Jahreskreis 30 - 4: Im Café "Poseidon"

(von Christoph Altrogge)

Wilhelm öffnete die Tür. Zuerst trat er ein, nach ihm Johannes, danach Cornelius, zum Schluss ich.
Der kleine, längliche Vorraum tat sich auf. Am hinteren Ende befanden sich gerade ein paar Männer an der Theke und tranken etwas. Auf gleicher Höhe hinter der Theke stand die Wirtin und sortierte Gläser ins Regal. "Griaß Eich", rief sie uns zu, als sie uns bemerkte.
Wir gingen in Richtung Wintergarten. Direkt an der Tür zog das kurze Eisbuffet an uns vorbei, gefolgt von dem sehr viel längeren Kuchenbuffet. Alle möglichen Sorten standen wieder darauf ausgebreitet: Punschkrapfen, Spritzgebäck, Rolle, Linzer, Cremeschnitten, Erdbeertorte, ...
Nacheinander betraten wir den Wintergarten. An der Wand gleich rechts neben dem Eingang tauchte wieder der Plattgoldrahmen mit der Reproduktion des Gustav-Klimt-Gemäldes "Der Kuss" auf.
Wie üblich um diese Tageszeit war der Wintergarten nicht besonders voll. Ein paar Arbeiter aus der Reparaturwerkstatt des Fiathandels ein paar Häuser weiter die Straße hinab aßen Mittag. In der hinteren Ecke der linken Wand saß, hinter der Zeitung versteckt, ein Mann, der den "Standard" las. Ansonsten war der Raum leer.
Wir nahmen unsere Rucksäcke ab und stellten sie an den Rand der Säule, damit niemand darüber fiel. Danach setzten wir uns wie gewohnt an die zwei Tische in der Mitte. Ebenfalls wie gewohnt knarrten die Korbsessel beim Hinsetzen.
Auch draußen im Hof saßen Gäste, wie ich in diesem Augenblick feststellte. Überall an den Tischen im Freien waren die Sonnenschirme aufgespannt worden. Wie schon beim letzten Mal waren es wieder die mit dem Werbeaufdruck der Alt-Wiener Traditions-Kaffeerösterei Santora. Es war das gleiche Logo wie auf den Kaffeetassen und der Leuchtschrift an der Vorderfront des Gebäudes zur Znaimerstraße hin.
An dem Gebäudeteil an der Ostseite des Hofes begann sich der Wilde Wein, der dort fast alles zugewachsen hatte, allmählich rötlich zu verfärben.
Die Wirtin erschien neben uns. "Woas deafs zum Trinkn sein?" fragte sie.
"An valengatn Braunen", kam es von Wilhelm.
"A Tonic", antwortete Cornelius.
"I nimm a Sprite", schloss sich Johannes an.
"Das Übliche", bestellte ich wie immer eine Tasse Melange.
Nachdem die Wirtin wieder verschwunden war, fragte Willhelm: "Wie isses 'n eich eigentli goanga bei da Schuioabeit?"
"I glaab, 's meiste hoab i gschriabn, vuan dem, woas im Buach gstoandn ist", antwortete Johannes.
"Bei mir war's ähnlich", berichtete ich als Nächster. "Bis auf die Ges. m. b. H's habe ich auch alles abgehandelt. Schlechter als eine Drei kann's nicht werden. Müsste mit dem Teufel zugehen."
Im Vorraum setzten in diesem Augenblick die prustenden und schnaubenden Geräusche der Kaffeemaschine ein. Ganz offensichtlich wurde mein Melange zubereitet. Die Geräusche mischten sich mit den Gesprächen, die im Vorraum zugange waren, und dem Klappern von Tellern. Aus dem Radio waren gleichzeitig, so wie meistens, Oldies aus den Fünfziger und Sechziger Jahren zu hören.
Mir gerieten die Aschenbecher auf dem Tisch ins Blickfeld. Auf einer Seite des Randes befand sich ein Werbeaufdruck für die "Wettpunkt"-Sportwetten-Annahmestellen in Wien. Die andere Seite dominierte eine Werbung für die Airport-Taxis am Wiener Flughafen. Für den Bruchteil einer Sekunde lösten die beiden Reklamen in mir wieder diesen diffusen Wunsch aus, nach Wien zu fahren, um mich irgendwo dort oder noch weiter weg herumzutreiben.
Neben dem Aschenbecher lag auf jedem Tisch auch eine Karte mit den hausgebackenen Pizzen. Ich nahm mir die von unserem Tisch zur Hand. Eine Sekunde später stellte mir die Wirtin die bestellte Tasse Melange auf den Tisch. Im nächsten Augenblick war sie schon wieder verschwunden, um die anderen Bestellungen zu holen.
Schnell schöpfte ich den Berg Sahne von der Oberfläche ab, bevor er von der heißen Flüssigkeit aufgelöst wurde. Als ich ihn schließlich entfernt hatte, befand sich auf dem Kaffee noch die unterste Schicht Sahne. Sie hatte sich bereits halb mit der Flüssigkeit verbunden und mit ihr zusammen eine cremige Schicht gebildet. Ich nahm den Zuckerstreuer von der Mitte des Tischs und schüttete eine gewisse Prise hinein. Danach begann ich mit dem Löffel umzurühren. Unterdessen bekamen auch die anderen ihre Bestellungen geliefert. Irgendwann konnte ich dann mit dem Löffel keine Zuckerkörner mehr auf dem Boden der Tasse ausmachen. Hernach nahm ich schließlich den ersten Schluck, welcher wie immer zu einem einmaligen Erlebnis wurde.

Eine unbestimmte Zeit war vergangen. Die anderen resümierten inzwischen über das abgelaufene Weinlesefest. "Wie schaut's eigentli aus mit de Zoahlungsmodoalitetn, woasses Honoroa vuan unsam Auftritt betrifft?" fragte Johannes Wilhelm.
"Ois i mit'm Piglmayr vuam Stodtoamt 'n Vatroag oagschlossn hoab, haum ma vaeinboat, doass ma 's Göd auf unsa Band-Konto bei da Volksbank iwawiesn kriagn." Er nahm einen Schluck und fuhr dann fort: "Un i darat a soagn, doass ma 's doa a easchtamoi loassn bei unsare oandan finaunziön Reservn. Fia den Foi, doass bei de Instrumente amoi iagnd a greeßere Soach zum Zoin is. I hoff, es seids doamit eivastoandn?"
Die anderen nickten. "Miass ma an AKM-Beitroag a zoin?" fragte ihn darauf Cornelius.
"Na, um Gebiahn un Oabgoabn kiammat si de Gmoa."
"Da ma groad iwa finaunziölle Dinge redn", ergriff Johannes wieder das Wort: "Hoast scho ungefeah a Oahnung, woas ma im Stoandl eignumman haum?"
Wilhelm schüttelte den Kopf. "Um dös hoab i mi nau iwahaupt net kiammat. I bin heit in da Fruh mitm Papa einegfoahn, wäü ea in Retz zum Tuan g'hoabt hoat. Doa samma doann ois Easchtes zum Cornelius goanga, haum uns 's Göd un de Listn mit de Toageseinnoahmn gebn loassn und da Papa hoats hamgfiaht. Iagndwoann in 'n nechstn Toagn tu i doann 'n Ist-Bestoand mitm Soll-Bestoand vagleichn un waun ois stimmt, zoahl i 's Göd auf de Kloassnkoassa ei. Un doann dazöh i a in da Kloass, woas außakumm'n is."

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