Experten fordern Regeln für Banken und Politiker
Der Zukunftsdialog der WOCHE über Geld und Kapital – Kritik an Politik und Lösungsansätze.
Zum zweiten Mal trafen sich Top-Experten zum Zukunftsdialog von WOCHE und Marketingclub im „rem“ in Villach. Im zweiten Treffen am Runden Tisch ging es um das Thema „Geld und Kapitalmarkt“. Unter der Moderation von Martin Maitz vom Marketing Club Kärnten sprachen Universitätsprofessor und Soziologe Paul Kellermann, Volksbankenvorstand Gottfried Wulz, Volkswirt Gottfried Haber, Wirtschaftsprüfer Johann Neuner, AWD-Landeschef Christoph Ober-erlacher, der ehemalige Investmentbanker und Gründer Gerhard Fleischer sowie WOCHE-Geschäftsführer und Initiator des Zukunftsdialogs Robert Mack.
Neuner stellt die Frage: „Wieso haben wir die Vernunft verloren und das Kapital ist beherrschend?“ – „Gegen die Grundübel Gier und Dummheit werden wir nichts machen können“, zeigt sich Haber überzeugt, dass die nächste Krise bestimmt kommt. „Sie wird uns aber auf einem anderen Fuß treffen“, ist er überzeugt.
„Geld ist ja nur ein Symbol“, spricht Kellermann von falschem Geldverständnis. Und: „Wenn jemand am Kapitalmarkt fünf Millionen Euro verliert, ist das ja nur virtuell.“
Dass manche wenig gelernt haben, erlebt Obererlacher in seinem Geschäft: „Zuerst haben sich in der Krise die Kunden verändert; jetzt werden sie wieder gierig und wollen zocken.“ Wulz’ Diagnose: „Das System hat seine Grenzen erreicht.“
Schwierigkeiten mit der Kritik am Kapitalismus hat Fleischer. „Wir sehen das mit unserem europäischen Moralverständnis, in anderen Wirtschaftsräumen sieht das anders aus.“ Das bestätigt Neuner: „Bei uns gibt es Sozial- und Arbeitsstandards, wenn man woanders – etwa nach Asien – hingeht, interessiert das keinen Menschen mehr.“ Es sei laut Fleischer zwar nobel, Vernunft einzufordern, aber „ich befürchte, Europa wird in Schönheit untergehen“.
Neuner ist überzeugt, dass die Schuldenentwicklung – auch von Staaten und Ländern – zum „absoluten Showdown führen muss“. Haber pflichtet bei: „Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt, in guten Zeiten das Geld ausgegeben und in schlechten erst recht.“
„Die Krise der globalen Banken wurde von den Staaten bezahlt, wer zahlt jetzt die der Staaten?“, fragt Fleischer. – Mack entgegnet: „Bei prognostizierten 47 Prozent Abgabenquote werden das die Leistungsträger sein, der Mittelstand, der bereits angefangen hat keiner zu sein.“ Für Wulz sind die Verlierer vor allem die „jungen Menschen – auch in Kärnten –, die heute arbeitslos sind“.
Kritik an den Bankenrettungen
Haber übt Kritik an den Rettungspaketen. „Man hat die Verursacher viel zu schnell aus der Verantwortung genommen“, sagt er. Wulz zu den Bankenrettungen: „Ich bin nicht der Meinung, dass alle Staaten und Banken gerettet werden müssen.“ – Er plädiert für neue Regeln und, „dass bestehende umgesetzt werden“. „Früher hat die Kärntner Wirtschaft auch mit Beschränkungen im Kapitalmarkt gut funktioniert.“ Wulz fordert die Verkleinerung der systemrelevanten Banken, und: „Vielleicht koppelt man sich endlich von den USA ab.“
Politik in der Verantwortung
Neuner spricht nun die Politik an: „Es gibt eine Sorgfaltspflicht des ordentlichen Kaufmanns, für Politiker gibt es keine Verantwortung“, wettert Neuner. Stattdessen verlasse man sich bei der Schuldenaufnahme auf den Steuerzahler.
„Die Politik lebt den Menschen eine Lüge vor“, so Haber. „Wenn ich jemandem einen Tausender in die Hand drücke, suggeriere ich ihm, dass das Geld geschenkt ist, es müssen aber alle dafür zahlen.“
Fleischer macht darauf aufmerksam, dass „Hedgefonds 3.000 Milliarden Dollar an Off-Shore-Vermögen besitzen, auf das der Staat keinen Zugriff hat, um es zu versteuern.“
Darüber, dass man Steuergerechtigkeit einbringen muss, sind sich die Experten einig. „Die Menschen verstehen, wenn man ein Budget sanieren und dafür überall ansetzen muss“, ist Neuner überzeugt. Er plädiert für eine Erbschaftssteuer von fünf bis zehn Prozent und eine Stiftungsbesteuerung und kritisiert die Gruppenbesteuerung. Haber kennt das Problem: „Man will die Verteilungsdiskussion nicht ehrlich führen.“
Neuner fordert: „Wenn Steuern erhöht werden, muss der Staat im Gegenzug im gleichen Ausmaß seine Ausgaben reduzieren – das müsste gesetzlich verankert sein.“ Kellermann warnt vor bloßem Sparen. „Wenn man Arbeitskraft durch Sparen einschränkt, ist das der Untergang – wir müssen die Produktivität erhöhen!“ Ober-erlacher denkt an die Arbeitslosen in Kärnten. „Das sind Menschen, die Nutzen stiften wollen“, ist er sicher, „man müsste sie beschäftigen und damit die Wirtschaft wieder ankurbeln. – Es ist nicht schwierig, warum tun wir es nicht?“ „Weil wir nicht an der Macht sind“, so Kellermann. Entscheiden müssten das die Politiker. – „In Kärnten fehlt die kritische Masse, die die nötigen Veränderungen einleitet“, analysiert Mack. Haber dazu: „Man muss die Einstellung bei den Menschen ändern; wir dürfen uns nicht belügen lassen!“
Wulz ist überzeugt, dass Veränderungen möglich sind. Sein Beispiel: „Vor zehn Jahren war Brasilien pleite, jetzt herrscht Aufbruchstimmung – man kann etwas tun!“
Gerd Leitner
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