Humbert Fink Literaturpreis
„Ein tröstlicher Lichtblick in einem beinharten Jahr“

- Anna Baar: "Arzte sind für mich die wahrhaftigsten Kunstler."
- Foto: Johannes Puch
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LESUNG AM 23. SEPTEMBER ABGESAGT!
Schweren Herzens ist der Förderkreis Onkologie St. Veit an der Glan gezwungen, die LESUNG MIT ANNA BAAR am 23. September abzusagen.
"Wir sind enttäuscht von den aktuellen Entwicklungen, möchten allerdings als Gesundheitseinrichtung mit gutem Beispiel voran gehen und eine Ausbreitung des Virus hintanhalten. In Anbetracht der verschärften CoV-Bundesverordnung betreffend Veranstaltungen ist es aber schier unmöglich, diese Veranstaltung abzuhalten.
Lange Rede kurzer Sinn … Wir sehen uns im Frühjahr 2021!"
Die Klagenfurterin Anna Baar wird im November mit dem Humbert-Fink-Literaturpreis ausgezeichnet. Am 23. September liest sie in St. Veit - zu Gunsten des Förderkreises Onkologie.
KLAGENFURT, ST. VEIT. Die Klagenfurter Schriftstellerin Anna Baar wird im November mit dem Humbert-Fink-Literaturpreis der Stadt Klagenfurt ausgezeichnet. Geboren ist sie 1973 in Zagreb, ihre Kindheit hat sie in Wien, Klagenfurt und auf der dalmatinischen Insel Brač verbracht. Ihr Debütroman „Die Farbe des Granatapfels“ stand drei Monate auf Platz 1 der ORF-Bestenliste. Ihr zweiter Roman "Als ob sie träumend gingen" wurde mit dem Theodor-Körner-Preis ausgezeichnet (beide: Wallstein Verlag).
Im WOCHE-Interview spricht sie über Heil- und Wortkunst.
WOCHE: Warum ist es Ihnen ein Anliegen, die Behandlung krebskranker Menschen zu unterstützen?
Anna Baar: Ich halte die Heilkunst an sich für die redlichste der Künste. Und wenn aus mir schon keine Ärztin geworden ist, wie es eigentlich vorgesehen war, will ich doch wenigstens auf Umwegen etwas beitragen.
Der Humbert-Fink-Preis der Stadt Klagenfurt – welche Bedeutung haben Auszeichnungen fur Sie?
Auszeichnungen sind hilfreich und manchmal ein rettender Strohhalm. Und wie beim Strohhalm wünscht man sich doch, sie gar nicht erst nötig zu haben. Über den Humbert-Fink-Preis war ich konfus beglückt: Er war ein trostlicher Lichtblick in einem beinharten Jahr.
In welcher Stimmung müssen Sie beim Schreiben Ihrer Romane sein?
In welcher Stimmung muss ein Milchmädchen sein, wenn es zu den Kühen geht? Das All zu melken, ist auch nur eine Arbeit, und eine bestimmte Stimmung vorauszusetzen, wäre zu viel verlangt. Dürfte ich etwas erbitten, wäre es Seelenruhe.
Können Sie nach den Erfolgen ihrer Romane noch in Ihr Lieblings-Cafégehen?
Ich gehe selbstverständlich, wann immer mir danach ist, zu Vroni ins Theater-Café. Aber es ist nicht so, dass mich irgendwer in meiner Ruhe stört. Das mache ich höchstens selbst, wenn ich mich zu einer dieser Geselligkeiten hinreißen lasse, von der ich mich drei Tage lang erholen muss. Je heller einen das Licht der Öffentlichkeit trifft, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, sich der Einsamkeit bewusst zu werden.
In „Die Farbe des Granatapfels“ geht es auch um Traumata und Schicksal. Ist die Schriftstellerei eine Option, um dem eigenen Schicksal zu entfliehen?
Man kann dem Schicksal nicht entfliehen, aber ihm die Stirne bieten. Aber woran könnte man sich besser aufrichten als am Wort? Das Wort ist der Anfang von allem. Also hat auch die Heilkunst viel mit dem Wort zu tun. Ich kenne Menschen, die sich durchs Lesen in Sicherheit gebracht haben vor manchen Zumutungen des Lebens, auch solche, die beschwören, dass sie eine bestimmte Geschichte gerettet hat. Ich glaube diesen Leuten aufs Wort.
Ich sehe mich aber nicht als Botschafterin. Nur wenn ich merke, dass jemand eine Geschichte ganz schief auffasst, rücke ich das zurecht. Würde ich etwas ausrichten wollen, dann: „Lernt gefälligst Vergebung!“
War Ihnen beim Schreiben Ihres zweiten Romans „Als ob sie träumend gingen“ bewusst, dass auch dieses Buch erfolgreich werden würde?
„Als ob sie träumend gingen“ ist ein Experiment, sprachlich und auch sonst ganz aus der Zeit gefallen. Manche sagen vielleicht: Eine Zumutung für den Leser. Dass es gewürdigt wurde, hat mich überrascht. Es war nicht vorherzusehen, dass es noch so viele gibt, die sich etwas antun beim Lesen, denen man so etwas zutrauen kann. Und mein Zutrauen sehe ich als Gegenteil von Zumutung, als Zeichen der Wertschatzung.
Ihre Mutter ist Ärztin – welche Rolle spielt die Medizin in Ihrem Leben?
Wäre es nach meiner Mutter und vor allem nach meiner Großmutter gegangen, wäre ich Ärztin geworden. Ich war auf dem besten Weg, habe in Wien einige Semester Medizin studiert. Dann bin ich glücklich gescheitert, wohl weil ich mir die Nächte schreibend um die Ohren geschlagen habe statt lernend. Als mein jüngerer Sohn gesagt hat, dass er Arzt werden möchte, war ich heilfroh. Zurzeit macht er als Zivildiener beim Roten Kreuz die Ausbildung zum Rettungssanitäter. Wir fachsimpeln hin und wieder.
Kennen Sie Angst vor Krankheiten auch bei sich selbst?
Ja. Noch heute fühle ich mich wohler, wenn ein Krankenhaus in der Nähe ist. In Arzthaushalten sind Krankheitsgeschichten allgegenwärtig. Als Kind habe ich mit Angstlust solchen Geschichten gelauscht, aber nie zu fragen gewagt. Krankheiten schienen mir obszön. Oft schlich ich mit einem der medizinischen Fachbücher der Mutter auf mein Zimmer, schlug es dort klammheimlich auf, vertiefte mich in die Abbildungen und Beschreibungen der bis ins kleinste Detail nachgezeichneten Körperteile und Organe, wartete auf die ersten Anzeichen dieser und jener Krankheit. Meine Mutter kam mir vor wie die Hüterin schauerlicher Geheimnisse. Als Radiologin hat sie das Mysterium Körper ja buchstäblich durchschaut. Ich mag es, Leute zu treffen, die mir dankbar erzählen, dass sie meiner Mutter ihr Leben verdanken. Im Grunde gebührt ihr ein Preis oder sonst eine Würdigung. Ärzte sind für mich die wahrhaftigsten Künstler.
Der Granatapfel ist das Symbol der Barmherzigen Brüder und zeigt symbolisch den Auftrag des Ordens: motiviert durch die christliche Botschaft (Kreuz), kranken, alten, behinderten und Hilfe suchenden Menschen in Liebe (Granatapfel) nahe zu sein und Hilfe und Hoffnung zu bringen. Welche Bedeutung messen Sie dem Granatapfel bei?
Eine gekrönte Frucht, die aus stacheligem Holz wächst – das muss der Liebesapfel sein.
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