Wenn ein Spaziergang zum Horrortrip wird
KLAGENFURT. Kein Brot mehr daheim? Dann schnell zum Bäcker! Aber: unterwegs starren die Leute Sie an wie einen Verbrecher, und eine Stimme flüstert immer wieder "Sie wissen es! Geh nicht raus!"
Was sich anhört wie eine Szene aus einem Horrorfilm, ist das tägliche Leben von Schizophrenen. Ein eigens umgebauter Lkw bot Interessierten am Klinikumgelände mit der Multimediasimulation "Paved with Fear" (Gepflastert mit Angst) Einblicke in den Alltag von Erkrankten.
Der Alltag als Belastung
"Der Truck ist in ganz Europa unterwegs und soll dabei helfen, den Menschen diese Krankheit besser verständlich zu machen", sagt Günter Wagner vom Janssen-Pharmaziekonzern. Die Firma betreibt, gemeinsam mit Psychiatern, Betreuern und Patienten, das "Paved with Fear"-Projekt.
"Krankenschwestern, Ärzte, Betreuer, Auszubildende im klinischen Bereich und Angehörige von an Schizophrenie leidenden Menschen können so hoffentlich besser verstehen, wie die Krankheit sich jeden Tag auswirkt", so Wagner.
Die Schizophrenie-Simulation ist bis jetzt die einzige ihrer Art. In einer kleinen Kammer im Inneren des Trucks wird der Gang zum Bäcker aus der Sicht eines Schizophrenen mittels Surround-Sound, 3D-Video und einer beweglichen Rüttelplatte nachgestellt. Visuelle und akustische Halluzinationen können so am eigen Leib erfahren werden.
Stigmatisierung
"Vor allem die ältere Generation hält Schizophrene für Spinner und versteht manchmal nicht, dass es neben körperlichen auch psychische Krankheiten gibt", erzählt Roman Fleischhackl, medizinischer Direktor von Janssen Österreich. "Leider ist mit jedem erfolgreichen Hollywood-Film, der das Thema völlig verzerrt darstellt, unsere Aufklärungsarbeit wieder ein Stück zurückgeworfen".
Stoffwechsel
Der Experte merkt an, dass Medikamente nur zusammen mit einer Therapie von Nutzen sind. Schizophrenie ist nämlich eine chronische Erkrankung, gewissermaßen ähnlich wie Diabetes. "Neben belastenden Erfahrungen, die auch mitspielen können, ist dabei vor allem der Stoffwechsel im Hirn gestört", klärt Fleischhackl auf.
Betroffene brauchen die Hilfe von ihrem Umfeld, aber auch von Pflegern und Ärzten. Daher ist es wichtig, das alte Stigmata des "Spinners" durch Einfühlungsvermögen und Verständnis zu ersetzen. Denn, so der Experte: "Schizophrene bezahlen die volle Rechnung für ihre Krankheit".
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