MeinBezirk-Reportage
Brunnenmarkt aus Perspektive eines Sehbehinderten

- Der Brunnenmarkt ist der längste Straßenmarkt Europas.
- Foto: HERBERT NEUBAUER / APA / picturedesk.com
- hochgeladen von Antonio Šećerović
Menschen mit einer Sehbehinderung nehmen ihre Umgebung ganz anders wahr. So auch die Plätze in Wien – wie etwa den Brunnenmarkt. Der sehbehinderte Journalist Dominic Schmid berichtet für MeinBezirk.at aus seiner Perspektive.
WIEN/OTTAKRING. Die Stadt aus anderer Perspektive: Dominic Schmid beschreibt spannende Orte in ganz Wien. Der stark sehbehinderte Journalist nimmt uns mit auf seine außergewöhnliche Reise durch die Bezirke. "In meinem letzten Beitrag habe ich das bunte Treiben im Kardinal-Nagl-Park beschrieben. So soll es auch am Brunnenmarkt sein, hat man mir zumindest gesagt. Außerdem gibt es hier viel zu riechen. Ein toller Ort also für mich und meine Sinne", so Schmid.
Hier seine Reportage für MeinBezirk.at:
Kurzentschlossen mache ich mich auf den Weg zum Brunnenmarkt. Dieses Mal begleitet mich mein Bruder, der schon öfter hier war. Wir gehen eine Straße entlang und stehen vor einem Zebrastreifen. Und ja, etwas steigt mir in die Nase, es riecht nach Essen. Aber wir müssen noch die Straße überqueren, bevor wir wirklich auf dem Markt sind. Ich habe den Markt also schneller gerochen als gesehen. Gut, das kann auch daran liegen, dass ich nicht so genau hingeschaut habe, was auf der anderen Straßenseite steht. Aber dann sind wir da und der Geruch wird intensiver. Ich überlege, wonach es wohl riecht und vermute Safran. Doch weit und breit ist kein Gewürzstand zu sehen.
Gerüche stärker als Torten
Plötzlich liegt ein vertrauter Geruch in der Luft. Er erinnert mich ein wenig an das Grillen am Lagerfeuer. Wir gehen weiter, und da entdecke ich zu meiner Rechten die Quelle des Geruchs. Es ist ein Stand, an dem Hühnerkeulen verkauft werden. Doch der Geruch ist mir zu intensiv und so lassen wir den Stand schnell hinter uns. Aber da liegt noch ein anderer Geruch in der Luft, der mir irgendwie bekannt vorkommt. Im ersten Moment komme ich gar nicht darauf, denn schon steigt mir der nächste Geruch in die Nase. Es riecht ein bisschen wie in einem Bekleidungsgeschäft, was auch logisch ist, denn ich stehe gerade vor einem Stand, an dem man Kleidung kaufen kann.

- Dominic Schmid war mit seinem Bruder am Brunnenmarkt unterwegs.
- Foto: mjp
- hochgeladen von MeinBezirk Termine
Direkt gegenüber sehe ich einen Obststand und merke, dass es der vertraute Geruch ist, den ich die ganze Zeit in der Nase habe. Es riecht nach frischem Obst und Gemüse. Also frage ich meinen Bruder, ob wir schon an mehreren Obst- und Gemüseständen vorbeigekommen sind. Er erklärt mir, dass wir fast ständig daran vorbeigehen. Auf meine Nase ist also Verlass, aber mein Gehirn hat anscheinend Mühe mit der Zuordnung, wenn zu viele Gerüche auf meine Nase einprasseln.
Ein paar Schritte weiter gibt es einen Stand mit syrischen Süßigkeiten. Doch so sehr ich mich auch anstrenge, hier gibt es nichts zu riechen. Ich muss an meinen Artikel über den Kurpark Oberlaa denken, in dem ich geschrieben habe, dass Süßigkeiten nicht stark riechen. Heute lerne ich, dass sogar Kleidung, Obst und vor allem Fleisch stärker riechen. Denn der Geruch von Fleisch ist zwar im Gegensatz zu Obst kein ständiger Begleiter, aber ich empfinde ihn als intensiver.
Die Vielfalt des Hörens
Und dann rieche ich endlich die Gewürze. Aber wir sind schon ein ganzes Stück vom Eingang entfernt, und Safran habe ich wohl noch nicht gerochen.

- Dominic Schmid schreibt für MeinBezirk.at spannende Reportagen.
- Foto: RMW/Spitzauer
- hochgeladen von Andrea Peetz
Nach dem Geruchssinn sind nun meine Ohren an der Reihe. Zuerst fällt mir das "Biep, Biep" der Kassen auf, die hier überall stehen. Erst dann achte ich bewusst auf das Stimmengewirr, das in der Luft liegt. Die meisten Leute scheinen Sprachen zu sprechen, die ich nicht verstehe. Mein Bruder, der ein paar Brocken Arabisch versteht, erklärt mir, dass diese Sprache hier allgegenwärtig ist. Außerdem kann ich das Geräusch von Rädern wahrnehmen, die über den Asphalt rollen. Wie ich erst jetzt bemerke, sind viele Menschen mit Kinderwagen und auch Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer unterwegs. Der Markt scheint also barrierefrei zu sein. Auch ich komme mit meinem Blindenstock gut voran.
Intensiv essen
Ein paar Schritte weiter stehe ich auf einem gepflasterten Kreis. Um mich herum haben sich die Marktstände gelichtet. Wir sind am Yppenplatz angekommen, dem Ende des Brunnenmarktes. Die Vielfalt der Eindrücke ist zwar positiv, aber meine Sinne müssen das erst einmal verarbeiten. Bis auf meinen Geschmackssinn – der darf jetzt richtig loslegen und mein Magen kann gleich mit meinen Ohren und Augen verdauen. Denn zum Glück habe ich von den vielen Gerüchen kein flaues Gefühl im Magen bekommen. Nein, ganz im Gegenteil.

- Die Vielfalt der Waren am Brunnenmarkt.
- Foto: Dlabaja
- hochgeladen von Michael Payer
Ich bin hungrig. Also kehren wir um und suchen einen Stand, der Falafel aus schwarzen Bohnen verkauft. Ich bekomme sie als Bowl, also mit Salat und Reis. Und schon beim ersten Bissen wird klar, auch hier schmeckt das Essen sehr intensiv, zumindest mir und meinem durch die westliche Küche geprägten Gaumen. Ich vergleiche das Essen mit den Kebab-Ständen, die man sonst in der Stadt findet und finde, dass die Küche auf dem Markt noch etwas authentischer ist.
Ein Ort von großer Intensität
Sei es das Stimmengewirr, die Gerüche in der Luft oder das Essen: Die Atmosphäre auf dem Brunnenmarkt empfand ich als sehr intensiv, aber nicht überwältigend. Nach dem Essen verlassen mein Bruder und ich den Brunnenmarkt. Ich möchte aber noch einmal wiederkommen, denn nach der Falafel Bowl bin ich so satt, dass ich von den Süßigkeiten nichts mehr probieren kann. Dann hätte ich wohl ein weiteres intensives Erlebnis gehabt, denn orientalische Süßigkeiten sollen, um es auf gut österreichisch zu sagen, picksüß sein.
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