Terrorverdacht in St. Pölten
Der Beschuldigte gab an, sich im Internet über Sprengvorrichtungen informiert zu haben.
Über Anordnung der Staatsanwaltschaft wurde ein 14-jähriger Tatverdächtiger festgenommen. Durch Aussagen und Verhaltensweisen war die zunehmende Radikalisierung des Jungen aufgefallen. "Der Beschuldigte hat zugestanden, nach Syrien reisen zu wollen und mit dem Islamischen Staat zu sympathisieren", erklärt die Erste Staatsanwältin Michaela Obenaus. Bei Befragungen gab er an, sich im Internet über den Bau unkonventioneller Sprengvorrichtungen informiert zu haben. Mehmet Isik vom Kultur- und Wohltätigkeitsverein St. Pölten durfte mit dem Tatverdächtigen sprechen. "Dabei ist er sehr nachdenklich geworden", ist er zuversichtlich, dass der 14-Jährige wieder auf den richtigen Weg kommt.
So denken St. Pöltens Muslime
Die BEZIRKSBLÄTTER haben verschiedene islamische Institutionen in St. Pölten um eine Stellungnahme gebeten.
Eine Stellungnahme der Integrationsbeauftragten Martina Eigelsreiter konnte hingegen auch nach mehrmaligen Versuchen nicht eingeholt werden.
"Ich fühle mich als Österreicher"
Wer wir sind: "Wir sind der Islamische Kultur- und Wohltätigkeitsverein in Herzogenburg und glauben an die sunnitische Lehre. Wir haben registrierte Stammmitglieder, sind aber kein geschlossener Verein", so Isik Yüksel.
Wofür wir stehen: "Unsere Schwerpunkte sind es, Informationen, Deutschkurse und Weiterbildung für Muslime anzubieten und die Integration voranzutreiben. Dafür haben wir eine eigene Arbeitsgruppe", so Isik Yüksel weiter. Der Verein sieht sich selbst als liberal und legt Wert auf die Arbeit mit Jugendlichen. "Es ist uns wichtig, dass sie sich nicht in die falsche Richtung entwickeln und als Erwachsene Positives zur Gesellschaft beitragen", erklärt Isik Yüksel weiter. Auch er mache sich Gedanken über die extremistischen Entwicklungen. "Aber die Leute hier kennen uns und wissen, wie wir sind", so Isik Yüksel. "Ich fühle mich als Österreicher", erklärt er.
Koran, Derwische und Staplerscheine
Wer wir sind: "Wir sind das Islamische Kulturzentrum in Wagram. Unsere Glaubensrichtung ist die sunnitische. Etwa 99 Prozent unserer Mitglieder kommen aus der Türkei", erklärt Esref Cakmak, Obmann des Zentrums.
Wofür wir stehen: "Zu unseren Schwerpunkten zählen verschiedene kulturelle Tätigkeiten, wie etwa die tanzenden Derwische, die auch beim Fest der Begegnung auftreten", so der Obmann. Im Zentrum werden Deutschkurse, aber auch Staplerkurse angeboten.
"Auch unsere Kinder werden hier unterrichtet. Über den Koran, unsere Kultur und über das Zusammenleben in Österreich. Das ist ein wichtiges Thema für uns", fügt Esref Cakmak hinzu.
Über Besucher freut sich das Islamische Kulturzentrum in Wagram, Esref Cakmak bittet aber um Anmeldung. "Dann hat auch wirklich jemand Zeit für Gäste", so der Obmann.
"Integration ist ein wichtiges Thema"
Wer wir sind:"Wir sind die Alevitische Kulturgemeinschaft in St. Pölten und haben etwa 600 registrierte Mitglieder. Der Verein wurde gegründet, um die alevitische Lehre und Identität von den aus der Türkei eingewanderten Aleviten zu erhalten und an unsere Jugendlichen weiterzugeben", erklärt Mercan Mehmet von der Alevitischen Kulturgemeinschaft. "Wir haben zwar Islamische Wurzeln, sind aber eine eigenständige Religion, die Alevitische Förderation Österreich, der 12 Vereine angehören",so Mercan Mehmet.
Wofür wir stehen: "Unser Ziel ist es, in Harmonie mit anderen Religionen zu leben und Brücken zueinander zu bauen. Integration ist dabei ein ganz wichtiges Thema", so Mercan Mehmet weiter.
Die Aleviten sehen sich selbst mit einer liberalen und offenen Weltanschauung. Die Alevitische Kulturgemeinschaft verurteilt religiösen Fundamentalismus. "Ich finde es besonders schlimm, wenn Menschen aufeinander gehetzt werden", so Mercan Mehmet.
St. Pölten: Vorträge gegen Radikalismus
Wer wir sind: "Wir sind der Islamische Kultur- und Wohltätigkeitsverein in St. Pölten. Unsere Aufgaben sind breit gefächert. Wir haben eine Koranschule, geben Deutschkurse und helfen bei schulischen und sprachlichen Problemen", erklärt Obmann Mehmet Isik, für den Integration ein wichtiges Thema ist. Die Mitglieder stammen aus 15 Ländern und auch Nicht-Mitglieder sind, wie der liberale Verein betont, immer willkommen. Das Programm wird von etwa 250 Familien in Anspruch genommen. Für Mehmet Isik ist auch die Arbeit mit Jugendlichen ein Thema.
Wofür wir stehen: "Wir haben eine Jugendabteilung und halten Vorträge gegen Radikalismus. Viele der Familien und deren Kinder kennen wir seit Jahren. Wenn wir Veränderungen bei Jugendlichen sehen, suchen wir das Gespräch", erklärt der Obmann. "Aber in Niederösterreich gibt es kaum radikal denkende Personen", so Mehmet Isik.
Daten und Fakten zu St. Pöltens Muslime
Etwa 5.000 Muslime leben derzeit in St. Pölten, diese teilen sich in 1.700 Aleviten und etwa 3.000 Sunniten auf. Auch Schiiten leben in St. Pölten, genaue Zahlen sind aber nicht bekannt.
Die Aleviten sind Mitglieder einer auf das 13./14. Jahrhundert zurückgehenden in Anatolien entstandenen islamischen Glaubensrichtung. Man unterscheidet ethnisch türkische und kurdische Aleviten.
Die Sunniten bilden die größte Glaubensrichtung im Islam, stellen in den meisten islamischen Ländern die Mehrheit der Muslime dar und bildeten immer die größte Mehrheitsströmung im Islam.
Etwa 15 Prozent der Muslime sind Schiiten. Die Staaten, in denen die Schiiten die Mehrheit stellen, werden manchmal unter dem Begriff Schiitischer Halbmond zusammengefasst. Zwei Moscheen stehen den Muslimen in St. Pölten zur Verfügung.
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