"Situation hat sich zugespitzt"
Kein Notbetrieb in der Klinik Ottakring
Eine Gefährdungsanzeige und Personalmangel in der Klinik Ottakring sorgen nicht nur medial für einen Aufschrei. Die BezirksZeitung hat bei Pflegedirektor Günter Dorfmeister nachgefragt.
WIEN/OTTAKRING. Die Pflege und Ärzte in den Wiener Spitälern sind seit vielen Monaten an ihrer Leistungsgrenze. Der Personalmangel sorgt für Überlastung - eine Gefährdungsanzeige in der Klinik Ottakring die Folge.
Gesundheitsstadtrat Peter Hacker spricht von einer „angespannten Lage“ in Wiens Spitälern. Wie angespannt ist man in der Klinik Ottakring?
GÜNTER DORFMEISTER: Ja, da kann ich unserem Stadtrat nur zustimmen, so ist es auch in Ottakring. Die Situation hat sich diesen Sommer aufgrund mehrerer Faktoren zugespitzt, vor allem wegen der Kombination aus Urlaubszeit, gehäuft auftretenden Covid-19-Erkrankungen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und dem sich abzeichnenden Fachkräftemangel. Wir arbeiten eng mit unserer Belegschaftsvertretung zusammen und stellen wie gewohnt eine qualitätsgesicherte Patienten-Versorgung sicher. Unsere Teams leisten Großartiges, täglich, rund um die Uhr, diesen muss ein besonders lauter Dank ausgesprochen werden.
Laut Hacker sind in Wiens Spitälern 1.830 Stellen unbesetzt. Sie haben 2020 von 40 offenen Stellen in der Pflege in Ottakring gesprochen. Hat sich die Lage verbessert?
Nein, das hat sie nicht. Wir haben offene Stellen im Pflegedienst, diese liegen derzeit bei rund 90, in Relation gesetzt zu knapp 1300 Vollzeitstellen. Insgesamt wird es immer schwieriger, Mitarbeiter*innen zu finden. Der Fachkräftemangel, der nicht nur ganz Österreich sondern auch Europa betrifft, ist auch in unserer Klinik deutlich spürbar. Nach rund 30 Monaten Corona-Pandemie, in denen unsere Kliniken im Wiener Gesundheitsverbund einen Großteil aller Covid-19-Patientinnen und -Patienten behandelt haben, ist da mal schon „die Luft draußen“. Im Jahr 2020 waren alle top motiviert das alles zu schaffen, trotz Ängsten, Unsicherheiten usw. Mit der Dauer der Pandemie sehnen sich viele nach „Normalität“, ganz besonders auch im Arbeitsalltag. Das hat schon bewirkt dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich umorientieren, in Gesundheitseinrichtungen wo es keinen so hohen akutmedizinischen Versorgungsauftrag wie in unserem Schwerpunktkrankenhaus gibt. Oder in Pension zu gehen, obgleich sie noch ein paar Jahre bis zu Regelantritt hätten.
Welche Rolle spielt Corona beim Personalmangel? Hat sich die Situation seit 2020 weiter verschärft?
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für unser Haus zu gewinnen, um Abgänge zu kompensieren ist sehr viel schwieriger geworden als 2019, insbesondere bei Diplompflegekräften. Durch die demografische Entwicklung kommt es ohnehin zu einer Lücke zwischen Nachwuchs und Pensionierungen. Zusätzliche Kündigungen spüren wir dann besonders stark.
Kann die Pflege ihre tägliche Routinen ausreichend bewerkstelligen? Oder geht es schon Richtung Notbetrieb?
Nein, es herrscht kein Notbetrieb. Die Kolleginnen und Kollegen des Pflegedienstes arbeiten mit hohem Engagement und Empathie um die Patienten-Versorgung auf dem gewohnt guten Niveau zu halten. Eine perfekte Koordination in der Arbeitsplanung, auch mit anderen Berufsgruppen, ist zwingend notwendig um das auch zu halten. Das gilt natürlich nicht nur für die jetzige Zeit, sondern ist im Klinik-Betrieb immer geboten. Aber jetzt ist es aufgrund der oben beschriebenen Zuspitzung hochgradig fordernd.
Aus Ihrer Sicht: Würde eine bessere Bezahlung zu mehr Pflegepersonal führen?
Leistungsgerechte Bezahlung ist natürlich immer eine Thema.
Es gab, wie auch in der Klinik Favoriten, eine Gefährdungsanzeige in Ottakring. Ist das ein normales Instrument um auf angespannte Situationen hinzuweisen? Wie oft kommt eine solche Anzeige vor?
Ja, Gefährdungsanzeigen gibt es bei uns in Ottakring. Sie werden aktuell medial sehr intensiv thematisiert – tatsächlich gibt es sie schon lange und sind auch in den Berufsgesetzen festgeschrieben. Durch sie haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Art Frühwarnsystem zur Hand, mit dem sie die Führung über Engpässe informieren. So können Lösungen gefunden werden, bevor die Gefährdung überhaupt erst eintritt.
Gibt es aktuell geschlossene Stationen oder Abteilungen in der Klinik Ottakring?
Es ist derzeit die Unfallchirurgie Station F am Pavillon 30 gesperrt. Sie ist vom Personalmangel besonders betroffen. Temporäre Bettensperren sind ein weiteres Instrument im Klinikbetrieb. Bei Personalengpässen können Leistungen so gebündelt werden. Damit wird sichergestellt, dass die Patient*innen-Versorgung weiterläuft und das Personal nicht überlastet wird. Aber Bettensperren gibt es auch aus anderen Gründen: Der Pavillon 28 ist kurz vor Abschluss der Stationssanierung und geht mit Oktober wieder in Betrieb. Wichtig: Bettensperrungen erfolgen immer in Absprache. Nicht nur mit anderen Stationen, sondern auch innerhalb des Verbundes, sodass es zu keinen Einschränkungen für Patientinnen und Patienten kommt.
Wie laufen die Sanierungen in der Klinik Ottakring? Liegt man im Zeitplan?
Diese laufen soweit gut. Wir liegen überall im Zeitplan.
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