Der Bischof holte sich hier den Tod

Ernst Gusenbauer vor dem ehemaligen Kriegsgefangenenlager in Mauthausen, heute befindet sich hier der Soldatenfriedhof.
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MAUTHAUSEN (mikö). Ernst Gusenbauer aus Ried in der Riedmark skizzierte im Zuge seiner Doktorarbeit ein Bild der Kriegsgefangenenlager in Oberösterreich.
Einen besonderen Schwerpunkt legte er auf den Austausch mit der Zivilbevölkerung und das riesige Barackenlager in Mauthausen. "Viele verbinden die Gemeinde vor allem mit dem Konzentrationslager im 2. Weltkrieg. Mauthausen als Standort eines Kriegsgefangenenlagers im 1. Weltkrieg ist weniger bekannt", sagt Gusenbauer. Traurige Berühmtheit erlangte der Standort durch eine verheerende Seuchen-Ausbreitung. Der Flecktyphus forderte nicht weniger als 7.000 Menschenleben. Darunter jenes von Rudolph Hittmair, dem beliebten Bischof der Diözese Linz. Im Zuge einer Salbung von Erkrankten infizierte er sich im Februar 1915 und verstarb wenig später. Waren zu Kriegsbeginn vor allem Serben hier, wandelte sich Mauthausen immer mehr zum "Italiener-Lager".

Kein Vergleich zu KZ

Mit dem späteren Konzentrationslager war es aber keineswegs zu vergleichen. "Im Großen und Ganzen hielt man sich an die Haager Landkriegsordnung und das Völkerrecht. Diese besagen, die Menschen mit Respekt und Würde zu behandeln. Im Gegensatz zu den Lagern der NS-Zeit, in denen als Devise 'Vernichtung durch Arbeit' galt", so Gusenbauer. Nachsatz: "Sonst wäre es den österreichischen Gefangenen in den anderen Gefängnissen des 1. Weltkriegs auch nicht anders gegangen."

Angst und Neugierde

Wie ging die Bevölkerung mit dem Lager um? "Mauthausen hatte 4.000 Einwohner, das Lager war für bis zu 30.000 Gefangene konzipiert. Angst, Furcht und Neugierde wechselten einander ab. Die Ankunft in Mauthausen war ein spektakuläres Ereignis für Schaulustige", weiß Gusenbauer. Die Soldaten lösten verschiedene Gefühle aus: Man war froh, dass tüchtige Helfer auf den Bauernhöfen zur Verfügung standen. Es herrschte aber auch Wut, wenn die einheimischen Frauen Gefallen an den Männern aus dem Ausland fanden. In manchen Fällen waren die Gefangenen fast wie ein Familienmitglied auf den Höfen. Auch in den Medien setzte man sich mit der Kultur aus Russland und Italien auseinander.
Heute befindet sich auf einem Teil des Areals der Soldatenfriedhof mit Gräbern von Toten aus dem 1. und 2. Weltkrieg. Der italienische Offizier Paolo Boldrini, selbst Kriegsgefangener in Mauthausen, schuf auf einem Pyramidenstumpf eine fast fünf Meter hohe Skulptur.

Zur Sache

Das Kriegsgefangenenlager in Mauthausen ging im Oktober 1914 in Betrieb. Der Standort wurde aufgrund der Lage nahe von Donau, Straße und Bahn gewählt. Zu Beginn betrug die Häftlingszahl etwa 20.000, später waren im Schnitt 8.000 bis 12.000 Gefangene inhaftiert. Der Rest der ausländischen Soldaten wurde zu Arbeiten in der Landwirtschaft eingeteilt. 1.200 Wachsoldaten versahen ihren Dienst im 68 Hektar großen Lager. Ab 1915/1916 galt Mauthausen als "Italiener-Lager", aber auch Russen und Serben gehörten zu den Inhaftierten. Das Lager stellte einen wichtigen Wirtschaftsfaktor da. So floss der erste Strom im Unteren Mühlviertel überhaupt hier hin. Nach dem Krieg verschwand das Lager rasch von der Bildfläche. In OÖ gab es auch Kriegsgefangenenlager in Braunau, Aschach/Donau, Linz-Kleinmünchen, Marchtrenk und Freistadt.

Das Jahr 1918 im Bezirk Perg

BEZIRK PERG. Ab Mitte des 1. Weltkrieges spürten die Menschen die Lebensmittelknappheit. 1918 war geprägt vom 1. Weltkrieg, der bis 11. November dauerte. Von einer "unglaublichen Not" spricht Franz Moser, Obmann des Heimatvereins Perg. Im Heimatbuch Perg heißt es über die Jahre 1918 bis 1938: "Diese waren geprägt von politischer Unsicherheit, Parteienverbot und Radikalismus, wie wir es uns heutzutage nicht mehr vorstellen können." Arbeitslosigkeit und Hunger waren ein fruchtbarer Nährboden für Radikalismus. "1918 war eine Zeit der wirtschaftlichen und sozialen Not sowie der Perspektivlosigkeit. Keiner wusste, wie es nach 650 Jahren Habsburger Monarchie weitergeht. Der Kaiser stellte den Anker dar, zu dem man aufgeschaut hat. Die Menschen waren es gewohnt, in der großen Donaumonarchie mit 53 Millionen Menschen zu leben, nun waren es 6 Millionen. Es war die Entwicklung von einer europäischen Mittelmacht zu einem lächerlichen Kleinstaat. Die Leute glaubten nicht an Österreich, was später zum Verhängnis wurde. Es gab große soziale Verwerfungen, verkrüppelte Soldaten mussten versorgt werden. Außerdem herrschte Wohnungsnot", sagt Historiker Ernst Gusenbauer.
In Atem hielt Oberösterreich eine unglaubliche Mordserie: Vier freigelassene russische Kriegsgefangene aus dem Lager Kleinmünchen töteten acht Menschen auf brutalste Weise. Sie spalteten einen Schädel und mordeten mit einer Hacke. Am 24. November 1918 wurden sie in Linz verhaftet.

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