U-Bahn-Baustelle als Herausforderung
In der Kirchengasse brennt der Unternehmer-Hut
Bereits nach zwei Wochen U-Bahn-Baustelle in der Kirchengasse sind die Nerven der Geschäftsleute mehr als strapaziert. Das Problem: Das Grätzel "verschwindet" gleichsam hinter massiven Bauzäunen, Maschinen und Containern.
WIEN/NEUBAU. Laut wird's in der Kirchengasse: Aber nicht nur aufgrund der Bohrpfähle, die im Grätzel für die neue U2 in den Boden getrieben werden. Auch unter den Unternehmerinnen und Unternehmer rumort es: Wie die Zeit der Mega-Baustelle am besten überstehen?
Meinungen dazu gibt es viele, Ideen ebenso. David Figar, Chef des gleichnamigen Cafés, kämpft bereits nach zwei Wochen Baustelle: "Ich habe wirklich Angst. Lieferservice und Take-Away haben uns durch Corona gebracht, aber jetzt sind die Umsatzeinbußen extrem. Die Kirchengasse ist quasi tot. Niemand kommt vorbei, wir haben um 80 Prozent weniger Frequenz." Das Hauptproblem laut Figar: fehlende Sichtbarkeit. "Die Bauzäune sind so massiv, dass niemand checkt, dass es uns dahinter noch gibt. Wir brauchen Schilder, Wegweiser und zusätzlich noch PR-Maßnahmen, etwa auf Instagram oder Editorials in Zeitungen, um auf uns aufmerksam zu machen." Auch bei den Mieten soll angepackt werden: "Da braucht es definitiv mehr Förderungen!", so Figar.
Weiterer harter Schlag für ihn und seine elf Angestellten: Wegen der Baustelle fällt das Schanigarten-Geschäft im Sommer weg. Ersatzflächen – etwa auf der Mariahilfer Straße mit einem kleinen Container-Dorf, wie Figar es sich wünscht – sind zwar in Diskussion, aber noch nicht fixiert. "Bisher musste ich niemand kündigen, aber die Stimmung im Team ist bereits extrem angespannt. Im schlimmsten Fall muss ich tatsächlich nach fast acht Jahren hier zusperren." Was sich der Unternehmer wünscht? "Dass uns Stadt und Bezirk jetzt nicht im Stich lassen."
Grüne Wiese auf der U-Bahn-Baustelle
"So spannend die Baustelle von außen und als Privatperson ist – als Geschäftsmann ist sie eine Katastrophe", bringt es Stephan Klein vom Kindergeschäft "Herr und Frau Klein" auf den Punkt. Sein Ansatz: die Baustelle mit Aktionen und Events zu vermarkten. Zusammen mit Margit Johannik, die seit 25 Jahren mit dem Telekommunikations-Shop "sontech" in der Kirchengasse 19 vertreten ist, will er die Unternehmerinnen und Unternehmer im Grätzel motivieren, Ideen zu schmieden und umzusetzen. "Wir wurden quasi drei Jahre lang darauf vorbereitet, dass wir durch die Baustelle geschäftsmäßig sterben werden. Jetzt gilt es, diejenigen, die den Mut verloren haben, wieder einzufangen", meint Klein.
Das Duo plädiert wie Figar für mehr Aufmerksamkeit: "Uns wurde versprochen, die Bauzäune gestalten zu dürfen – daraus wurde dann aber in letzter Sekunde doch nichts", so Johannik. Auch für die Tafel, die am Siebensternplatz auf offene Geschäfte in der Kirchengasse hinweisen sollte, heißt es erstmal "Bitte warten". "Die kann man wohl erst in 18 Monaten aufstellen. Wir haben das Gefühl, dass sämtliche Meetings und Besprechungen, die wir bisher hatten, nur eine Beschäftigungstherapie waren." Aufgeben ist allerdings keine Option für die Geschäftsleute: "Wir stellen bepflanzte Bautröge auf und planen Bepflanzungen für die Dächer der Container. Die Neubauerinnen und Neubauer sollen mitmachen und zum Beispiel Vogelhäuschen aufhängen. Gegen die Baustelle per se kann man nichts machen. Wir schlucken die Krot ja eh – wir wollen aber nicht daran ersticken", so Johannik.
"Hinweistafel auf Kirchengasse wenig sinnvoll"
Die Wiener Linien sehen die Kritik gelassen: "Die Baustelle ändert sich aktuell immer wieder, da werden die Zäune recht rasch und laufend umgestellt. Es wäre also wenig sinnvoll, sie jetzt als Werbefläche zu nutzen", heißt es von dort. Die Tafel – samt Wegeleitsystem – am Siebensternplatz mache ebenfalls erst Sinn, wenn sich die Oberfläche nicht mehr ändert und die Baustelle fix eingerichtet ist. "Wir stehen im regelmäßigen Austausch mit den Unternehmern vor Ort. Wenn's zwickt, gibt es die jeweiligen Anlaufstellen wie Ombudsmänner, Grätzelbetreuerinnen und -betreuer."
Einen eigenen U-Bahn-Gipfel will Bezirksvorsteher Markus Reiter (Grüne) Ende April initiieren: "Es brennt ein bisserl der Hut", formuliert Reiter es vorsichtig. "Jetzt wird's notwendig, was zu unternehmen." An einen – wohl corona-bedingt nur sprichwörtlichen – Tisch bringen will der Neubau-Chef Gastronominnen und Gastronomen, Geschäftsleute, Vertreterinnen und Vertreter der Wirtschaftskammer, der Wiener Linien sowie der Wirtschaftsagentur. "Wir brauchen Einigkeit – alle Maßnahmen sind daher derweil noch on hold. Das betrifft etwaige Ersatzflächen für die Unternehmerinnen und Unternehmer genau so wie Hinweisschilder oder ein etwaiges Containerdorf. Aber ich bin guter Dinge, dass wir eine Lösung finden."
Zur Sache: Ideen für die Baustelle gesucht!
Ob Anrainerin, Anrainer, Unternehmerin oder Unternehmer: Wer sich mit einbringen will, kann Vorschläge und Ideen für die Zeit der U-Bahn-Baustelle bei Stephan Klein (Herr und Frau Klein, Kirchengasse 7) oder Margit Johannik (sontech, Kirchengasse 19) in ihren Geschäften deponieren. Schriftlich geht das natürlich auch: Einfach ein Mail mit dem Betreff "U2xU5" an neubau.red@bezirkszeitung.at schicken.
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