Tierquälerei
Tierquälerei Skandal in Traismauer
Schwere Vernachlässigung von Tieren und Leichen im Stall. Behördlich ist der Betrieb seit neun Jahren bekannt.
TRAISMAUER. Mehr als 1000 Lämmer, Schafe, Zicklein, Ziegen und Rinder werden in dem großen Mastbetrieb in Traismauer gehalten. Die Zustände sind abscheulich, das Tierleid ist immens. Ein aktuelles Video des VGT zeigt das horrende Ausmaß der Tierqual in diesem Betrieb. Der Verein gegen Tierfabriken hat Anzeige bei der BH St. Pölten erstattet.
Der Betrieb
Der Mastbetrieb ist auf männliche Jungtiere aus der Milchproduktion und „ausgediente“ Milchschafe und -ziegen spezialisiert. Die Lämmer, Zicklein und Kälber werden von Milchbetrieben an die Skandal-Mast verkauft, denn männliche Jungtiere kann die Milchindustrie nicht gebrauchen. Auch ausgemergelte Mutterschafe und -ziegen, die ihr Leben lang Milch geben mussten, landen im Mastbetrieb.
Qualvolle Haltung
Videoaufnahmen zeigen am Boden liegende Schafe und Ziegen – bewegungsunfähig und schwer atmend sterben die Tiere langsam. Tierleichen in unterschiedlichen Verwesungsstadien im Stall und volle Leichentonnen vor dem Gebäude zeigen, wie häufig Tiere in diesem Betrieb sterben. Einfach in den Mastbuchten liegen gelassen, müssen die Artgenossen über die Leichen steigen, teils sogar auf ihnen liegen. Die toten Körper der Tiere sind ein Zeugnis der mangelnden Versorgung kranker, schwacher oder verletzter Tiere im Betrieb. Der Tod ist quasi einkalkuliert.
Vollspaltenboden und Fäkalien
Die Vollspaltenbodenhaltung von Schafen ist gesetzlich verboten. Dennoch müssen mehrere Gruppen von jungen Lämmern auf hartem Plastik-Vollspaltenboden ausharren. Dicht drängen sich die erst wenige Wochen alten Tiere auf den dem VGT zugespielten Fotos zusammen. Die Rinder müssen in knöcheltiefen Fäkalien-Seen aus Kot und Urin leben, liegen und schlafen. Das bedeutet für die Tiere erhebliche Krankheitsrisiken und immenses Tierleid.
Amtsbekannt seit Jahren
Bereits im Jahr 2013 erstattete der VGT erstmals Anzeige gegen den Betrieb. Die Vorwürfe damals ähneln den aktuellen: Sterbende, verwesende Tiere und massive Verschmutzungen. Die Behörde versprach Aufklärung, der damalige Bezirkshauptmann-Stellvertreter stellte sogar ein Tierhaltungsverbot in den Raum. Geändert hat sich allerdings offensichtlich nichts. Selbst dieser amtsbekannte Skandalbetrieb kann Tiere weiterhin grausam quälen, ohne dass das niederösterreichische Kontrollsystem tätig wird. Die Tiere müssen den Preis bezahlen.
Forderungen
Der VGT fordert eine umfassende Aufklärung des Skandals und sofortige Konsequenzen. Den leidenden Tieren muss umgehend geholfen werden. Nach dem wiederholten Skandal fordert der VGT ein endgültiges Tierhaltungsverbot. "Der Umstand, dass die Zustände auf diesem Betrieb seit Jahren bekannt ist, ist schockierend. Sind die zuständigen Behörden hilflos oder unwillig, das offensichtliche Tierleid zu beenden?", so David Richter der VGT-Kampagnenleiter. Der VGT fordert schnellstens ein vor neun Jahren schon in Aussicht gestelltes Tierhaltungsverbot.
Stellungnahme
"Eine Tierrechtsorganisation hat Bilder und Videos unseres Betriebs veröffentlicht, die von zahlreichen Medien übernommen wurden und mein Betrieb wurde in weiterer Folge angezeigt. Im Zuge der Anzeige wurde der Amtstierarzt aktiv und hat uns am Freitag, 9. September und in weiterer Folge am Montag 13. September, unangekündigt kontrolliert. Ein Protokoll der behördlichen Kontrolle wurde uns bislang noch nicht übermittelt", schreibt der verantwortliche über die derzeitige Situation rund um seinen Betrieb. Bei seiner Reaktion auf die Berichte geht es vor allem um eines: Einsicht. "Dennoch möchte ich mich bereits heute aktiv als betroffener Landwirt für die in den Bildern und Videos vorgefundenen Zustände in aller Form entschuldigen. Ganz speziell richtet sich meine Entschuldigung an alle meine Berufskollegen, die ihre Tierhaltungen ordnungsgemäß führen." Hauptgrund für das Ausmaß seien Überforderung gewesen
"Wir haben seit den früheren Beanstandungen vor einigen Jahren viele Maßnahmen umgesetzt. Allerdings bedaure ich sehr, dass wir nicht erkannt haben, dass uns die arbeitswirtschaftliche Situation am Hof und gesundheitliche Rückenprobleme meinerseits im vergangenen halben Jahr wieder massiv überfordert haben. Zusätzlicher Druck durch Arbeitsspitzen in unseren verschiedenen Betriebssparten und die Folgen der Teuerung verschärften unsere Situation. Mir ist bewusst, dass dies keine Entschuldigung dafür ist, dass die Tierversorgung nicht ausreichend war und wir unserer Verantwortung gegenüber unseren Tieren nicht im erforderlichen Ausmaß nachgekommen sind."
Das wichtigste für den Familienbetrieb sei es jetzt Maßnahmen zur Verbessrung zu schaffen "Ich weiß, dass wir in dieser Form nicht weitermachen können. Wir haben seit Freitag bereits zahlreiche Maßnahmen getroffen, um die Situation zu entschärfen sowie zu verbessern und wollen weiterhin alles dazu tun, so bald als möglich eine ordnungsgemäße Tierhaltung umzusetzen. Daher arbeite ich vollumfänglich mit den Behörden zusammen."
Kontrollsystem mangelhaft
Das Tierschutzgesetz setzt die Mindestgrenzen für den menschlichen Umgang mit Tieren fest. Hier wird einiges toleriert, was eigentlich als Tierquälerei gelten sollte. So dürfen Jungtiere sofort von der Mutter getrennt und mit künstlicher Milch aufgezogen werden. Statt arteigener Abwehrstoffe bekommen die kleinen Tiere im betroffenen Betrieb in den Muttermilch-Ersatz Antibiotika zugesetzt. Gepaart mit den völlig unhygienischen Zuständen führt das zu einer hohen Todesrate, die toleriert wird. Das einzelne männliche Tier wird billig als "Abfallprodukt" aus der Milchindustrie geliefert und wird verwertet - sofern es überlebt - und das gelingt offenbar gut genug.
Gab es Kontrollen?
Die Frage, die sich nun stellt: gab es Kontrollen und wenn ja, wie haben diese ausgesehen ? Die Behörde behauptet nun, dass es Kontrollen gab, bei denen es keine nennenswerten Beanstandungen gab. Das wirft weitere Fragen auf, nämlich, ob die Kontrollen angekündigt waren und wie die Behörden auf die vorgefundenen Zustände reagiert haben. Aus jahrzehntelanger Erfahrung zeigt sich, dass das Kontrollsystem ineffektiv ist und einzelne Kontrollorgane offenbar nicht willig sind oder es ihnen nicht möglich ist, ihren Auftrag im Sinne des Tierschutzes zu erfüllen.
"Neben seiner einflussreichen Funktion als Obmann des NÖ Bauernbundes ist Stephan Pernkopf für das Veterinärwesen in Niederösterreich letztverantwortlich. Ich orte bei ihm mangelndes Interesse, die vom Menschen genutzten Tiere dem Gesetz entsprechend zu schützen. Das wirkt sich auch auf jeden einzelnen Amtstierarzt aus. Ein Landesrat, der für die landwirtschaftlichen Betriebe und gleichzeitig deren Kontrolle zuständig ist, befindet sich natürlich ständig im Interessenskonflikt. Was auf Bundesebene getrennt ist - Landwirtschaft und Tierschutz/Veterinärwesen - muss dringend auch in Niederösterreich in verantwortungsvolle Hände gegeben werden",
so David Richter vom VGT dazu. Auch Traismauers Bürgermeister Herbert Pfeffer ist schockiert von den Bilden, die publik geworden sind "Das Tierwohl ist für die Stadtgemeinde Traismauer sehr wichtig. Bilder wie sie jetzt vorliegen gehen jedem sehr nahe. Die Stadtgemeinde duldet in keinster Weise jegliche Art von Tierquälerei und gesundheitsgefährdende Missstände." Aber auch ihm sind in diesem Fall die Hände gebunden "Jedoch liegen die Zuständigkeiten, Prüfungen sowie Kontrollen im Bereich des Tierschutzes bei der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten. Die Bezirksverwaltungsbehörde und der amtstierärztliche Dienst haben vergangene Woche gleich Sofortmaßnahmen gesetzt und tun selbstverständlich alles in diesen Fall."
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