Bezirk Oberwart
Nur noch "Schwarz und Grau" statt bunt für Tätowierer
Mit 4. Jänner trat die neue EU-Chemikalienverordnung REACH in Kraft. Damit wurde die Verwendung von Tätowierfarben massiv eingeschränkt. Die RegionalMedien Burgenland hörten sich bei Tattoo-Studios im Bezirk Oberwart um.
BEZIRK OBERWART. Die Änderung der EU-Chemikalienverordnung REACH schränkt die Verwendung von über 4.000 Chemikalien in Tätowierfarben und Permanent Make-up massiv ein. Diese ist seit 4. Jänner 2022 in Kraft. Es wurden Höchstkonzentrationsgrenzwerte für einzelne Stoffe oder Stoffgruppen eingeführt, die in Tätowierfarben oder Permanent Make-up zum Einsatz kommen. Branchenvertreter sehen europäische Tätowierer und Pigmentierer in der Existenz gefährdet.
Die Farbpalette für Tätowierungen und Pigmentierungen wird durch diese Verordnung um zwei Drittel der möglichen Farben reduziert. „Das führt zu einer massiven Verschlechterung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit europäischer Tätowierer und Pigmentierer gegenüber Anbietern außerhalb der EU und gefährdet die Existenz dieser Berufszweige stark“, erklärt Bundesinnungsmeisterin Dagmar Zeibig. Die neuen Vorschriften gelten seit 4. Jänner 2022 in der EU/im EWR. Für die Farben Pigment Blau 15:3 und Pigment Grün 7 gibt es einen 24-monatigen Übergangszeitraum – bis 4. Jänner 2023.
Lieferschwierigkeiten
Die RegionalMedien Burgenland fragten bei regionalen Tätowierern nach, wie sich die neue Verordnung bei ihnen auswirkt.
"Die Bindemittel, mit denen viele bisherigen Farben gemischt wurden, sind nun verboten. Es gibt zwar schon Ersatz, aber die Veränderung ist sehr kurzfristig, weshalb es zu enormen Lieferschwierigkeiten innerhalb der EU kommt. Die Herstellerfirmen können aufgrund des hohen Bedarfs in der kurzen Zeit die Kapazitäten nicht bedienen. Sie hatten gerade 18 Monate an Vorbereitungszeit, das ist viel zu kurz. Trotz einer Petition gab es keinen Aufschub", sagt Joe Szauer vom Joe Tattooz in Pinkafeld.
"Für einige Pigmente wurde zumindest eine Übergangsfrist bis Jänner 2023 gewährt. Wir mussten alle alten Farben, die mit 4. Jänner praktisch illegal wurden, wegschmeißen. Ich habe zwar jetzt bereits erste neue Farben geliefert bekommen, es ist aber noch lange nicht das, was ich brauche", so Szauer.
"Da ich meist ohnehin nur schwarz-weiß tätowiere, hat die neue Verordnung wenig Auswirkungen auf meine Arbeit. Die neuen Farben bekomme ich diese Tage geliefert", berichtet Thomas Heisinger von "Hissi Tattoo" in Oberwart.
Kritik am Vorgehen
Heftige Kritik am Vorgehen übt Robert Bauer vom "Stay Gold Tattoo Studio" in Großpetersdorf: "Es gibt sozusagen keine Farbtattoos mehr, sondern nur noch "Black & Grey". Es wurde ohne wirkliche wissenschaftliche Fakten und Begründungen einfach drüber gefahren - vermutlich weil wir keine Lobby haben. Das ist für mich wieder typisch EU. Es gibt keine fundierten Beweise, dass unsere verwendeten Farben gesundheitliche Schäden verursachen."
So sieht es auch Heisinger: "Es gibt keine echte Studie über gesundheitliche Auswirkungen. Darum ist diese Vorgehensweise schwer nachvollziehbar und hart. Es trifft vor allem jene Kollegen in der Branche, die auf Farbtattoos setzen."
Viel Aufwand
"Das Bittere ist zudem auch, dass viele Firmen spezielle Farben gemischt haben, deren Entwicklung lange brauchte und viel Aufwand bedeutete. Die dürfen nun alle nicht mehr verwendet werden. Jetzt kommt es zu Lieferengpässen und die neuen Farben sind viel teurer - um das zwei bis dreifache", schildert Bauer, der allerdings von den Neuerungen weniger betroffen ist: "Ich mache eigentlich 99 Prozent "Black & Grey"-Tattoos. Deshalb ist es für mich weniger tragisch als für viele Kollegen, die hauptsächlich Farbtätowierer sind. Die müssen nun ordentlich umstellen."
Lockdown großes Problem
Für Szauer und seine Branchenkollegen ist es der nächste Schlag. "Die Lockdowns waren schon ein Hammer, nun kam der nächste. Es kommen die Leute wieder, aber weniger. Die 2G-Regel ist schon bei vielen ein Thema. Nichtgeimpfte bleiben aus, dafür kommen Geimpfte oder Genesene. Termine werden fast nur noch telefonisch vereinbart. Es ist immens schwierig, dennoch haben wir einen Vorteil als Dienstleister und Handwerker. Unser Angebot kann man sich nicht im Internet kaufen, da muss der Kunde zu uns kommen. Viele junge Leute wollen darauf auch nicht verzichten. Das stimmt mich wieder etwas positiv", meint Joe Szauer.
"Nach Corona ist das jetzt der nächste Wahnsinn für uns. Wir waren als körpernahe Dienstleister ohnehin in den letzten zwei Jahren zig Monate zugesperrt. Jetzt müssen wir mit neuen Farben arbeiten, die noch nicht ausgefeilt und erprobt sind. Das ist eigentlich grauslich und sicher auch nicht im Sinne des Kunden. Ich finde das ständige Drüberfahren echt schlimm. Wir müssen aber dennoch damit leben", so Bauer.
"Corona war schon eine sehr schwierige Zeit bisher. Wir wurden bei jedem Lockdown voll erwischt. Die finanzielle Unterstützung ist ein richtiger Spießroutenlauf. Die erste Zeit funktionierte die Förderunterstützung noch gut, später waren sogar die Steuerberater überfordert, bei all den neuen Regelungen", sagt Heisinger.
Breite Palette
Auch die Wünsche haben sich verändert, wie der Pinkafelder Tätowierer erklärt: "Früher gab es bestimmte Motive, die verstärkt gewünscht wurden. Heute ist es sehr individuell und fast jedes Tattoo ein Unikat. Ich erfülle Tattoowünsche, die nicht jeder macht. Somit sind meine Tattoos einzigartig. Ich habe deshalb auch eine große Palette. Dennoch gibt es nach wie vor Motive wie Rosen, Haustiere, Anker, Mandalas usw., die nach wie vor beliebt sind."
Auch bei Robert Bauer gibt es eine breite Palette: "Ich mache die Tattoos, die von den Leuten gewünscht werden. Religiöse Motive wie "Betende Hände", Kreuze oder Rosen und Namen gehen immer."
Stilistisch ist auch "Hissi" vielseitig: "Bei mir gibt es eigentlich keine vorwiegenden Motive. Sie sind bunt gemischt - diesmal ist aber nicht die Farbe gemeint. Ich bin noch eher vom alten Schlag, auch im Stil."
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