Anton Pelinka beim Internationalen Holocaust-Gedenktag

Bürgermeister Klaus Luger (2. v. r.) war Gastgeber des Abends, Politikwissenschafter Anton Pelinka (3. v. l.) hielt eine bewegende Rede. | Foto: Österreichische Freunde von Yad Vashem
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  • Bürgermeister Klaus Luger (2. v. r.) war Gastgeber des Abends, Politikwissenschafter Anton Pelinka (3. v. l.) hielt eine bewegende Rede.
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Der Vorsitzende des Freundeskreises, Günther Schuster, wies darauf hin, dass sieben Jahrzehnte nach der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau in Europa wieder Antisemitismus grassiere. Tausende französische Juden seien in den letzten Monaten nach Israel ausgewandert. Das sei ein Alarmzeichen dafür, dass Juden in Europa erneut um ihr Leben fürchten müssen und die Wiederkehr des Undenkbaren jederzeit möglich sei.

Bei ihrem Weg an die Macht, so die Linzer Gemeinderätin Waltraud Kaltenhuber, hatten die Nationalsozialisten Verbündete: Weltanschauliche Intoleranz, Arbeitslosigkeit sowie das Unvermögen der Parteienlandschaft zur demokratischen Zusammenarbeit. Das war der Nährboden für den Aufstieg dieser Machtstruktur. Man müsse klar machen, dass Freiheit und Demokratie verletzliche Werte seien.

Der Gastgeber des Abends, der Linzer Bürgermeister Klaus Luger, stellte mit Freude fest, dass der Saal für die jährliche Gedenkstunde inzwischen zu klein werde. 70 Jahre nach der Befreiung der Überlebenden sei es immer noch beklemmend zu erfahren, mit welchen Facetten der Brutalität menschliches Leben industriell ausgerottet worden ist. Luger mahnte zur Wachsamkeit, da es immer noch Antisemitismus gebe.

Der Holocaust als einmaliges Verbrechen

Anton Pelinka begann seine Ausführungen mit einem Zitat Jehuda Bauers: der Holocaust sei ein erstmaliges Verbrechen. Damit übermittle er die bedrohliche Botschaft, dass der Holocaust wiederholbar sei. Mit dem Begriff verbinde man den Versuch des deutschen, nationalsozialistischen Systems, das Judentum physisch zu vernichten – systematisch und mit dem Einsatz aller Mittel. Der Holocaust sei kein Völkermord, wie etwa der Genozid an amerikanischen oder australischen Ureinwohnern, so Pelinka. Jener Genozid folgte einem verbrecherischen Eroberungs- und Vertreibungsmotiv mit ökonomischen Interessen. Auch mit dem Genozid am armenischen Volk, dem Klassenmord an den Kulaken oder der roten Khmer in Kambodscha sei der Holocaust nicht zu vergleichen. Diese Genozide folgten einer verbrecherischen Utopie. Relativ nahe komme der erstmaligen „Qualität“ des Holocaust am jüdischen Volk der gleichzeitig ablaufende Massenmord an den Roma und Sinti.

Der Holocaust sei auch kein Kriegsverbrechen gewesen. Die nationalsozialistische Führung habe die Ermordung der Juden im Zweifel über militärische Notwendigkeiten gestellt. Treblinka, Chelmno und Auschwitz-Birkenau standen in keinem Zusammenhang mit irgendeinem Kriegsziel. Das eigentliche Ziel war die Vernichtung des Judentums. Mit der Befreiung von Auschwitz sei der Antisemitismus nicht zu Ende gewesen – heute habe er eine globale Dimension. Der Antisemitismus sei auch nicht die Folge jüdischer Existenz, sondern die Folge eines Bedürfnisses von Antisemiten. Und diese bräuchten weiterhin Juden – nötigenfalls erfänden sie welche. Sie projizieren auch heute alle antijüdischen Klischees auf lebende oder auch auf erfundene Jüdinnen und Juden. Als Beispiel nannte Pelinka die Kritik am Staat Israel, wenn sie sich auf Israel insgesamt bezieht oder Israel mit anderen Maßstäben misst als seine Nachbarn. Diese Kritik werde rasch zur Pseudorechtfertigung des Antisemitismus.

Pelinka nahm in seinem Vortrag auch Bezug auf die Attentate von Paris, wenige Wochen zuvor. Dort wurden Journalisten ermordet, weil sie etwas taten. Jüdinnen und Juden wurden ermordet, weil sie etwas waren. Ersteres war ein Mord, dessen Ziel die Meinungsfreiheit war. Zweiteres sei eine punktuelle Neuauflage des Holocaust: Morde, deren Ziel die Auslöschung jüdischen Lebens und jüdischer Existenz war.

Die Überlebenden von Auschwitz wurden nicht von einem wohlmeinenden Pazifismus befreit, sondern von den Soldaten der Roten Armee. Die Auseinandersetzung mit dem Holocaust, diesem Verbrechen mit einer erstmaligen Qualität, verlange mehr als nur Diskurs und Verständnis, so Pelinka. Diese Auseinandersetzung verlange auch nötigenfalls, ein solches Verbrechen mit Gewalt zu beenden.

Bürgermeister Klaus Luger (2. v. r.) war Gastgeber des Abends, Politikwissenschafter Anton Pelinka (3. v. l.) hielt eine bewegende Rede. | Foto: Österreichische Freunde von Yad Vashem
Der Pressesaal im Alten Rathaus war bis auf den letzten Platz besetzt. | Foto: Österreichische Freunde von Yad Vashem
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