ME/CFS
Kunstkollektiv Black Ferk gibt chronischer Erkrankung eine Bühne

- Mit Kunstwerken macht das Kollektiv "Black Ferk" auf chronische Krankheiten aufmerksam und kritisiert den gesellschaftlichen Umgang mit Betroffenen. Dieses Werk ist von Judith Schoßböck und trägt den Titel "Gloworganic".
- Foto: Matthias Mollner
- hochgeladen von Patricia Kornfeld
Mit Kunstwerken möchte das Kollektiv "Black Ferk" der Krankheit ME/CFS ein realistisches Gesicht verleihen. Kritisiert wird damit auch der gesellschaftliche Umgang mit Betroffenen.
WIEN/MARGARETEN. Was hat ein Schwein mit chronischer Erkrankung zu tun? Eigentlich nichts. Und doch wurde es das Logo des Kunstkollektivs "Black Ferk". Um genau zu sein, handelt es sich um ein schwarzes Ferkel: "Das Schwein ist ein sehr intelligentes und kluges Tier, das aber leider nicht wahrgenommen wird. Es dient dem Menschen nur als Nahrungsmittel, verschwindet aber komplett aus dem Blickfeld, genau wie ME/CFS-Betroffene", erklärt Matthias Mollner.
Zusammen mit seiner Partnerin Judith Schoßböck, die seit 2020 von dieser Krankheit betroffen ist, gründete der Margaretner Künstler das Kollektiv im Jahr 2021. Mit Kunstwerken möchten die beiden chronische Krankheiten wie ME/CFS in den Fokus rücken.
Erholung verspricht keine Besserung
Die sogenannte Myalgische Enzephalomyelitis/das Chronische Fatigue-Syndrom ist eine schwere Erkrankung, die oft zu einem hohen Grad körperlicher Behinderung sowie kognitiver Beeinträchtigung führt. Die Symptome sind vielfältig und vom jeweiligen Schweregrad abhängig.

- Judith Schoßböck ist seit 2020 von ME/CFS betroffen. Mit ihrem Partner Matthias Mollner gründete sie das Kollektiv "Black Ferk".
- Foto: Judith Schoßböck
- hochgeladen von Patricia Kornfeld
Typisch sind eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit und eine schwere Fatigue (Erschöpfung), die sich durch Erholung nicht verbessern. Körperliche oder mentale Anstrengung kann den Zustand noch verschlechtern. Auch die Ursachen sind nicht ausreichend geklärt, mögliche Trigger können virale oder bakterielle Infektionen sein, zum Beispiel Covid-19. Eine Therapie gibt es bislang nicht.
Früher war Schoßböck als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig, durch die Erkrankung wandelte sich ihr Alltag komplett. "Ich lebe zu 100 Prozent im Bett in einem abgedunkelten Zimmer und habe kurzen Kontakt zu meinen Eltern, die mich pflegen. Größtes Problem bei mir ist, neben der Erschöpfung, die extreme Hypersensitivität: jedes Geräusch, jedes Gespräch, jeder Geruch kann zu viel werden", erklärt sie. Ihre Situation wird noch durch weitere Erkrankungen erschwert, zum Beispiel durch ein Liquorverlust-Syndrom. Hierbei geht Hirnwasser über ein Leck verloren.
Therapie und Kompetenz-Zentrum gefordert
„Dadurch gleicht mein Alltag einer Mischung aus Folterkammer im Bett und besseren Tagen, an denen ich die Welt einfacher wahrnehmen und online mehr interagieren kann“, beschreibt Schoßböck. Ihre Symptome werden auf der Website des Kollektivs aufgelistet. „Damit möchten wir nicht an einer Art ‚Disability Olympics‘ teilnehmen, die betonen möchte, wer denn jetzt am meisten leidet, sondern einfach darauf aufmerksam machen, dass diese Krankheit extrem komplex ist und solch eine Vielfalt an Problemen nicht unüblich ist.“

- Laut Mollner werde die Krankheit sehr oft psychologisiert: „Das ist völlig daneben. ME/CFS ist eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, die körperliche Ursachen hat. Psychische Erkrankungen können sekundär dazukommen.“
- Foto: Patricia Kornfeld
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Zudem werde die Krankheit sehr oft psychologisiert, meint Mollner: „Das ist völlig daneben. ME/CFS ist eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, die körperliche Ursachen hat. Psychische Erkrankungen können sekundär dazukommen.“ Auch werde ME/CFS von Behörden nicht immer anerkannt, sondern geleugnet oder trivialisiert, so Schoßböck: „Ein Problem für uns schwer Betroffene ist, dass wir keine Ambulanz haben, die auf die speziellen Bedürfnisse von ME/CFS-Erkrankten vorbereitet ist. Wir brauchen wirklich dringend ein Kompetenz-Zentrum und mobile Betreuung.“
Kommunikation über Kunst
Die Kunst wurde indes zu ihrem Sprachrohr: "Zeichnen ist für mich eine so gute Möglichkeit, mich auszudrücken, weil es weniger Energie von mir erfordert als sprechen." Die Idee, ein Kunstkollektiv zu gründen und eine Ausstellung zu organisieren, entstand. Mit Kunstwerken geben sie chronischen Krankheiten eine Bühne und kritisieren den gesellschaftlichen Umgang mit Betroffenen, die dem Tempo unserer schnelllebigen Welt und dem geforderten Maß an Produktivität nicht immer standhalten können.
Ursprünglich sollte vor allem das eigene Drama künstlerisch aufgearbeitet werden, doch die Belange der ME/CFS-Community rückten immer stärker in den Vordergrund. Bei der Ausstellung „Crash“, die im August im Künstlerhaus zu sehen war, gab es daher neben eigenen Werken auch Arbeiten von 22 anderen Künstlern zu sehen. Im Rahmen dessen wurde auch ein Symposium veranstaltet. Das Programm bestand aus Fachvorträgen, einer Lesung sowie einer künstlerischen Performance.
Das vorherrschende Bild von ME/CFS korrigieren
"Das Black Ferk Studio widmet sich vor allem Themen, die sonst im Verborgenen liegen oder Gruppen, die von der Gesellschaft zu wenig beachtet werden. Es ist uns auch wichtig, einen Gegenpol zu dieser vorherrschenden Idee zu schaffen, dass man alles schaffen kann, wenn man nur will und positiv denkt", so Schoßböck.

- Judith Schoßböck und Matthias Mollner möchten die Erkrankung ME/CFS wahrheitsgetreu darstellen. Mollners Skulptur, die im Rahmen der Ausstellung „Crash“ ausgestellt wurde, zeigt eine im Bett liegende Frau, die einer Folter ausgesetzt wird.
- Foto: Matthias Mollner
- hochgeladen von Patricia Kornfeld
Ihre Werke sollen außerdem die Realität abbilden und ME/CFS wahrheitsgetreu abbilden. "Wie ME/CFS in den Medien dargestellt wird, zeigt nur die halbe Wahrheit. Das klassische Narrativ ist ja, dass Betroffene im Bett liegen und müde aussehen. Als Künstler müssen wir versuchen, neue Bilder zu schaffen und das vorherrschende Bild von ME/CFS zu korrigieren", erläutert Mollner. Dies könnte beispielsweise mit seiner Skulptur gelingen, die im Rahmen von „Crash“ ausgestellt wurde und eine Frau zeigt, die im Bett liegend gefoltert wird.
Humor als Bewältigungsstrategie
Die Erkrankung kann jeden treffen, auch dafür möchte Black Ferk sensibilisieren. Dabei darf aber auch eine gehörige Prise schwarzer Humor nicht fehlen. "Ich denke, Humor kann eine von vielen Strategien im Umgang mit schwierigen Situationen sein. Als Wien-Liebhaberin hat der Galgenhumor für mich natürlich auch seinen Charme", betont Schoßböck.
Das Ferkel-Logo mit einem aufgestellten und einem Klappohr weist zudem auf die positiven Seiten neben der Erkrankung hin. "Ich fühle mittlerweile tatsächlich einen Stolz, dieser Gemeinschaft der Menschen mit Behinderung anzugehören. Das ist vielleicht der einzige 100 Prozent positive Aspekt an dem Ganzen: die besonderen Menschen, die man dadurch kennenlernt“, so Schoßböck.
Über ME/CFS
In Österreich sind zwischen 25.000 und 80.000 Menschen von ME/CFS betroffen. Von der WHO wurde dieses Krankheitsbild bereits 1969 klassifiziert, ausreichend erforscht ist die Erkrankung aber immer noch nicht. So sind ihre Ursachen bislang nicht ausreichend geklärt, man geht aber von einer Kombination aus genetischen und Umweltfaktoren aus.
Mögliche Trigger können virale oder bakterielle Infektionen sein, im Verdacht stehen etwa das Epstein-Barr-Virus, welches das Pfeiffersche Drüsenfieber auslösen kann, oder Covid. Daher gewann die Krankheit im Zuge der Corona-Pandemie an Aufmerksamkeit. Die Symptome von Long Covid überlappen sich zum großen Teil mit jenen von ME/CFS.
Zur Sache
- Mehr Infos zum Kollektiv Black Ferk gibt's auf der Website sowie YouTube
- Über Matthias Mollner kannst du dich hier informieren
- In diesem Artikel berichtet Judith Schoßböck selbst über ihre Erkrankung
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