Erdbeben in der Türkei
AFDRU-Hilfseinsatz: Soldaten sammeln sich in Korneuburg
Nach dem Erdbeben an der Syrisch-Türkischen Grenze, das sich heute früh gegen 4 Uhr ereignet hatte, sind schon jetzt über 2.500 Tote zu beklagen. Man rechnet mit tauenden mehr. Die Bevölkerung wurde im Schlaf überrascht, viele Gebäude sind innerhalb von Sekunden zusammengebrochen. Jetzt bereiten sich 85 Berufs- und Milizsoldaten in der Korneuburger Dabsch-Kaserne auf den Hilfseinsatz vor.
BEZIRK | STADT KORNEUBURG. Zehn Tage wird er fürs erste dauern, der Hilfseinsatz der Austrian Forces Disaster Relief Unit, kurz AFDRU. Die 85 Berufs- und Milizsoldaten sammeln sich derzeit in der Korneuburger Kaserne, sie kommen aus ganz Österreich. Auch 25 Tonnen an Material gilt es zu verladen, aufzulisten, zu verzollen. Morgen früh, um 5:30 Uhr, startet das erste Flugzeug von Hörsching aus – mit an Bord das Vorkommando, ebenso Material und Kleinfahrzeuge.
Türkei rief um Hilfe
Bereits in den Morgenstunden suchte die Türkei bei den Vereinten Nationen und der EU um Hilfe an. Das Erdbeben mit einer Stärke von 7,8 auf der Richterskala überraschte die Bevölkerung im Schlaf. Stark betroffen – die rund 2 Millionen einwohnerstarke Stadt Gaziantep. Mehr als 100 Nachbeben wurden seither gemessen. Die Suche nach den Verschütteten ist gefährlich.
Erster Einsatz seit 2014
In der Korneuburger Kaserne, das Zuhause des ABC-Abwehrzentrums, laufen die Vorbereitung auf Hochtouren. "Wir werden mit mehreren Teams vor Ort sein", erklärt ABC-Kommandant Oberst Jürgen Schlechter. Dazu zählen etwa ein Führungsteam, das die Koordination mit den lokalen Hilfseinheiten und Behörden übernimmt, ein Team für die Versorgung, zwei Rette- und Bergeteams, die aus jeweils acht Mann bestehen und ein Analyseteam, das sich etwa um das Trinkwasser kümmern wird. "Die AFDRU gibt es seit gut 30 Jahren, wir haben hier viel Erfahrung, waren auch schon 1999 in der Türkei im Einsatz", erklärt Schlechter. Der aktuelle AFRDU-Einsatz ist der erste seit 2014. Damals galt es in Bosnien nach einem verheerenden Hochwasser die Trinkwasserversorgung wieder herzustellen und die Wasserleitungen zu desinfizieren.
Waschmaschine und schwerer Wiener
Neben den 81 Soldaten und vier Soldatinnen sowie sechs Hunden, gilt es auch 25 Tonnen an Material zu verladen und reisefertig zu machen. "Alles muss genauestens aufgelistet und für die Verzollung vorbereitet werden", sagt Schlechter und fügt hinzu: "Wenn nur ein Bleistift nicht aufgelistet ist, könnte das den gesamten Einsatz gefährden."
Eingepackt wird alles, was die Soldaten im Einsatzgebiet rund um Adana und Gaziantep brauchen. "Wir wollen vor Ort ja niemanden zur Last fallen, darum sind wir völlig autark", erklärt Schlechter. Und so kommen nicht nur Feldbetten und Zelte, Nahrung, Kleinfahrzeuge, Verladegerät und Stromgeneratoren mit, auch Waschmaschinen werden eingepackt und der "schwere Wiener" ist auch dabei. Bei letzterem handelt es sich übrigens um einen mobilen Tresor, "schließlich brauchen wir ja auch Bargeld", sagt der Oberst. Nicht fehlen darf natürlich das Spezialgerät für die Menschenrettung, darunter etwa Ultraschallsensoren.
Vom Thermenausflug zum Hilfseinsatz
Je schneller die Hilfe im Erdbebengebiet ankommt, desto besser. Das weiß auch Oberstleutnant Franz Sittner. Der 51-jährige Milizsoldat, im zivilen Leben Berufsschullehrer, wollte sich gerade ein paar erholsame Thermentage gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin machen, als ihn die Nachricht ereilte. "Ich bin ein medienaffiner Mensch, bin schon in der Früh auf die Geschehnisse aufmerksam geworden. Als die Vorinfo kam, begannen wir schon, uns seelisch darauf vorzubereiten, am frühen Nachmittag hatte ich dann Gewissheit", erzählt Sittner, der in der Hinterbrühl zu Hause ist.
Als wir ihn in der Korneuburger Kaserne treffen, ist er mittendrin in administrativen Vorbereitungen und ärztlichen Checks. "Eigentlich bin ich ja Pionier, umgeschult auf ABC, privat auch bei der Feuerwehr aktiv." Es ist sein erster AFDRU-Einsatz, er wird vor Ort als S3 Einsatzführung die Einsätze koordinieren und als Rette- und Bergekommandant fungieren.
Ja, mit dem Tod hat er schon Erfahrung, "leider, als Feuerwehrkommandant bleibt das nicht aus." Wie man damit umgeht, wollen wir wissen. "Während des Einsatzes nimmt man das nicht wahr. Man ist konzentriert. Nachher wird einem das ganze Ausmaß aber schon bewusst."
100 Stunden sind entscheidend
Doch wie viel Zeit bleibt eigentlich den Einsatzkräften? "Es gibt da eine statistische 100-Stunden-Regel. Die besagt, in den ersten 100 Stunden können noch Menschenleben gerettet werden. Dass es derzeit relativ kalt ist, kommt uns da fast zu Gute", erklärt ABC-Kommandant Schlechter.
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