Interview mit Harald Kuenz
Ein Plädoyer für die Lehrausbildung

Harald Kuenz ist ÖGB Regionalsekretär in Osttirol. | Foto: Hans Ebner
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Wie kann man die Lehre aufwerten? Nur über einen gesellschaftlichen Wandel, glaubt Harald Kuenz vom ÖGB.

Flotte Slogans rund um das Thema Lehre gibt es viele. Sowohl vonseiten der Wirtschaft, als auch von der Politik wird versucht, das Image dieser Ausbildungsform aufzupolieren und so junge Menschen zu motivieren, einen Beruf von der Pike auf zu erlernen.

Dass dies auch unbedingt notwendig ist, zeigen die sinkenden Lehrlingszahlen und damit die Schwierigkeiten verschiedener Branchen, genügend Fachkräfte zu finden.

Die Bemühungen, die Lehre attraktiver zu machen, fallen aber nicht immer auf fruchtbaren Boden, befindet der Osttiroler ÖGB-Regionalsekretär Harald Kuenz im Interview mit den Bezirksblättern und nennt auch einige Gründe.

Bezirksblätter:Trotz vieler Bemühungen und Initiativen wird es immer schwieriger, Lehrlinge zu finden. Woran liegt das?
Harald Kuenz: Die Lehre ist mittlerweile ein gesellschaftliches Thema. Sie hat ein Imageproblem. Wenn Politiker der Krise die Schuld geben und sagen, dass es danach besser wird, dann stimmt das nicht. Leider ist in unserer Gesellschaft der Gedanke verankert, dass eine schulische, beziehungsweise akademische Ausbildung einen höheren Stellenwert hätte als eine Lehre.

Aber der Akademiker hat doch den höheren Stellenwert.
Nur, weil ihm die Gesellschaft diesen gibt. Damit das klargestellt ist. Es geht nicht darum, schulische Ausbildungen zu degradieren - keineswegs. Jedoch muss die praktische Ausbildung den gleichen Stellenwert haben, wie die theoretische Ausbildung. Deshalb muss die Lehre höher geschätzt werden. Momentan kippt unser System.

Funktioniert das über das Modell Lehre und Matura?
Ich halte das für den falschen Zugang. Denn was wird denn hier vermittelt? Dass man mittlerweile eine Matura braucht, um eventuell ein Bachelor oder Master zu machen. Erst dann bist du wieder wer. Hier wird immer das Signal gesendet 'Deine Lehre allein ist zu wenig wert'.

Dabei ist das duale Ausbildungssystem doch ein Gutes.
Das ist sogar hervorragend. Ich möchte fast behaupten, dass da weltweit kaum jemand mitkommt. Unsere Facharbeiter sind überall begehrt. Nur haben wir einfach zu wenige.

Hat das die Wirtschaft überrumpelt?

Das ist doch kein Problem, das völlig überraschend aufgetreten ist. Der Facharbeitermangel ist doch schon seit Jahren prognostiziert worden. Jene Generationen, die jetzt sukzessive in Pension gehen, können nicht nachbesetzt werden. Die Fehler wurden in der Vergangenheit gemacht.

Welche beispielsweise?

Es gibt zum Beispiel immer noch eine Kluft zwischen Arbeitern und Angestellten. Dieses Vorurteil, dass der Arbeiter weniger wert wäre, wurde nie ausgeräumt. Es besteht sogar noch heute. Auch dass die Hacklerregelung abgeschafft wurde, war ein fatales Signal. Es ist schon klar, dass es hier viele Schrauben gibt, an denen man drehen kann und muss. Dass die Lage erkannt wurde, ist gut. Aber sie wurde eben erst aus der Not heraus erkannt.

Jetzt steckt der Karren im Dreck. Kann er überhaupt auf die Schnelle wieder herausgezogen werden?

Auf die Schnelle geht gar nichts. Mit Symbolpolitik und Willensbekundungen wird nichts erreicht. Eine nachhaltige Änderung schaffen wir nur, wenn sich die Gesellschaft ändert. Erst wenn wir zum Lehrjahr Semester sagen, wird man verstehen, dass lernen und lernen das Gleiche ist. Wir brauchen eine komplette Gleichstellung. Der Imagewandel ist mit Geld, Attraktivität und gesellschaftlicher Anerkennung verbunden.

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