Handy, Kinder und Konzentration - Ist dies ein Widerspruch!
Heute im Gespräch mit Marion Hopfgartner, Didaktikerin und Pädagogikerin, Buchautorin, internationale Rednerin und Begründerin der Lelek Akademie. Das Thema heute ist Medien und wie viel ist gut.
Interviewer: Kinder und Medien – das ist heute ein spannendes, heiß diskutiertes und teilweise sogar umstrittenes Thema in der Gesellschaft. Das Medien aus der heutigen Zeit nicht mehr wegzudenken sind, ist uns allen klar, aber wieviel Medien und wie, das braucht sicher noch viele Experten aus verschiedenen Bereichen, die darüber genauer nachdenken. Heute ist unser Gast Frau Marion Hopfgartner. Was meinen Sie zum Thema Handy und Kind. Passt das zusammen?
Marion: Handys sind ein Teil unseres Alltaglebens geworden. Sie sind fester Bestandteil eines Tagesablaufs. Wenn Sie den Weg nicht kennen, dann befragen Sie Google Maps oder ein anderes Programm auf Ihrem Handy. Wenn Sie eine Antwort brauchen, dann schauen Sie im Internet am Handy nach. Wenn Sie jemand anrufen, beim sms-en, whatsapp-en verwenden Sie das Handy und sogar skype-en können Sie mit dem Handy. Manche Erwachsene nutzen es sogar für Spiele oder Lernspiele, um Entspannungsmusik, Laufmusik abzuspielen zum Notizen abspeichern. Erwachsene sind Vorbild für unsere Kinder. Natürlich finden Kinder dieses Gerät spannend und ansprechend, wo es doch ein zenetrales Instrument des Alltags geworden ist. Also, wie sollen wir da wohl unseren Kindern und Jugendlichen erklären, dass Handy nicht zum Leben dazu gehört, dass es nicht normal ist vor dem Handy zu sitzen und dass wir hier wirklich achtsam mit dem Gerät umgehen sollen, dass die Zeit limitiert sein soll und dass wir nicht 5h Spiele am Handy spielen sollen.
Interviewer: Heißt das Sie glauben, dass Handy für Kinder gut ist?
Marion: Gut oder nicht gut ist eine Frage, die besser von Entwicklungspsychologen und Wissenschaftlern beantwortet werden kann. Ich möchte damit vor allem darauf hinweisen, dass wir uns allen bewusst, dass es bei uns als Erwachsene bewusstwerden müssen, dass es mit uns selbst beginnt und wir uns den Umgang mit diesem technischen Gerät überlegen müssen. Wieviel handy-freie Zeit haben Sie als Erwachsener heute? Vielleicht ist es notwendig, dass es mehr handy-freie Zeiten in einer Familie gibt, Zeiten, wo Eltern und Kinder das Handy zur Seite legen, in einem Regal verstauen oder sogar abdrehen, wo man gemeinsam ein Gesellschaftsspiel auspackt, in den nächsten Wald geht, das Fahrrad aus der Garage holt und so einen mehr balancierten Alltag schafft. Dazu fragt es sich natürlich, ob Erwachsene es heute noch ohne Handy aushalten.
Interviewer: Handy wird ja, so wie Spielkonsolen von Kindern hauptsächlich für Spiele verwendet. Wissenschaftler weisen ja auf eine gewisse Gefahr von Sucht hin. Was halten Sie davon?
Marion: Ja, sehr wohl neigen Kinder dazu sich in diese Spielwelt zu vertiefen. Bei älteren Kindern ist es vor allem so, dass sie in diesem Spiel einmal der Held sein können. Oft ist der Alltag eines Teenagers sehr anstrengend. Die pubertäre Phase führt dazu, dass es immer wieder Streit mit Eltern gibt, Jugendliche fühlen sich nicht verstanden, der Druck in der Schule ist hoch und wenn dann auch noch die Gemeinschaft der Freunde fehlt, dann ist das sich Zurückziehen in die Spielwelt ein großer Reiz. Beim jungen Kind ist eher die Reizüberflutung die Gefahr. Diese wiederum kann zur Instabilität des Kindes führen.
Interviewer: Ihre Lelek Akademie in Wien beratet ja auch viele pädagogische Fachkräfte und vermittelt in Kursen Wissen über die Medienpädagogik. Womit sind die PädagogInnen heute konfrontiert?
Marion: Dies ist sehr altersabhängig. Bei sehr jungen Kindern, die bereits sehr viel das Handy verwenden, kommt es immer wieder zu einer verlangsamten Entwicklung der Feinmotorik. Das Kind lernt die Wischbewegung des Handy, aber hat weniger Reize für die Bewegung des Handgelenkes, die aber für das Halten eines Stiftes und später dann zum Schreiben eine wesentliche Rolle spielt. Kinder die Handyspiele und Fernsehen im Übermaß betreiben, zeichnen sich oft auch durch fehlende Aufmerksamkeit bei Bildungsangeboten aus, oder können ihre Konzentration nicht vertiefen. Aus neurologischen Untersuchungen sehen wir auch, dass die Impulse, die bei Computerspielen und Fernsehfilmen mit hohem Actionanteil, schnell abwechseln und so sehr schnelle Reizveränderungen im Gehirn beeinflussen. So kann ein Kind den Unterricht eines Lehrers, obwohl sich dieser wirklich in seiner pädagogisch-didaktischen Arbeit bemüht, als langweilig oder unterfordernd empfinden. Manchmal sind Lehrer damit auch überfordert, denn es bedarf bei manchen Schülern schon eher eines „Animateurs“ und weniger einer „pädagogischen Fachkraft“. Es sind große Herausforderungen, die hier auf alle Beteiligten, ElementarpädagogInnen, LehrerInnen, Eltern aber auch auf die Kinder selbst einwirken. Wir haben noch keinen balancierten Zugang zu Medien in unserer Gesellschaft erlernt.
Interviewer: Wie würde eine Mutter/ein Vater eine Instabilität des Kindes erkennen können und was könnte dagegen getan werden?
Marion: Während das Kind mit Fernseher und Handy beschäftigt ist, können Eltern eher wenig erkennen. Deshalb ist es wichtig, das Kind auch nach der Benutzung zu beobachten. Wenn ein Kind sehr aggressiv, aufgewühlt, überdreht, erschöpft reagiert, dann ist dies auf jeden Fall ein Zeichen von zu viel. Wenn Kinder keine anderen Spielideen mehr haben außer Handy und Fernsehen, dann ist dies ebenfalls ein Zeichen, dass es zu viel war. Kinder entwickeln vor allem beim Fernsehen oder bei Spielen, wo es um Zeit, Geschwindigkeit und Geschicklichkeit geht, eine hohe Körperspannung. So kann ich nach dem Spiel auch oft erkennen, dass das Kind eine massiv erhöhten Bewegungsdrang hat. Wenn mein Kind sich brüllend auf den Boden wirft und 30 Minuten schreit, nur weil es jetzt nicht fernsehen oder Handyspielen darf, dann muss ich als Mutter oder Vater erkennen, dass es Zeit wird hier Bewusstseinsarbeit zu tun.
Interviewer: Sind Medien nun generell schlecht?
Marion: Nein. Alle alten und neuen Medien bringen uns natürlich auch Vorteile. Es ist aber wichtig zu wissen, was, wann und wie ich sie einsetze. Kaum ein Mensch hat heute mehr ein Fotoalbum, alles wird am Handy abgespeichert. Natürlich will auch schon das zweijährige Kind sich selbst und seine Familie auf den Bildern betrachten. Ein Spiel braucht aber ein zweijähriges Kind noch nicht. Gerade in Schulen bin ich überzeugt ist es wichtig, das Interesse der Kinder zu nutzen und Bildungsinhalte unter Einsatz von Lernspielen am Computer aufzubauen. So glaube ich auch, dass Social Media tools genutzt werden können, um interaktiv und mit viel größerem Interesse am Lernen teilzuhaben. Darüber schreibe ich auch ausführlich in meinem Buch „Upgrade Education – The-21-step-programm“ welches auf Amazon erhältlich ist. Medien sind Arbeitsmittel und wir sollen den Kindern und Jugendlichen die Chance geben, dies auch zu erkennen.
Interviewer: Danke für das Interview.
Frau Marion Hopfgartner ist Pädagogikerin und Didaktikerin. Sie hat selbst mehr als ein Jahrzehnt mit Kindern beruflich gearbeitet. 2013 hat sie Lelek ins Leben gerufen und heute ist die Lelek-Akademie ein Aus- und Weiterbildungsplatz für pädagogische Berufe und Eltern. Selbst ist sie Vortragende auf internationalen Bildungskongressen. Im Frühjahr 2017 machte sie eine Bildungstournee durch Südafrika. Schon in der kommenden Woche wird sie auf einem Bildungskongress in Spanien sprechen und in Herbst ist sie auf den Weltkongress für Bildung in Mumbai, Indien als Rednerin geladen. Als Buchautorin nimmt sie sich dem Thema Bildung aller Altersgruppen an. Ihre ersten Bücher handeln vor allem um das Kleinkind und das Spannungsfeld, dem schon heute Kleinkinder ausgesetzt sind. Ihre letzten Bücher sind vor allem dem Thema soziales Miteinander und der Notwendigkeit Schule einem „Upgrade“ zu unterziehen gewidmet.
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