Gesundheitsversorgung krankt
Retzer Land kämpft um Erhalt des Notarztes

- Über das Retzer Land hinaus kämpfen Gemeinden für den Erhalt des Notarztstandorts in Retz: Leo Ramharter (Bgm. Pulkau), Manfred Marihart (Altbgm. Pulkau), Notruf NÖ-Geschäftsführer Christian Fohringer, Stefan Lang (Bgm. Retz) Markus Baier (Bgm. Zellerndorf), Friedrich Schechtner (Bgm. Hardegg), Johann Divotgey (Vizebgm. Schrattenthal), Roland Toifl (Bgm. Unterretzbach) und die Medizinische Leiterin Nicole Kordina.
- Foto: Retzer Land
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Retzer Land kämpft um den Notarztstützpunkt, da es laut den Plänen des Gesundheitspaktes nur mehr einen Standort pro Bezirk geben soll, angeschlossen an ein Primärversorgungszentrum vermutlich in Hollabrunn. Politiker treten gemeinsam dagegen auf.
RETZ. Das Rote Kreuz Retz erfuhr im Zuge der Präsentation des Gesundheitspaktes Niederösterreich ausschließlich über Medienberichte davon, dass künftig nur noch ein Notarztstützpunkt pro Bezirk vorgesehen ist – im Bezirk Hollabrunn wäre das vermutlich nicht mehr Retz, sondern ausschließlich Hollabrunn. Eine direkte Information, nähere Details zur Entscheidung, zum Zeitplan oder zu den Hintergründen liegen den Mitarbeitenden bislang nicht vor.
Keine Information, aber scheinbar alles beschlossen
Laut dem veröffentlichten Expertenpapier soll stattdessen die Flugrettung ausgebaut und Notfallsanitätern mehr Verantwortung übertragen werden.

- Bezirksstellenleiterin Rotes Kreuz Retz Christina Schwarzböck
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Für Christina Schwarzböck, Bezirksstellenleiterin des Roten Kreuzes Retz, ist dieser Ansatz bedenklich: „Unsere Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter leisten hervorragende Arbeit – aber in kritischen Situationen ist es beruhigend zu wissen, dass rasch ein Notarzt zur Stelle ist. Fällt dieser Rückhalt weg, stehen unsere Ehrenamtlichen plötzlich mit deutlich mehr Verantwortung allein da. Ich fürchte, dass sich unter diesen Bedingungen viele aus dem aktiven Dienst zurückziehen könnten – und das würde unser gesamtes Rettungssystem erheblich schwächen. Denn der Großteil unseres Teams engagiert sich freiwillig.“

- Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner mit der neuen Gesundheits-Landesrätin Eva Prischl.
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Wie von der zuständigen Gesundheitslandesrätin (SPÖ) Eva Prischl zu erfahren war, gibt es noch keine finale Liste der neuen Notarztstützpunkte und auch noch keinen Zeitplan der Neuausrichtung.
Distanz wäre fatal
Für die Gemeinden im Retzer Land, aber auch darüber hinaus, würde der Wegfall eine erhebliche Verschlechterung der Notfallversorgung darstellen.
Dadurch würde sich die effektiv versorgte Bevölkerungszahl auf rund 20.000 Menschen verdoppeln. Zwischen März 2024 und März 2025 wurde der Retzer Notarzt 646 mal alarmiert, das ist fast zweimal täglich. Die geplante Umstrukturierung würde deutlich längere Wartezeiten im Notfall bedeuten.

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Ein rasches Einschreiten durch den Notarzt hat erst kürzlich einem Kind vermutlich das Leben gerettet, wie Bezirksstellenleiterin Christina Schwarzböck erzählt: "Ein Kind hatte einen schweren Unfall. Wir (Sanitäter und Notarzt) waren innerhalb von 10 Minuten vor Ort. Der angeforderte Hubschrauber war 20 Minuten nach uns da und konnte dann auch nicht landen, da der Unfall in einem Waldstück passierte. Bis die Hubschrauber-Mannschaft dann da war, hat unser Notarzt den jungen Patienten bereits versorgen und stabilisieren können. Nicht vorzustellen, wie der Einsatz ohne Notarzt verlaufen wäre."
Pflege- und Betreuungszentrum & Caritas-Häuser
Auch für die Klienten des Pflege- und Betreuungszentrum Retz und mehrerer Häuser der Caritas wäre ein Wegfall gefährlich. Das Pflegepersonal ist in Notfällen auf die schnelle Unterstützung eines Arztes vor Ort angewiesen. Zwischen März 2024 und März 2025 wurde der Retzer Notarzt durchschnittlich fünfmal monatlich in diese Einrichtungen gerufen.
Retzer Land-Bürgermeister für Notarztstützpunkt in Retz
Die Bürgermeister des Retzer Landes setzen sich geschlossen für den Erhalt des Notarztstützpunkts in Retz ein. Von Beginn an bestand eine enge Absprache mit der Bezirksstelle des Roten Kreuzes Retz, die das Anliegen fachlich mitgetragen hat.

- Der Notarzt ist für mehr als 20.000 Menschen in der gesamten Region Retzer Land und Pulkautal lebenswichtig.
- Foto: Rotes Kreuz Retz
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Die Bürgermeister betonen ausdrücklich, dass ihr Einsatz sachlich, überparteilich und im Sinne der Bevölkerung erfolgt. Es geht nicht um politische Profilierung, sondern um die gesundheitliche Sicherheit von 20.000 Menschen.
Entscheidung könnte im Sommer fallen
Stellvertretend für alle Gemeinden baten wir Bürgermeister Stefan Lang als Standortgemeinde Retz um seine Meinung: „Ein Wegfall des Notarztstandorts Retz würde eine unzumutbare Entfernung zur medizinischen Notfallversorgung bedeuten. Als Standortgemeinde kämpfen wir entschieden für den Erhalt dieser lebenswichtigen Einrichtung. Eine derartige Entscheidung ist für die Gemeinden des Retzer Landes und weit darüber hinaus nicht nachvollziehbar. Unsere zentrale Aufgabe ist es, der Bevölkerung eine verlässliche und wohnortnahe Versorgung zu garantieren. Auch wenn es derzeit noch keinen offiziellen Zeitrahmen gibt, stehen wir bereit – denn ersten Informationen zufolge könnte bereits im Sommer eine Entscheidung fallen.“
Nachdruck bei zuständigen SPÖ-Landesrätin
„Gerade in der Grenzregion haben wir jetzt schon weite Strecken in die jeweiligen Gesundheitseinrichtungen zu bewältigen. Künftig soll dann auch noch der Notarzt bis zu doppelt so lange Strecken zurücklegen. Das können wir unserer Bevölkerung nicht zumuten. Hier geht es um Menschenleben. Wir wollen über die Parteigrenzen hinweg und mit aller Kraft für den Erhalt des zweiten Standortes in unserem Bezirk, sprich in Retz, eintreten“, erklärt Peter Frühberger, SPÖ-Bürgermeister aus Seefeld-Kadolz.

- Ein Wegfall des Notarztstandorts Retz würde eine unzumutbare Entfernung zur medizinischen Notfallversorgung bedeuten.
- Foto: Rotes Kreuz
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Gemeinsam mit seinen beiden SPÖ-Bürgermeisterkollegen aus dem Pulkautal, Erwin Kasper (Pernersdorf) und Christoph Hohl (Mailberg) sowie den drei ÖVP-Bürgermeistern aus dem Retzer Land, Stefan Lang (Retz), Friedrich Schechtner (Hardegg) und Leo Ramharter (Pulkau) untermauerten sie bei Landesrätin Eva Prischl (SPÖ) ihre Anliegen und Forderungen.

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Auf Anfrage von MeinBezirk Hollabrunn meinte sie dazu: „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, um die Voraussetzungen für die durch die Experten empfohlene und die Abgeordneten beschlossene neue Struktur eines abgestuften Rettungs- und Notarztsystems zu schaffen. Für mich ist es wichtig, dass die Sorgen und Bedenken aus den Regionen ernst genommen und im Rahmen des Umsetzungsprozesses entsprechend thematisiert werden.“ (die gesamte Stellungnahme aus dem Büro Prischl kannst Du ganz unten lesen)
Reaktionen der Bürgermeister
Bürgermeister Friedrich Schechtner äußerte große Sorge um die Anfahrtsdauer von einem südlicheren Stützpunkt wie Hollabrunn, da etliche Orte in seiner Gemeinde in frühestens 40 Minuten erreicht werden könnten.

- Gruppenfoto Bezirksstelle Retz
- Foto: Rotes Kreuz
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Pulkaus Bürgermeister und Bezirksobmann des VP-Gemeindebundes Leo Ramharter verweist gemeinsam mit dem Retzer Bürgermeister Stefan Lang auf den erst kürzlich ausgebauten Rotkreuz-Stützpunkt in Retz, in den erst vor einigen Jahren die Retzer Land Gemeinden viel Geld investierten um den Notarzt weiterhin stationiert zu haben. „Dieser ist auch zu 98 Prozent besetzt, fährt im Schnitt täglich 2 Mal aus und er ist essenziell für die ärztliche Versorgung des Pflegeheimes und der Caritas.“
Prekäre Gesundheitsversorgung
Der Zellerndorfer Gemeinderat und SPÖ-Bezirksgeschäftsführer Patrick Eber skizzierte zudem die ohnehin sehr prekäre Gesundheitsversorgung im Bezirk vor allem mit Fachärzten und sprach von einer generellen Aushöhlung des peripheren ländlichen Raums. „Zuerst die Polizeiposten, dann die Postämter und Banken, bereits viele Nahversorger, zuletzt die Gastronomie und nun nimmt man uns das Wichtigste, nämlich unsere Gesundheits- und Notfalleinrichtungen – so hört man bei unseren Leuten in den Gemeinden. Und sie haben recht“, schließt Eber mit dem Appell, nicht nur die Expertenmeinung einfließen zu lassen, sondern auch auf die Sorgen der Bevölkerung Rücksicht zu nehmen.

- Bgm. Friedrich Schechtner (Hardegg), GGR Patrick Eber (Zellerndorf), Bgm. Leo Ramharter (Pulkau), Bgm. Peter Frühberger (Seefeld-Kadolz), Bgm. Erwin Kasper (Pernersdorf), Bgm. Christoph Hohl (Mailberg) und der Retzer Bürgermeister Stefan Lang (v.l.n.r.) setzten sich in der NÖ Landesregierung bei Landesrätin Eva Prischl (Bildmitte) für den Erhalt des Notarztstützpunkts in Retz ein.
- Foto: SPÖ Hollabrunn
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Landesrätin Eva Prischl verwies auf die Beschlusslage im Landtag, bei der fast alle Parteien für den Plan stimmten und sich auf 21 Notarztstellen festlegten. Demnach würde es im Bezirk nur eine geben. Sie versprach jedoch alles Besprochene noch einmal in den Prozess einfließen zu lassen und sich mit Finanzlandesrat Schleritzko, bei dem einige Tage zuvor eine Delegation aus dem Retzer Land war, abzusprechen. Prischl möchte mit den Gemeindevertretern des Retzer Landes und dem Pulkautal weiter in Kontakt bleiben, um auf Sorgen und Ängste aus der Bevölkerung eingehen zu können.
Petition zur Erhaltung des Notarztstützpunkts Retz
Über 20.000 Menschen im westlichen Weinviertel wären betroffen – darunter ältere Menschen, Pflegebedürftige, Kinder, Sportler und Ehrenamtliche.
❌ Lange Anfahrtszeiten.
❌ Keine echte Alternative durch Helikopter oder Telenotarzt.
❌ Rückschritt in der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum.
👉 Jetzt ist die Zeit, deine Stimme zu erheben!
🖊️ Unterschreiben Sie hier die Petition und hilf mit, den Notarztstützpunkt Retz zu erhalten.
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Stellungnahme aus dem Büro Prischl
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