"Bindung der Kinder ist heute oft gestört"
„Gefährlicher Trend“: Krisenpflegemutter kritisiert, dass vielen Kindern heute die
Bezugsperson fehlt.
GREIN. Die 54-jährige Elfriede Brandstetter ist mit ihrem Mann Anton (56) seit 13 Jahren Krisenpflegemutter. Mitterweile betreuen die beiden das 21. Kind. Vom Baby bis zum 5-Jährigen reichte die Palette. Zwischen drei Tagen und zwei Jahren Auftenhalt.
BezirksRundschau: Wieviel weint ein Kind in den ersten Nächten bei Ihnen?
BRANDSTETTER: Meist gar nicht.
BezirksRundschau: Warum denn nicht?
Brandstetter: Bei einem Kind mit einer gesunden Bindung wäre das so. Diese Kinder haben oft ein gestörtes Bindungsverhältnis und können Gefühle schwer zulassen. Auch Trauer und Wut ist dann oft nicht möglich.
BezirksRundschau: Haben Sie Wut auf die Eltern?
Brandstetter: Nein, viele haben selber nie die Zuneigung bekommen. Wie sollen sie es dann an die Kinder weitergeben? Da dreht sich das Rad der eigenen schweren Kindheit weiter. Es geht um drei Z: Zeit, Zuneigung und Zärtlichkeit.
BezirksRundschau: Ist es für viele Eltern nicht schwierig, dass in der heutigen Zeit zu erfüllen?
Brandstetter: Ja, Bindungsstörungen werden immer häufiger. Eine sichere Bindung ist von Geburt an notwendig, damit sich ein Kind gut entwickeln kann. Kinder können ihre Umwelt nur freudig erkunden, wenn sie Sicherheit in der Beziehung zur Mutter oder zu einer anderen Person empfinden.
BezirksRundschau: Sie kritisieren also den momentanen Trend?
Brandstetter: Ja, da entwickelt sich etwas falsch. Die Kinder brauchen mindestens drei Jahre lang eine zentrale Bezugsperson. Das müssen aber nicht immer die Eltern sein. Das kann auch eine Tagesmutter sein.
BezirksRundschau: Müssen Kleinkinder zu früh selbstständig werden?
Brandstetter: Unser Glaube, wir müssen Kinder so früh wie möglich von uns unabhängig machen und Kinder würden am besten in großen Gruppen Gleichaltriger gedeihen, hindert eher eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung. Man sollte die Zeit nicht zu schnell nach vorne drehen, man kann sie später nicht mehr zurückdrehen. Kindern werden viele materielle Wünsche erfüllt, in ihrem Bedürfnis nach Sicherheit und Beständigkeit sowie nach Zeit und Raum bleiben sie heute auf der Strecke.
BezirksRundschau: Woran mangelt es den Kindern sonst noch?
Brandstetter: Viele haben eine verzögerte Entwicklung und ihnen fehlt der strukturierte Alltag sowie Rituale und Grenzen.
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