10 Jahre Art Brut in Klosterneuburg: "Medikamente sind Privatsache"
Das "museum gugging" feiert sein zehntes Jubiläum mit der Schau eines großen Stars der Art-Brut-Szene: Es zeigt das Lebenswerk von Johann Hauser.
KLOSTERNEUBURG (Printausgabe, 8. Juni 2016). Die Bilder der Gugginger Künstler hingen seit den 1980er Jahren europaweit in Museen, seit den 90er Jahren auch in Japan und Nord-Amerika. Dort, wo die Künstler und ihre Ateliers beheimatet sind, war jedoch lange Zeit kein Platz für die Repräsentation ihres Werkes. Sechs Jahre lang wurde das Kierlinger Haus begleitet von vielen Finanzierungsschwierigkeiten umgebaut. Vor zehn Jahren wurden die Museumsräumlichkeiten schließlich eröffnet. "Das Museum ist den Gugginger Künstlern gewidmet, aber nicht nur", erklärt Johann Feilacher, Künstlerischer Direktor des "museum gugging". Die Bilder würden neben Werken vom Rest der Welt präsentiert. "Damit sich die Besucher selbst ein Bild von der Qualität der Arbeiten der Gugginger Künstler machen können."
Seinen Geburtstag feiert das Museum am kommenden Samstag, standesgemäß mit einer großen Art-Party.
Beitrag zur Emanzipation von Art Brut
Das Museum kann sich an die Fahnen heften, in der Zeit seines Bestehens gezeigt zu haben, dass die Art-Brut-Kunst mit allen anderen großen und anerkannten Kunstrichtungen vergleichbar ist. In den vergangenen Jahren wurden im Klosterneuburger Museum in Maria Gugging alle wesentlichen Art-Brut-KünstlerInnen gezeigt. Den Klassikern wie Adolf Wölfli, August Walla oder Aloïse Corbaz waren große Retrospektiven gewidmet.
Das Haus ist zweigeteilt: Neben aktuellen Ausstellungen gibt es die halbpermanente Ausstellung der Gugginger Klassiker. Diese findet im Jubiläumsjahr allerdings ihren Abschluss: Ab kommendem Jahr gehört der Platz der zweiten Generation der Gugginger Künstler, deren Werke im Rahmen der Schau "gugging contemporary" gezeigt werden.
Retrospektive eines großen "Art Brut"-Stars
Anlässlich des Jubiläums ist die Ausstellung "der künstler bin ich!", eine Retrospektive des Werks von Johann Hauser (1926-1996), zu sehen. Hauser war schon früh zum Star unter den Gugginger Künstlern avanciert. Die emotionale Ausdruckskraft in seinen Zeichnungen wird durch die Einfachheit bei der Darstellung seiner Themen intensiviert.
Kurator der Schau ist Feilacher selbst, der den vor zwanzig Jahren verstorbenen Künstler über einen Zeitraum von 13 Jahren begleitet hat. Der Museumsdirektor erinnert sich: "Schwierig war für Hauser, den ersten Strich zu machen. Das weiße Blatt war immer ein Kampffeld für ihn." Hauser hatte keine Beziehung zur Kunstwelt und interessierte sich auch nicht für andere KünstlerInnen. "Wenn wir ins Museum gingen, blieb er im Kaffeehaus", lacht Feilacher. Nur einmal sei er mit in eine Ausstellung gegangen, in Düsseldorf: "Es wurden Werke von Joseph Beuys gezeigt. Der war der einzige Künstler, den Hauser akzeptierte." Johann Hauser hinterließ etwa 2.500 Zeichnungen und 150 Radierungen. Seine Werke sind weltweit in privaten und öffentlichen Sammlungen vertreten.
"Medikamente sind Privatsache"
Feilacher präsentiert die Werke der Art-Brut-Künstler unabhängig von deren medizinischer Biographie: "Die Medikamente sind die Privatsache dieser Leute und gehen die Öffentlichkeit nichts an." Es sei ein alter Irrglaube einen Zusammenhang zwischen dem Produkt Kunst und einer psychischen Krankheit zu suchen, betont er.
ZUR SACHE
Die Kunst der Gugginger Gruppe wird der Art Brut zugerechnet. Jean Dubuffet, der französische Maler, der den Begriff Art Brut prägte, bezeichnete damit eine „edle, herbe, ursprüngliche Kunst”, die von einer höchst persönlichen und unangepassten Formensprache zeugt. Frei von den Trends der gängigen Kunst entsteht Art Brut ohne akademischen oder kunsttheoretischen Hintergrund. Seit den 70er Jahren gehören die Künstler aus Gugging zu den weltweit wesentlichen Exponenten der Art Brut. (aus: Mission Statement "museum gugging")
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.