"Wir haben einen Wachstum-Fetisch"

Foto: Foto: Tomas Sedlacek Privatarchiv
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Schon mit 24 hatte Tomáš Sedlácek promoviert und wurde Berater des tschechischen Präsidenten. 2006 erhielt der Ökonom ein Stipendium an der Yale University. Seit seiner Rückkehr ist er Chefökonom der tschechoslowakischen Handelsbank AG, der größten tschechischen Bank. Bekannt ist er auch durch seinen Bestseller, die "Ökonomie von Gut und Böse". Nun kam er auf Einladung der Linzer Agentur "Die Fabrikanten" in den Presseclub, um vor ausverkauftem Haus über seine Sicht von Wachstum und Kapitalismus zu sprechen. Anschließend traf ihn die StadtRundschau zum Interview.
StadtRundschau: Kann Kapitalismus ohne Wachstum funktionieren?
Tomáš Sedlácek: Wir verstehen Wachstum oft als gottgegebenes Recht. Aber wir überleben auch jetzt, ohne in den letzten Jahren groß gewachsen zu sein. Ein brutales Beispiel aus Herr der Ringe: Das BIP in Mordor ist vermutlich um ein Vielfaches gewachsen, hier wurden Armeen aufgebaut, Bäume gefällt etc. Bei den Elben wurde viel weniger produziert und Wachstum spielte keine Rolle. Die Elben haben trotzdem gut gelebt, in Mordor sah das vermutlich anders aus.

Ist Wachstum nicht nötig, um Schulden zurückzuzahlen?

Oft kommt das Argument: "Wir müssen Schulden machen, um die Wirtschaft anzukurbeln und damit können wir unsere Schulden besser zurückzahlen." Wenn man die Mitte weglässt, heißt das: Wir müssen mehr Schulden machen, um unsere Schulden besser zurückzahlen zu können. Man muss kein Ökonom sein, um zu sehen, dass da was nicht stimmt. Natürlich sind Schulden mit Wachstum einfacher zurückzuzahlen, aber es ist keine Grundvoraussetzung für das Funktionieren des Systems.

Ist Kapitalismus das richtige System für unsere Zeit?
Ja, ich glaube an Kapitalismus mit einem menschlichen Gesicht. Ich bin ein Kapitalismus-Reformer. In meinem Leben hatte ich viele Debatten mit Revolutionären. Oder mit Menschen, die das System ändern wollen, ohne wirklich eine funktionierende Alternative anzubieten. Ich habe noch nie von einem System gehört, das funktioniert. Und solange wir es nicht haben, ist es sehr riskant, unsere Strukturen zu ändern. Denn wenn es nicht funktioniert, werden die Reichen noch reicher sein, aber vor allem die finanziell Schwachen noch weniger haben. Es gibt viele, die haben einzelne Ideen, aber nicht ein ganzes System. Kapitalismus ist überhaupt kein perfektes System. Bei weitem nicht! Aber kein System ist perfekt, nicht einmal ein Computersystem, auch das hat immer wieder Fehler. Das heißt: Selbst wenn wir ein perfektes Hippie-System oder was auch immer entwerfen, wird es zu Krisen kommen, das ist einfach unvermeidbar. Daran können wir nichts ändern, das ist eine Eigenschaft eines Systems.

Also haben wir auch das richtige System für die Zukunft?

Wir sollten alles versuchen was wir können, um unsere Systeme besser und besser zu machen, aber sie werden niemals perfekt sein. Es ist besser, darauf vorbereitet zu sein, dass es zu Krisen und Problemen kommt, als plötzlich überrascht zu werden. Denn das ist genau das, was 2008 passiert ist.

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