Wie eine einzige Zelle zum Körper heranwächst

Anna Kicheva forscht an Hühnereiern, um die Entwicklung von Säugetieren besser zu verstehen.
 | Foto: Peter Rigaud/IST Austria
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Von kleinen Molekülen, die Anweisungen geben

MARIA GUGGING. Jeder weiß, wie Babys gemacht werden. Weit weniger bekannt ist, wie eine befruchtete Eizelle eigentlich zu einem Menschen heranwächst. Wie entsteht zum Beispiel aus einer Zelle eine Hand oder gar ein ganzes Nervensystem? Entwicklungsbiologinnen wie Professorin Anna Kicheva vom Institute of Science and Technology (IST) Austria wollen die dahinterliegenden Mechanismen verstehen. Ihre Erkenntnisse könnten auch der Krebsforschung helfen.

Am Anfang sind wir alle nur ein Klumpen. Dieser besteht aus gleichausschauenden Zellen, die sich teilen und den Klumpen damit vergrößern. Bis schließlich etwas Großartiges passiert: Die Zellen beginnen sich in bestimmte Richtungen zu bewegen und spezialisieren sich zu verschiedenen Zelltypen. Kleine Arme und Beine nehmen Gestalt an, winzige Äugelein werden sichtbar, und das Herz schlägt zum ersten Mal. Aber was kontrolliert diese Zellen? Hier kommen die sogenannten Morphogene ins Spiel.

Finger sprießen lassen

In verschiedenen Teilen des sich entwickelnden Embryos beginnen spezielle Zellen diese molekularen Signale zu produzieren, welche sich anschließend im Gewebe verteilen. Dadurch entstehen Zonen mit unterschiedlichen Mengen an Morphogenen. Zonen näher an Morphogen produzierenden Zellen weisen höhere Konzentrationen auf, während Zonen, die weiter entfernt liegen, niedrigere Konzentrationen haben.

Zellen spüren, wie viele Morphogene um sie herum sind, und nutzen diese Information, um ihren Standort im Klumpen festzustellen. „Das erste was die Morphogene etwa in einer Hand definieren, ist, was ein Finger und was das Gebiet zwischen den Fingern wird, also ein, Nichtfinger‘“, erklärt Professorin Anna Kicheva. Zu diesem Zeitpunkt wird die Anzahl der Finger bestimmt. Die Zellen der „Zwischenfinger“ sterben daraufhin, wodurch die einzelnen Finger voneinander getrennt werden. Es gibt jedoch keine speziellen Morphogene für die verschiedenen Finger, es existiert also kein „Zeigefinger-Morphogen“. Nur der Standort des heranwachsenden Fingers beeinflusst, ob sich die Zellen zu einem Daumen oder einem Ringfinger entwickeln.

Ähnliche Anfänge

Nicht nur, wenn Hände und andere Gliedmaßen gebildet werden, spielen Morphogene eine wichtige Rolle. Im Laufe der Entwicklung geben sie verschiedenen Zellen Anweisungen. Zusammen mit ihrem Team erforscht die Entwicklungsbiologin einen wichtigen Teil des Nervensystems: das Rückenmark.

Mit befruchteten Hühnereiern und Mäusen will sie mehr über die Entwicklung von Wirbeltieren, zu denen auch der Mensch gehört, erfahren. Obwohl ein Menschenbaby einem flauschigen Küken oder einer pelzigen Maus nicht besonders ähnelt – als Embryo ist es schwer sie auseinander zu halten. Schon früh wird bei ihnen allen die Wirbelsäule, in der sich das Rückenmark befindet, gebildet und sichtbar.

Das Rückenmark von Wirbeltieren erfüllt eine wichtige Aufgabe: Es leitet Befehle vom Gehirn zum restlichen Körper und Informationen über unsere Umwelt vom Körper ins Gehirn. Deswegen ist die grundlegende Struktur des Rückenmarks im Laufe der Evolution unverändert geblieben und unterscheidet sich kaum zwischen dem Menschen und unseren flauschigen Freunden. Dadurch kann Kicheva sie nutzten, um ein besseres Verständnis der menschlichen Entwicklung zu bekommen.

Vom Frosch zum Wal

Obwohl der Bauplan des Rückmarkes sich bei verschiedenen Spezies ähnelt, reicht seine Größe von nur ein paar Millimetern, im kleinsten Frosch, bis hin zu mehreren Metern im größten Wal.

„Was den Unterschied zwischen den verschiedenen Spezies ausmacht, ist noch weitgehend unklar“, erklärt die Wissenschafterin, die die Entwicklung des Rückenmarks zunächst am Francis Crick Institut in London erforschte. „Es gibt vermutlich nicht nur eine Antwort, sondern eher mehrere Faktoren, die zu den Unterschieden beitragen.“ Besonders die Geschwindigkeit und die Zeit mit der sich die Zellen teilen, bevor sie sich zu Nervenzellen oder andern Zellen spezialisieren, dürften eine wichtige Rolle spielen. Dieser Vorgang wird von vielen komplexen Mechanismen gesteuert, zu denen auch Morphogene gehören. Darüber hinaus ist auch die Anzahl der Zellen aus denen ein bestimmtes Organ entstehen soll, entscheidend: Stehen anfangs viele Zellen zur Verfügung, ist es auch leichter, ein größeres Organ daraus zu basteln.

Morphogene in Gesundheit und Krankheit

„Historisch gesehen war immer klar, dass Morphogene äußerst wichtig für die Entwicklung sind. Entfernt man sie, wird sich der Embryo nicht richtig entwickeln

“, sagt Kicheva. Nun gehe es darum, genau zu verstehen, wie sie arbeiten. „Es sind viele dynamische Prozesse in einander verwickelt und wir haben heute die Möglichkeit, diese mit quantitativen Methoden zu erforschen. Das macht unsere Arbeit besonders spannend“, schwärmt die bulgarische Wissenschafterin.

„Nachdem das Leben des Rückenmarks begonnen hat, haben Morphogene eine ganz andere Aufgabe“, beschreibt die Entwicklungsbiologin. Wie bei den meisten Organen, besteht auch das Rückenmark aus verschiedensten Typen von Neuronen. In ihrem aktuellen Forschungsprojekt untersucht Anna Kicheva deshalb, wie Morphogene Zellen beauftragen, bestimmte Zelltypen zu werden.

„Morphogene haben wirklich fundamentale Funktionen, sowohl in der Entwicklung als auch im erwachsenen Organismus“, sagt Kicheva. „Oft zeigen sich bei verschiedenen Arten von Krebs und bei Entwicklungsstörungen Defekte bei der Signalübertragung von Morphogenen.“ Die zugrundeliegenden Mechanismen zu verstehen, könnte helfen, den Weg für neue Therapien zu ebnen.

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Tierwohl:

Um grundlegende Prozesse etwa in den Bereichen Neurowissenschaften, Immunologie oder Genetik besser verstehen zu können, ist der Einsatz von Tieren in der Forschung unerlässlich. Keine anderen Methoden, wie zum Beispiel in-silico-Modelle, können als Alternative dienen. Die Tiere werden gemäß der strengen in Österreich geltenden gesetzlichen Richtlinien aufgezogen, gehalten und behandelt. Alle tierexperimentellen Verfahren sind durch das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung genehmigt.

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