"Es wird völlig neue Arbeitsmodelle brauchen"

Landesstatistiker Peter Ibounig  beim Gespräch im Klagenfurter Schützenpark | Foto: Polzer
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SCHÜTZENPARK. Landesstatistiker Peter Ibounig verabschiedet sich im Oktober nach 35 Jahren in diesem Amt in die Pension. Im Gespräch im Park spricht er mit der WOCHE über das Pensionssystem, das sich ändern muss, die Überalterung und die Chancen durch Zuwanderung.

WOCHE: Kärntens Bevölkerung wächst wieder. Ein Zuwanderungs-Ausreißer oder sind wir auf einem guten Weg?
Ibounig: Kärnten ist aufgrund der Zuwanderung in den letzten drei bis vier Jahren gewachsen. Die Geburtenbilanz ist seit 1999 negativ, auch die Binnenwanderungsbilanz ist seit Jahren negativ. Die Außenwanderung, also den Zuzug aus dem Ausland, ist hingegen so positiv, das er all die anderen Negativsaldi ausgleicht.
Zuwanderung ist also eine Chance?
In nicht überbordender Größenordnung ist sie nützlich für Kärnten, ansonsten würden wir jährlich 2.500 Personen verlieren. Zudem wandern vorwiegend 20- bis 35-Jährige zu, das ist für das Land positiv. Zuwanderung hat allerdings durch den Ausnahmezustand mit der Flüchtlingswelle nun negativen Beigeschmack für die Menschen.
Was bräuchte es für hier für Regeln?
Traditionelle Zuwanderungsländer wie Kanada, die USA oder Australien integrieren nur Menschen, deren Qualifikationen dem Land nützen. Hierzulande ist das ein heißes Eisen, das traut sich niemand in der Politik aufzugreifen.
Die Abwanderung ist ein anderes Thema?
Die Jüngeren verlassen Kärnten. Das sind Bevölkerungsschichten, die gut ausgebildet sind oder sich auf dem besten Weg dazu befinden. Diesem Thema hat sich die Politik mittlerweile angenommen und setzt Maßnahmen, um hochqualifizierte Arbeitsplätze hierzulande zu forcieren.
Wo wird die Politik künftig tätig werden müssen?
Sie muss die Außenwanderung in bessere Bahnen lenken um dem vorherrschenden Facharbeitermangel entgegenzuwirken. Bosch/Mahle in Unterkärnten ist das beste Beispiel: Hier arbeiten viele Slowenen, weil der Betrieb in Kärnten die Fachkräfte nicht findet. Auch für den Tourismus ist das ein Thema. Wichtig wäre, auch die Bevölkerung im Lot zu halten, sprich: Wir müssen wieder mehr Kinder bekommen. Hier einzugreifen, ist weitaus schwieriger.
Weil man viele Rahmenbedingungen ändern muss?
Ja, Vorbild sind die skandinavischen Länder. Hierzulande besteht hoher Nachholbedarf in der Kleinkindbetreuung und der Flexibilität der Arbeitszeiten. Man muss Anreize schaffen. In Frankreich sind Familien mit vielen Kindern steuerlich begünstigt. Hier ist es jene Gruppe, die stärker an der Armutsgrenze schrammt, als Kleinfamilien. Auch die Aufteilung der klasssichen Familienarbeit ist immer noch sehr patriachalisch. Auf der Frau lasten die meisten Aufgaben.
Apropos Aufteilung: am 27.7. war in Österreich der Euqal Pensionsday. Klafft die Schere zwischen Männern und Frauen ausschließlich wegen der hohen Teilzeitbeschäftigung der Frauen so sehr auseinander?
Derzeit arbeiten 47% der Frauen in Teilzeit, aber nur 8% der Männer. Zudem verdienen Frauen auch ein Drittel weniger. Obwohl mittlerweile mehr Frauen Studienabschlüsse haben, sind jene der Männer im technischen Bereich – der besser bezahlt wird. Auch die Familie ist ein Faktor, nach wie vor – wie schon angesprochen – sind die Rollen bei uns hier sehr traditionell. Und, man darf die Berufsstruktur nicht vergessen: In hohen Positionen sind weitaus mehr Männer als Frauen. So kommt diese große Schere zustande.
Wir werden aber auch immer Älter...
Ja, 2030 werden wir um 42.000 Menschen mehr in der Altersgruppe 65+ haben, das sind von heute weg Plus 37%.
Was sind die größten Herausforderungen der Überalterung?
Es ist für die Arbeitswelt immens wichtig, rechtzeitig vorzubauen. Auch im Gesundheits- und Pflegebereich wird man Hand anlegen müssen. Heute sind bei den über 70-Jährigen 14,6% pflegebedürftig. Wenn man berücksichtigt, dass wir immer länger gesund bleiben und der Prozentsatz der Pflegebedürftigen bis 2060 deshalb um 2 Prozentpunkte sinkt, wird es bis dahin dennoch 6.000 Pflegefälle mehr geben.
Und das Pensionssystem?
Das Pensionsalter wird weiter angehoben werden müssen, derzeit liegt der mittlere Pensionsantritt bei Männern bei 61 Jahren, bei Frauen bei 59. Ich gehe auch davon aus, dass die neue Regierung das Alter weiter anheben wird. Auf 66 oder 67 Jahre. Sie werden müssen. Und gleichzeitig Anreize schaffen, länger im Erwerbsleben zu bleiben. Doch in den nächsten zwei, drei Jahrzehnten kommt noch eine große Herausforderung dazu.
Welche?
Die Arbeit wird durch die Digitalisierung immer weniger. Die Wirtschaft wird trotzdem boomen, da dies effizient ist. Aber der Verlust menschlicher Arbeistkraft wird in den nächsten Jahrzehnten enorm sein. Wesentlich wird, Arbeit künftig gerecht aufzuteilen. Sonst sind es wenige, die viel tun und gut leben können. Man muss möglichst viele am Arbeitsprozess teilnehmen lassen. Dazu wird es völlig neue Arbeitsmodelle brauchen. Auch eine gerechte Besteuerung der Arbeitskraft, obwohl das derzeit kritisiert wird.
Ein Beispiel?
Bei hochtechnologischen Unternehmen ist der Lohnanteil an der tatsächlichen Arbeit viel geringer, als etwa bei einem Frisör. Für mich ist das deshalb unabdingbar.
Sie selbst gehen im Oktober in Pension. Was wird dann abseits der Zahlen ihr Leben bestimmen?
Ich werde sicher nicht mit dem Taschenrechner herumlaufen. Ich lese und reise sehr gerne, gehe radfahren und wandern. Pensionsschock werde ich keinen erleiden.
Wie begegnen Sie dem altbekannten Spruch: Traue nie einer Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast?
Statistik ist ein Teilbereich der Mathematik, der einzig exakten Wissenschaft. Sofern man sich nicht verrechnet (lacht). Auf die Interpretation kommt es an. Je nachdem, was man vergleicht oder partiell herausnimmt, kann man hier einiges anrichten.
Ein Beispiel?
Jörg Haider verkaufte 2005 das Abrutschen Kärntens als Tourismusland im Bundesländerranking von Platz 2 auf Platz 3 als Erfolg. Weil er verschwieg, dass wir die Jahre davor immer Zweiter waren und jubelnd verkündete, dass Kärnten Dritter ist.
Welche ist die kurioseste Statistik, die Ihnen in all den Jahren untergekommen ist?
Wir Statistiker nehmen alles sehr ernst. Aber ich finde, es sollte wirklich einmal jemand fundiert erforschen, warum es in Kärnten stets mehr uneheliche Kinder gibt, als im Rest Österreichs. Alle bisherigen Erklärungsversuche sind unzureichend. Zudem finde ich spanndend, dass Landwirtschaften erwiesenermaßen außerhalb von Weinbaugebieten wirtschaftlich effizienter geführt werden (schmunzelt).

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