Verordnung ohne Begleitmaßnahmen
Smartphone-Verbot in den Schulen seit 1. Mai!

- hochgeladen von Oliver Plischek
„Revolution“ in der österreichischen Bildungspolitik. Der neue Bildungsminister Christoph Wiederkehr hat per Verordnung mit 1. Mai 2025 ein Handyverbot in den Schulen festgelegt. Endlich kein Facebook, kein Tik Tok, keine YouTube-Clips, keine digitalen Beleidigungen oder keine endlosen Liebes- oder Eifersuchtschats mehr während des Unterrichts, in den Pausen oder bei den Exkursionen. Wer´s glaubt, wird selig, aber es glaubt sowieso keiner.
In Deutschland wurde 2022 untersucht, wie viele Schüler trotz Handyverbots weiterhin das Handy nutzen. Das waren so rund 30 Prozent gegenüber 50 Prozent, die es ohne Handyverbot verwendeten. Na ja, immerhin. Dass es aber nicht mehr ist als PR-taugliche (?) Symbolpolitik, zeigt schon der Umstand, dass ohnehin die meisten Schulen bereits in den Hausordnungen ein Handyverbot verankert haben. Stichwort: Schulautonomie, ansonsten ein heiliges Tuch der Bildungspolitik.
Der neue Bildungsminister hat jetzt allerdings „hart durchgegriffen“ und mit seiner ersten Initiative die erst 2024 beschlossene Schulordnung geändert, und zwar den § 7 („Mitwirkungspflicht der Schüler und Schülerinnen“). Gemäß § 7/6 ist Schülern bis einschließlich der 8. Schulstufe die Nutzung von Mobiltelefonen, Smartwatches und vergleichbaren, der digitalen Kommunikation dienenden Geräten verboten. Dies gilt sowohl in der Schule als auch im dislozierten Unterricht (also außerhalb der Schulen in Schwmmhallen, auf Sportplätzen oder in Museen) und bei Schulveranstaltungen. Verboten ist nur die Nutzung, nicht die Mitnahme an sich. Die Regelung umfasst dem Wortlaut nach NICHT Laptops und Tablets, obwohl man eigentlich mit diesen dieselben unterrichtstörenden Tätigkeiten ausüben kann wie mit Smartphones. Hier bleibt die Entscheidungsmacht weiterhin wie bisher bei den Lehrern.
Das Handyverbot selbst ist nicht unbeschränkt. So können die Schüler-, Lehrer- und Elternvertreter per Hausordnung abweichende Regelungen treffen. Eine Nutzung ist auch dann gestattet, wenn die Lehrperson die Nutzung für mit dem Unterricht verbundene Zwecke gestattet (also beispielsweise beim neuen Pflichtgegenstand digitale Kompetenz in der Sekundarstufe 1, bei Recherchen und Faktenchecks im Internet, Projektarbeiten,…). Dies gilt analog für die individuelle Lernzeit und für den Freizeitteil bei ganztägigen Schulen als auch in den Sommerschulen. Ein weiterer Ausnahmetatbestand betrifft die Nutzung des Smartphones aus medizinischen Gründen (wie bei Blutzuckermessungs-Apps für Diabetiker). Bei mehrtägigen Schulveranstaltungen mit einer Nächtigung außerhalb des Wohnortes (wie bei Sportwochen und Skikursen) ist den Schülern jedenfalls eine altersgerechte Nutzung der Geräte zu ermöglichen.
Existiert in der Hausordnung keine Regelung über die Verwahrung der Geräte, dann haben die Schüler selbst das Gerät in ausgeschaltetem Zustand zu verwahren. Bei Verstößen gegen das Nutzungsverbot ist das Gerät zu übergeben. Die Rückgabe erfolgt nach dem Unterricht bzw. nach der Schulveranstaltung an den Schüler selbst. Ausgenommen „die Erziehungssituation“ erfordert die Übergabe an den Erziehungsberechtigten, beispielsweise bei wiederholten Verstößen oder bei problematischen Inhalten (wie Mobbing, Pornographie, Gewaltdarstellungen oder islamistischem Content).
Die hier genannten Änderungen der Schulordnung gelten nur für Schüler und Schülerinnen bis zur 8. Schulstufe. Ab der 9. Schulstufe dürfen Smartphones oder sonstige Geräte nur dann abgenommen werden, wenn sie den Unterricht stören. Das wirft natürlich eine andere Frage auf. Warum haben unter 14jährige bereits ein Handy (mit offenem Internet-Zugang, denn eigentlich sind nur diese relevant) oder dürfen dieses in die Schule mitnehmen? Tragen da nicht die Eltern die Verantwortung dafür, dass ihre unmündig (!) minderjährigen Kinder mit den sozialen Medien, Hass im Netz und verführenden Algorithmen konfrontiert werden?
Laut einer aktuellen Statistik besitzen bereits 81 Prozent der 9 bis 12jährigen ein eigenes Handy oder Tablet. Und das, obwohl die Experten weltweit davon abraten. Eine im Auftrag des französischen Präsidenten Emmanuel Macron durchgeführte Studie unter der Leitung der Neurologin Servane Mouton und Amine Benyamina, Leiter der Abteilung für Psychiatrie und Suchtkrankheiten am Paul Brousse-Krankenhaus, stellte fest, dass Kinder unter 11 überhaupt kein Handy besitzen sollten und Kinder zwischen 11 und 13 nur ein Handy ohne Internetzugang. „Die negativen Auswirkungen der Bildschirmzeit machen sich bemerkbar in bezug auf kognitive Prozesse, Intelligenz, Konzentration, Stoffwechsel und Sehvermögen“, so das Forschungsteam.
Die Gesundheit der Kinder, die fehlende Medienkompetenz und mangelnde Erziehungsverantwortung der Eltern, die fehlgeleitete Nutzung von so nützlichen technischen Geräten wie Smartphones oder Smartwatches: Anscheinend kein Thema für die österreichische Politik. Die Schule soll Handypolizei spielen. Ein digitales Trauerspiel…
www.oliverplischek.at
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