragender Künstler erleben, die Sie mit ihrer Wahrhaftigkeit und Hingabe an die Musik berühren, beeindrucken und mitreißen werden.
Worauf darf sich das Publikum freuen?
Es gibt keine Veranstaltung, auf die ich mich nicht selbst freue. All die verschiedenartigen Projekte sind mir sehr lieb, und ich bin überzeugt, dass sie das Publikum begeistern werden - spannende und teilweise sehr ungewöhnliche, aber stets sehr wirkungsvolle Programme, großartige und sympathische Künstler. Schauen Sie sich die lange Liste an, was da alles an verschiedenen Sparten und musikalischen Kunstformen zu erleben ist.
Wie würden Sie sich selbst mit drei Worten beschreiben?
Tiefsinnig - hochfliegend - (zwischen beiden Extremen nach) Balance strebend
Welche weiteren Leidenschaften haben Sie neben der Musik?
Neben den schon oben erwähnten Leidenschaften (Familie, Musik/Kunst, Natur, Sport) gibt es noch folgende: Lesen, Filme, Humor und Gespräche mit interessanten Menschen. - Zuletzt haben mich Familie und Freunde zu einer neuen Leidenschaft, einem Youtube-Kanal, „überredet“. Er heißt „Robert Lehrbaumer - About Music“. Dort vermittle ich Musik auf unterhaltsame, teilweise ernsthafte, teilweise parodistisch-kabarettistische Art. Das Ausloten des Spannungsverhältnisses zwischen Ernsthaftigkeit und Blödeln macht mir hier, wie grundsätzlich im Leben, wirklich Spaß.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.