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Vom Schrebergarten ins Gefängnis

Schlussszene von Fidelio in der Volksoper | Foto: Barbara Pálffy/
  • Schlussszene von Fidelio in der Volksoper
  • Foto: Barbara Pálffy/
  • hochgeladen von Reinhard Huebl

Gerade in Wien werden derzeit viele Ge- und Bedenkveranstaltungen inszeniert. Man denke an das „Fest der Freude“ oder „Europa singt“. Zwei Weltkriege sollen nicht vergessen werden. Da passt es, dass die Volksoper Beethovens Befreiungsoper „Fidelio“ ins Programm nimmt. Freiheit, Offenheit, Mitmenschlichkeit, Freude am Leben - all das wird in Wien allerorts vermittelt. Auch wenn rechte Recken und die Biertischbanden das verhindern möchten. Und nicht nur die. Zur Premiere hatte ein Mobilfunker Geschäftsfreunde eingeladen. Näselnd berichtet einer, dass er schon eine Probe gesehen hätte und dass der Sebastian (Holecek, Anm. des Autors) eine große Nummer gibt. Ein iPhone spuckt die ersten Daten zur Europa-Wahl aus. Je nach Politikaffinität werden die Ergebnisse diskutiert, durchaus auch mit Le Pen-Einschlag. Wie sagte einst Konrad Adenauer: „Alle menschlichen Organe werden einmal müde - nur die Zunge nicht“.

Zur Oper: Man kann den kleinen „Schnitzern“ des Orchesters in der Ouvertüre gegenüber tolerant sein, denn sonst bringen die Musiker unter der Dirigentin Julia Jones eine beachtliche Leistung. Die Britin sieht Ihren Job leidenschaftslos. „Ein Dirigent ist nichts ohne Musiker. Er wäre arbeitslos. Er ist bei weitem nicht so wichtig, wie manche meinen“ sagt sie in einem Standard-Interview. Das ist zwar keine tiefgreifende Erkenntnis, doch ein Fingerzeig auf die besonders sensible Qualität von Orchestermusikern.

70 Jahre nach der Erstaufführung wagt Direktor Meyer ein Comeback von Beethovens einziger Oper, von der die Dirigentin Jones sagt: „Danach ist man fix und fertig. Erschöpft von der ganzen Emotion“. Allerdings: Anfangs sieht es nicht so aus. Regisseur Markus Bothe lässt im ersten Akt die Handlung in einem Schrebergarten spielen. Verschmähte Liebelei zwischen Jaquino (Thomas Paul), einem Möchtegern- Politiker der Marzelline (Rebecca Nelsen) vernaschen will. Keine großen Darsteller, sie mit einer dünnen Stimme (in den „Seitenblicken“ meinte sie, sie habe als Zwerg von rechts begonnen und ehrlich gesagt, sie hätte dort bleiben sollen) – und er läuft unmotiviert von links nach rechts über die Bühne, die Regie hatte wohl keine rechte Verwendung für ihn.

Doch dann, endlich große Oper: Sebastian Holecek ist ein mordlüsterner Gouverneur mit gewaltigem Stimmvolum, der Menschen willkürlich ins Gefängnis steckt, hungern und bar jeder Menschenwürde dursten lässt. Aufhorchen lässt die junge amerikanische Sopranistin Marcy Stonikas als Fidelio, die sowohl stimmlich als auch darstellerisch auf dem richtigen Weg ist. Die Verwandlung zu Leonore, der Befreierin der Gefangenen, insbesondere des vom Tode bedrohten Ehemann Florestan, ist aufgrund ihrer stattlichen Erscheinung glaubwürdig. Ein wunderbares Debüt an der Volksoper und in der Rolle. Stefan Cerny als Gefängniswärter wankt zwischen Loyalität zu seinem Vorgesetzen und Menschlichkeit. Sein ausdruckfähiger Bass erfüllt den Theaterraum mit sinnlicher Intensität. Roy Cornelius Smith als moribunder Florestan vermag die Leiden der Eingekerkerten glaubwürdig dazustellen. Seine feine Tenorstimme setzt er gefühlvoll ein, um dann seine Befreiung aus den Fängen der Tyrannei mit sparsamen Gesten zu symbolisieren. Dass die Regie den Gouverneur am Schafott sterben lässt, ist auch nicht besser als die Inszenierung 2008 an einem deutschen Theater, wo im Finale alle erschlossen werden.

Die musikalisch anspruchsvolle Oper hätte mehr Freiheit und weniger Eigeninteresse des Leading-Teams verdient. So dankt das Publikum den Sängern auf der Bühne und den Musikern im Orchestergraben und ist nicht begeistert von der Umsetzung.

Next: 1.7., 19,30

Reinhard Hübl

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