Gedenkfeier KZ Gusen
Befreit? Manches getan, vieles weiter unerfüllt!

"Ich lehne mich auf", steht zufällig in italienisch auf dieser Tasche einer Besucherin. Um die Blume Freiheit müssen manche einst in Gusen inhaftierte Gruppen tatsächlich bis heute kämpfen. | Foto: Eckhart Herbe
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  • "Ich lehne mich auf", steht zufällig in italienisch auf dieser Tasche einer Besucherin. Um die Blume Freiheit müssen manche einst in Gusen inhaftierte Gruppen tatsächlich bis heute kämpfen.
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Mit der Befreiungsfeier am 10. Mai im ehemaligen KZ Gusen erfolgte das Erinnern im Jubiläumsjahr 2025 an einem lange verdrängten Ort. Der einst von Schutthügeln umgebene Appellplatz bot mit der riesigen Ruine des Schotterbrechers im Hintergrund  ein Ambiente, das optisch verstärkte, was in vielen Statements emotional eingemahnt wurde: Couragiertes Eintreten gegen das weltweite Wiederaufflammen von gesellschaftlicher Spaltung, Diktatur und Faschismus. Neuer humanitäre Abgründe, an welche die Ruinen im Gusener Lagergelände und das NIE WIEDER! eigentlich erinnern sollen. Befreit?!  Der Titel der diesjährigen Gedenkfeier drückte diese Sorge treffend aus.

GUSEN, EUROPA. Am 5. Mai 1945 wurde das KZ Gusen von amerikanischen Truppen befreit. Trotz seiner enormen Größe und Relevanz galt das Lager lange als geschichtlicher Hinterhof, stand es wie auch das Stollensystem Bergkristall in St. Georgen im Schatten des bereits in Mauthausen zelebrierten Gedenkens des offiziellen Österreichs und der internationalen Gemeinschaft. Dem unermüdlichen, lange von Unverständnis und Misstrauen begleiteten Engagement einstiger Gefangener und tatkräftiger lokaler wie europäischer Initiativen - etwa des Gedenkdienstkomitees Gusen -, ist zu verdanken, dass nun auch an diesem Ort eine würdige, zeitgemäße Erinnerungskultur entsteht und er langsam ins nationale Bewusstsein rückt.

Erinnern alleine genügt nicht

Der Ankauf zentraler Areale wie Appellplatz, Schotterbrecher, NS-Baracken und Flächen beim Stollensystem Bergkristall durch die Republik sowie ein erfolgreich initiierter Beteiligungsprozess ebnen sukzessive den Weg dazu. Als Vertreter der Regierung waren Vizekanzler Andreas Babler, Innenminister Gerhard Karner und Finanzstaatssekretärin Barbara Eibinger-Miedl anwesend. Gedenkdienstkomitee Gusen und die Gedenkstätte Mauthausen-Gusen hatten erstmals gemeinsam die sehr empathisch gestaltete Erinnerungsfeier organisiert. Stimmungsvoll untermalt wurde sie von einem Klarinettentrio der LMS St. Georgen.
Dennoch - das Fragezeichen im diesjährigen Motto "Befreit?!" drückt treffend aus, dass dieser Weg noch lange nicht zu Ende gegangen ist. Ja, er sogar zunehmend wieder beschwerlich und holprig wird. Erodiert von explodierenden Krisen, einem globalen Rechtsruck samt damit einhergehendem Antisemitismus, Demokratieabbau und unverhohlener Menschenverachtung, selbst in einstigen Vorzeigestaaten. Diese Sorge drückten die Wortmeldungen von Vertretern aus Polen, Spanien, Frankreich, Slowenien und Italien bei der Gedenkfeier am Appellplatz im Gusener Lagergelände mehrfach aus.

Befreit?! Für viele noch immer Wunschtraum

Für die Vielfalt der in Gusen inhaftierten Gruppen reflektierten einige Vertreter ihren persönlichen Zugang zum ""Befreit?!": Guy Dockendorf (Mauthausenkomitee International) zitierte eine UNO-Studie, wonach alleine vier(!) Millionen Staatenlose und deren Angehörige die Freiheit, rechtsgültige Bürger eines Landes zu sein, nicht besitzen. Diese unmenschliche Unfreiheit an ihre Kinder weitergeben. Charlotte Hermann (Israelitische Kultusgemeinde Linz) berichtete vom sprunghaft gestiegenen Antisemitismus gleich von mehreren Seiten, mit dem Juden in Österreich wieder konfrontiert sind.  Dumpfen Hass gegen ebenfalls nach Mauthausen und Gusen deportierte, damals "Zigeuner" genannte Sinti und Roma, erlebt immer wieder auch Manuela Horvath (Leiterin des Roma-Pastoral-Referats der Diözese Eisenstadt), deren Großvater ein Überlebender des Lagers war.

Wegen Religion oder Homosexualität stigmatisiert

Nach der Befreiung noch über viele Jahrzehnte kriminalisiert, von rechten Parteien, Religionen und in vielen Staaten bis heute drangsaliert - homosexuelle Menschen müssen noch immer um ihr Recht und die Freiheit, einen Partner des gleichen Geschlechts zu lieben, kämpfen. Darauf wiesen Michael Müller und Markus Sterup (HOSI Wien) hin. Bernd Gsell (Lila Winkel) erinnerte abschließend an die rund 500 hier wegen religiös begründeter Kriegsdienstverweigerung inhaftierten Zeugen Jehovas, eine ebenfalls vielen kaum bewusste Häftlingsgruppe in den NS-Lagern.
Mit dem Niederlegen von Blumen am Appellplatz und dem gemeinsamen Absingen einer neu getexteten Version des italienischen Arbeiterbefreiungsliedes "Bella Ciao" endete die stimmungsvolle Gedenkfeier am Appellplatz.  Den abschließenden Marsch der etwa 2.000 Teilnehmer zur Kranzniederlegung am Memorial untermalte die Marktmusik St. Georgen/Gusen. Ein großes Aufgebot der Polizei und das Rote Kreuz St. Georgen sorgten für einen sicheren Ablauf.
Alle Bilder: Eckhart Herbe

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