„Durchschnittsfalle“ trifft „Narzissmusfalle“

Markus Limberger, Markus Hengstschläger, Reinhard Haller und Michael Strugl (v. l.). | Foto: ACADEMIA SUPERIOR
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Mit dem anerkannten Gerichtspsychiater und erfolgreichen Buchautor Reinhard Haller konnte Academia Superior – Gesellschaft für Zukunftsforschung für die erste Dialogveranstaltung des heurigen Jahres einmal mehr einen interessanten Diskussionspartner gewinnen, der kürzlich im Linzer Südflügel im Gespräch mit Markus Hengstschläger mit seinen Erkenntnissen und Einsichten mehr als 420 Besucher in den Bann zog.

Reinhard Haller bezeichnete sich selbst als „Geschichtenerzähler“, von Geschichten nämlich, die das Problem, aber auch die Lösung beinhalten. Was ist „das Böse“? Obwohl jede und jeder ein Verständnis davon habe, was mit dem „Bösen“ gemeint sei, sei eine Definition fast unmöglich. Das wiederum mache auch die Faszination des Bösen aus: die Vermutung, dass es Teil von uns allen und dennoch schwer fassbar sei: „Wir wissen alle, dass in uns nicht nur Gutes, sondern auch etwas Böses ist, deshalb ist es so faszinierend“. Nachsatz Hallers: „Ich glaube immer noch an das Gute im Menschen, aber ich rechne mit dem Bösen“.

„Was kränkt macht krank - und kriminell“

An die 400 Mörder und Serienkiller hat der Vorarlberger Psychiater bisher getroffen, analysiert und begutachtet. Ob sie ein gemeinsames Merkmal, ein Indiz gebe, will Markus Hengstschläger wissen: „Serienkiller sind meist hochintelligent, haben Charme und sind damit im höchsten Maße manipulativ“, weiß Haller, doch ihnen allen sei gemeinsam, dass sie sich gottgleich als Herr über Leben und Tod stellen. Empathie und Sympathie seien aber der beste Schutzfaktor gegen das Böse, denn: „Wenn wir uns nicht in den anderen einfühlen können, wird es gefährlich“. Was sich in vielen Fällen auch durchziehe, sei eine tiefe Gekränktheit der Täter. So erweiterte Haller den bekannten Spruch, „Was kränkt, macht krank“ um den Zusatz: „… und kriminell“.

Was den Psychiater besonders bedenklich stimmt, sind zwei häufig gewordene Gewaltphänomene der jüngeren Zeit: School-shootings und Familientragödien. Bei den Tätern der weltweit bisher insgesamt 103 Fälle von School-shootings handle es sich durchwegs um junge Männer aus gutem Haus, intelligent und aufgeschlossen. Ein gemeinsames Merkmal sei wiederum eine tiefe Kränkung. So ortete der Psychiater in den Taten das Motiv, „einmal wichtig sein zu wollen, ernst genommen zu werden, Triumph durch Stärke zu beweisen“. Tiefe Kränkung sieht Haller auch als Grund bei den meisten Familientragödien, in denen der Täter ein letztes Mal Stärke beweisen wolle. In Österreich gebe es jährlich 100 bis 150 Tötungsdelikte, zwei Drittel davon seien Beziehungsdelikte. „Wir lesen ‚Familientragöde’ und sind beruhigt. Tatsächlich müssen wir beunruhigt sein. Denn: keiner weiß, wie wir dem vorbeugen können“. In Anlehnung an die verpflichteten Hochzeitsvorbereitungskurse schlägt Haller etwa Scheidungsvorbereitungskurse vor, in denen gelehrt werde, mit Kränkungen umzugehen.

Der Umgang mit der psychischen Lebensurkraft Aggressivität
Notwendig ist für Haller auch die positive Umwandlung von Aggression als Lebensurkraft von der kriegerischen Tätigkeit etwa hin zum Sport. Denn der beste Umgang mit Aggression sei eine Umwandlung in Kreativität, Leistung, Sport, Kultur. Zugleich warnte er: „Wir haben weniger Ventile, um Aggression heraus zu lassen, in unserer reglementierten Welt“.

Was tun gegen das Böse?

Wissenschaftlich gesehen gibt es laut Haller drei einfache Verhaltensweisen, die bereits bei Kindern als Indikatoren für spätere Delikte gelten würden: Schulschwänzen, Tierquälen und Feuer legen. Als entscheidende Faktoren, um bösem Verhalten entgegenzuwirken, nennt Haller in der Erziehung den richtigen Umgang mit den drei „Z“: Zuwendung, Zärtlichkeit, Zeit. „Es sind ganz einfache Dinge, die meines Erachtens das Böse hintanhalten können. Neben dem ‚Achtsam sein’ ist eines der wichtigsten Dinge der Umgang mit Lob“, plädiert Haller, denn: „Das echte Lob ist extrem selten“. Der Mensch brauche aber das Lob in einem hohen Maße und das sei auch ein Schutz gegen Böses, Sucht und vor übersteigertem Narzissmus.

Die Narzissmusfalle

Hallers neuestes Buch beschäftigt sich mit einem Phänomen unserer Zeit, dem wachsenden Narzissmus. Für ein gesundes Ich-Bewusstsein, Selbstvertrauen und Durchsetzungsvermögen brauche der Mensch ein gewisses Maß an Narzissmus. Aber „Narzissmus ist ein Prinzip geworden, ein Ideal“, warnte Haller. Sich selbst darzustellen wird gesellschaftlich gefördert, gefordert und unterstützt durch die Medien. Narzissten seien selbst-verliebt und dünnhäutig – „Meister im Austeilen, aber Mimose im Einstecken“. Sie könnten sich nicht in andere hineinfühlen und würden sich auf Kosten anderer profilieren. So lautete der abschließende Appell des Psychiaters: „Es ist Zeit, Stopp zu sagen, um wieder etwas Bescheidenheit, soziale Wärme und Solidarität einkehren zu lassen.“

Unterstützt wurde die Veranstaltung von der Sparkasse Oberösterreich, vertreten durch Generaldirektor Markus Limberger. Obmann Michael Strugl konnte neben den prominenten Diskussionspartnern auch eine Reihe weiterer Persönlichkeiten begrüßen, unter anderem: Dekan Erich Peter Klement (Johannes Kepler Universität), Universitätsdirektorin Brigitte Mössenböck (Anton Bruckner Privatuniversität), Landespolizeidirektor-Stellvertreter Erwin Fuchs und Claudia Schwarz (Geschäftsführerin Academia Superior).

Markus Limberger, Markus Hengstschläger, Reinhard Haller und Michael Strugl (v. l.). | Foto: ACADEMIA SUPERIOR
Markus Hengstschläger im Dialog mit Reinhard Haller. | Foto: ACADEMIA SUPERIOR
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