Dummheit einer Diva, Dramolett im Kassenraum und ein Konzert mit französischen Einschlag
Ich habe mir selbst versprochen, mich ganz aufs Konzert zu konzentrieren. Es geht aber nicht: Auf der Fahrt ins Konzerthaus wird mir übel von dem, was ich im Radio höre: Anna Netrebko posiert mit einem Rebellenführer aus der Ukraine und spendet eine Million Rubel - angeblich für künstlerische Zwecke. Die Freundin des Massenmörders Putin hat nun jede Anwartschaft auf die österreichische Staatsbürgerschaft verloren. Sie ist der deutschen Sprache nicht mächtig, ist kaum in Wien und trifft sich mit Politikern, die von der EU mit Sanktionen belegt sind. Das Außenministerium nennt diesen Auftritt „bedenklich“. Meiner Meinung nach ist diese Frau strohdumm oder berechnend und sollte mit dem Ausschluss von allen Ehrenämtern belegt werden. Trotz der Beteuerungen „das alles nicht so gemeint war“.
Teil zwei als Präludium des Konzerts. Ein Dramolett im Kassenraum. Ein Student nimmt drei Mal Anlauf auf eine Studentenkarte, die ihm die Schalterdame endlich huldvoll überreicht. Währenddessen streitet eine Frau mit einem Kassenmann, warum sie keinen Abrechnungsbeleg erhält, wenn sie von zu Hause mit Kreditkarte zahlt; und das in einer Lautstärke, die man bis auf die Lothringerstraße hört. Die Schlange hinter ihr hört sich geduldig und amüsiert die Auseinandersetzung an. Der Mann hinter der Glasscheibe versucht ruhig zu argumentieren, was die Furie noch weiter anstachelt. „Also, sie wollen mir nicht helfen“, wendet sie sich schließlich ab und verschwindet mit hochrotem Gesicht. Ein Promikünstler - wir nennen ihn M.M - erscheint, um seine Karte abzuholen. Er wird trotz Verschweigens seines Namens sofort erkannt und geht mit der Karte theatralisch ab.
Teil drei: das Konzert. Heute ist mein Begleiter selbst Musiker, Wegbereiter und Dirigent eines Jugendorchesters. Ich folge seiner Expertise. Die Wiener Symphoniker spielen erstmals unter dem Dirigat von François-Xavier Roth. Im Programm wird er als charismatischer Kapellmeister angepriesen. Das ist er auf keinen Fall. Er ist ein guter Handwerker, dem an diesem Abend einiges gelingt. Etwa das Orgelkonzert von Camille Saint-Saëns. Die Königin der Instrumente wird so selten gespielt (Daniel Roth), dass sich der Konzertbesuch schon deshalb lohnt. Der Franzose am Pult setzt seinem Landsmann ein Denkmal. Im Gegensatz zum Standard-Kritiker, der von „hohlem Bombast“ spricht, finde ich die Aufführung wohltuend, mit viel Elan und gefühlvoll vorgetragener Musik. Sehr oft deckt ein Orchester die Solis, Klavier und Orgel zu. Nicht so bei François-Xavier Roth. Die ausgewogene Ausdrucksskala bringt Farbe in dieses Werk. Die Aufführung schlecht zu reden wäre purer Defätismus.
Bei Richard Strauss lasse ich den Mann neben mir sprechen, da ich zu diesem Komponisten wenig Zugang habe. Er findet die „Vier letzten Lieder“ als zu undifferenziert gespielt. „Frühling“, „September“, „Beim Schlafengehen“ (von Hermann Hesse getextet) und „Im Abendrot“ (Joseph von Eichendorff) sind zu gleichmacherisch interpretiert. Es brauche eine lange Probenzeit, um das Erhabene zur Geltung zu bringen, meint er. Und ist auch vom scharfen Sopran Anja Harteros‘ nicht begeistert. Das sehen nicht alle so. Ihr Vortrag wird stark akklamiert.
Shakespeares dramatische Kunst ist die Grundlage zur Berlioz‘ Ouvertüre „Le Roi Lear“. Der Streit über die Aufteilung des Landes unter den Töchtern, seine Einsamkeit danach und die Erblindung kann nicht annähernd in einem Prolog erzählt werden. Es ist ein Andeuten, die Reflexion über das Kommende. Die Wiener Symphoniker sind das geeignete Sprachrohr, um das Werk würdig zu präsentieren.
Zuletzt richtet der Dirigent ein paar berührende Worte ans Publikum. Er preist das Orchester für seine Affinität zur französischen Musik und herzt den unvorbereiteten Konzertmeister Florian Zwiauer. Der schließt den Debütanten am Pult in die Arme. Es scheint, dass hier eine Freundschaft begonnen hat. Das animierte Publikum bekräftigt dies mit Applaus.
Demnächst:
Disney Fantasia Live in concert
Walt Disney schuf 1940 mit dem Musikfilm „Fantasia“ ein unvergleichliches Meisterwerk, in das Musik von Beethoven, Strawinsky, Tschaikowsky und Debussy eingespielt wurde. Während auf einer Großbildleinwand Disneys Zeichentrickfilm zu sehen ist, spielt das ORF Radio-Symphonieorchester Wien unter dem amerikanischen Dirigenten Scott Dunn live auf der Bühne.
14.12. | 14:00 und 18:00 Uhr
Christmas in Vienna 2014
Das traditionelle Adventkonzert „Christmas in Vienna“ gehört zu den begehrtesten Klassik-Events der Weihnachtszeit. Das RSO Wien unter der Leitung von Sascha Goetzel mit Vesselina Kasarova, Natalia Ushakova, Ramon Vargas und Artur Rucinski, der Wiener Singakademie und den Wiener Sängerknaben lädt auch heuer wieder zum Festkonzert.
19./20.12. | 19:30 Uhr. Und wer keine Zeit hat ins Konzerthaus zu kommen, kann den Advent-Event in ORF 2 am 23.12. um 22.35 Uhr erleben.
Infos und Tickets: www.konzerthaus.at
Reinhard Hübl
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