Ergebnispräsentation Beteiligungsprozess
Masterplan: Fundament für Gedenkstätte Gusen steht

Internationales KZ-Gedenken auf historischem Boden, inmitten eines Wohn- und Industriegebiets: Diese Gegensätze entzweiten über Jahrzehnte. Das wird nun anders. | Foto: Eckhart Herbe
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  • Internationales KZ-Gedenken auf historischem Boden, inmitten eines Wohn- und Industriegebiets: Diese Gegensätze entzweiten über Jahrzehnte. Das wird nun anders.
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Am 11. Oktober passierte, medial weitgehend unbemerkt, ein "Beschluss zur Novellierung des Gedenkstättengesetzes" das Parlament. Dass diese sperrige Formulierung einen der wichtigsten und die Region Mauthausen-Langenstein-St. Georgen künftig nachhaltig prägenden Auftrag der Republik Österreich in der Nachkriegsgeschichte anstößt, machte am Tag danach Innenminister Gerhard Karner in einer eigens einberufenen Pressekonferenz bewusst. Die Bevölkerung der Bewusstseinsregion wurde exklusiv bereits am Vorabend, noch vor der Regierung, über Details des Masterplans informiert. 

ST. GEORGEN, GUSEN, MAUTHAUSEN. Eine besondere Wertschätzung der Republik: Gemeinsam mit Guy Dockendorf (Mauthausen Komitee International) und Barbara Glück (Leiterin Gedenkstätte Mauthausen) saßen mit den Bürgermeistern Christian Aufreiter (Langenstein) und Andreas Derntl (St.Georgen/G.) auch zwei Vertreter der Region beim Medientermin in Wien am Podium. Diese vier Menschen repräsentierten eine Vielzahl lokaler, nationaler und internationaler Teilnehmer eines bislang in Breite und Tiefe einzigartigen Beteiligungsprozesses rund um die vielfältigen Themen in der historischen Aufarbeitung und Neugestaltung des KZ-Komplexes Gusen.

Anfängliche Skepsis in der Region

Als die Republik Österreich 2021 bisher vergessene und vernachlässigte Areale des ehemaligen KZ Gusen, konkret den Appellplatz, zwei noch erhaltene SS-Baracken, den gigantischen Schotterbrecher und den Eingang zum Stollensystem "Bergkristall" in St. Georgen erwarb, sollte von Anfang an auch die Kommunikation dazu in völlig neuem Stil geführt werden. Hatte man in den Jahrzehnten davor in der Region doch hauptsächlich negative Erfahrungen gemacht:  Frustration und Ärger bei Anrainern ebenso wie Überlebenden und Opferorganisationen , empathielose Behördenverfahren bei Denkmalschutzprozessen, Verkehrsprobleme, die teils unter Schutt und Müll begrabenen historische Schauplätze als Schandflecke mitten im Ort. 

Breiter Beteiligungsprozess von Anfang an

"Ein 'Drüberfahren' wird es nicht mehr geben, wir werden einen professionellen Beteiligungsprozess für alle relevanten Gruppen aufsetzen, um den künftigen gemeinsamen Weg in Gusen und St. Georgen zu erarbeiten", so das Versprechen. Internationale Opferorganisationen, regionale und nationale Gedenkinitiativen, diplomatische Vertretungen der Opferstaaten sowie die Bürger der betroffenen Gemeinden brachten in mehreren Workshops und Zwischenpräsentationen ihre Vorstellungen und Wünsche für die künftige Gedenkstätte ein. In enger Zusammenarbeit mit der KZ-Gedenkstätte Mauthausen führten die Kommunikationsagentur art:phalanx und das Architekturbüro heri & salli durch diesen, in Österreich bisher einzigartigen Prozess breiter Mitbestimmung in einer höchst sensiblen Materie.

Ergebnispräsentation im Aktivpark4222

Die Bilanz knapp zwei Jahre später ist höchst erfolgreich. Darin waren sich alle Beteiligten am Mittwochabend einig: Mit der mehrsprachigen Vorstellung des fertigen Masterplans am 11. Oktober im Aktivpark 4222 und im Online-Stream sind nun die Pflöcke eingeschlagen. Es liegt eine fundierte, klare Empfehlung vor, welche auf den gemeinschaftlich erarbeiteten Ergebnissen des Beteiligungsprozesses fußt. Dieser Masterplan bildet die Grundlage für einen oder mehrere Wettbewerbe und die künftige Neugestaltung der KZ-Gedenkstätte Gusen. "Ein Teil des Wegs ist gemacht, möge er nie aufhören", zitierte Barbara Glück die vor allem von den eingebundenen letzten Überlebenden und Opferorganisationen mehrfach im Prozess artikulierte Erleichterung nach Jahrzehnten der Verdrängung und Konflikte. Welchen emotionalen Stellenwert das Projekt international besitzt, unterstrich der Besuch von Guy Dockendorf (Präsident Mauthausenkomitee International), diplomatischer Vertreter zahlreicher Länder und die Zuschaltungen zweier der letzten Gusen-Überlebenden, des Slowenen Dusan Stefancic und des Polen Stanislaw Zalewski.

Viele parallele Entwicklungsstränge

Acht(!) Jahre, die bisherigen zwei gar nicht eingerechnet, sind bis zum Vollbetrieb der neuen gemeindeübergreifenden Gedenkstätte geplant. Wobei Teile sukzessive eröffnet und in das Ausstellungskonzept übernommen werden. Die Kommunikationsagentur art:phalanx und das Architekturbüro heri & salli illustrierten anschaulich die Stationen auf dem Weg dorthin.  
Kommunikativ gab und gibt es eine intensive Auseinandersetzung mit der Vermittlung:  Welches Thema soll wie auf welchen Kanälen bespielt werden? Wie werden Ausstellungen und Veranstaltungen kuratiert? Wo entstehen Begegnungs-, Kommunikations-, Lehr- und Lernzonen, wo gibt es Ruhebereiche für Gedenken und Andacht? Wie werden getrennte Räume wie die Bergkristallstollen, Memorial, Appellplatz oder Schotterbrecher in ein stimmiges Gesamtkonzept - etwa über die verbindende Schleppbahntrasse - gebracht? Auf welche Weise sollen heimische Bevölkerung, Anrainer und Besucher einander offen begegnen, ebenso aber auch deren Privatsphäre gewahrt werden? Warum soll am Schotterbrecher nicht wie ursprünglich geplant, eine Aussichtsplattform entstehen?

Viele Infrastrukturmaßnahmen geplant

Gleich in den ersten Projektjahren müssen viele bauliche Maßnahmen geplant und umgesetzt werden: So soll östlich der beiden künftig für Ausstellungen und Begegnungen vorgesehenen NS-Baracken ein Ankunfts- und Mobilitätsknoten entstehen. Der Weg von dort über den Appellplatz bis zum Schotterbrecher muss gestaltet werden, ebenso das Gelände rund ums Memorial. Die Verkehrsprobleme dort sollen deutlich verbessert, generell die Besucherströme möglichst mit nachhaltiger Mobilität gelenkt werden. Ein praktikables Verkehrs- und Zugangskonzept braucht auch das Bergkristall-Gelände, umso mehr, wenn wie vorgeschlagen, ein Teil des Stollensystems geöffnet wird. Beim Schotterbrecher soll ein in die Erde versenkter Bereich der Stille entstehen. Desolate Gebäude und Ruinen werden renoviert und teilweise zugänglich gemacht, ebenso sind zahlreiche landschaftsplanerische Aufgaben umzusetzen. Ein zeitnaher Gestaltungswettbewerb für Bauten und Gelände ist zentrale Grundlage dieser Maßnahmen ab 2024.
"Danke an alle, die unverzichtbare Puzzleteile auf diesem Weg waren, sind und werden! Ein Teil ist geschafft, der größere kommt erst. Beginnen wir heute damit!" Barbara Glücks Schlusswort drückte treffend die Stimmung aus, welche an diesem Abend den Aktivpark beherrschte. Und die ist, trotz sicher erwartbarer Mühlen der Ebene im Prozess, weiterhin ausgezeichnet. Ermutigende Vorzeichen für ein herausforderndes Projekt.

Die gesamten Unterlagen der Präsentation sind online abrufbar:
www.gusen-memorial.org

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