Berührender Kinoabend in Katsdorf
Nelly & Nadine: Liebe als Überlebensenergie

Regisseur Magnus Gertten stellte gemeinsam mit LABg. Erich Wahl (Bewusstseinsregion) den Film bei einer Tour durch sieben Kinos in OÖ vor. | Foto: Eckhart Herbe
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Im Vorfeld des diesjährigen Menschenrechtesymposiums der Bewusstseinsregion sorgte mit "Nelly und Nadine" ein preisgekrönter Film des schwedischen Regisseurs Magnus Gertten für einen außergewöhnlichen Kinoabend in Katsdorf. Das berührende Dokudrama aus dem Jahr 2022 erzählt anhand eines Tagebuchs, Fotos, Liebesbriefen und Filmrollen eine bemerkenswerte wahre Geschichte über den Horror des Krieges im KZ, gut gehütete Familiengeheimnisse und eine unmögliche Liebe gegen alle Widerstände. Im BezirksRundSchau-Interview erzählte Gertten, welch unglaubliche Zufälle ihn zu dieser berührenden Geschichte führten.

KATSDORF. Der Filmemacher, der bei der Vorstellung persönlich anwesend war, folgt dem Leben der beiden Titelheldinnen, Nelly Mousset-Vos und Nadine Hwang, die sich während des Zweiten Weltkriegs als Häftlinge kennen und lieben lernten - am Heiligen Abend 1944 im KZ Ravensbrück. Die Gefangene Nelly soll in einer von Franzosen bewohnten Baracke Weihnachtslieder siegen. Eine Mitgefangene, Nadine, wünscht sich "etwas aus Madame Butterfly". Nelly zögert und singt dann für sie. Für die beiden Frauen ist es ein magischer Moment. Sie verlieben sich ineinander - mitten im Albtraum des KZs. Nellys Enkelin Sylvie begibt sich Jahrzehnte später auf die Spurensuche nach der Beziehung zwischen den beiden Frauen, die lange Zeit auch aus einem anderen Grund ein intensiv gehütetes Geheimnis blieb.

Schatz auf dem Dachboden

Der Film hat eine fast unglaubliche Vorgeschichte: Jahrzehntelang lagerte auf dem Dachboden von Nellys Haus ein Schatz: ihr Tagebuch aus den KZ-Jahren, Fotografien, Aufzeichnungen und Dokumente, ehe ihn Nellys Enkelin Sylvie Bianchi rund 40 Jahre nach dem Tod ihrer 1987 verstorbenen Großmutter entdeckte.
Der Regisseur war parallel dazu bei den Recherchen zu zwei Dokumentarfilmen über die schwedische Rettungsmission "Weiße Busse" auf das Schicksal von Nadine Hwang gestoßen. Die "Weißen Busse" des Internationalen Roten Kreuzes transportierten im Frühjahr 1945 rund 15.000 befreite KZ-Gefangene nach Schweden. Eine der Geretteten war Nadine. "Von ihrer Ankunft in Malmö, erzählt in meinem Film "Habour of Hope", gibt es Archivaufnahmen. Jeder war fasziniert von Nadines Gesicht. Es hatte einen Ausdruck, den man nicht erklären kann und fiel mir sofort auf, als ich die alten Filmaufnahmen sichtete", erzählt Magnus Gertten.  Zu sehen ist Nadines Gesicht auch in seinem zweiten Film "Every Face has a name". Dieser sollte dann zu einem unerwarteten Treffen führen.

"Ich bekam die zweite Hälfte geschenkt"

Denn nach einer Vorstellung des Films in Paris im Jahr 2016 sprach Sylvie Bianchi den zufällig anwesenden Regisseur an. Bis zu diesem ersten Kontakt hatte sie den gefundenen Nachlass ihrer Großmutter noch nicht geöffnet. Die Enkelin wusste so auch nichts von der damals unmöglichen Liebesbeziehung der beiden Frauen. "Nelly & Nadine" rekonstruiert behutsam deren Lebensgeschichte, in der sich Sylvie nach anfänglicher Verunsicherung schließlich daranmacht, die Puzzleteile zusammenzufügen. Ihre Oma, die Opernsängerin Nelly (1906-1987), Mutter zweier Töchter und geschieden, war ab 1941 Agentin eines Widerstandsnetzwerkes. Nadine (1902-1972) wurde in Madrid als Tochter einer Belgierin und eines Chinesen geboren, der damals Botschafter in Spanien war. Sie führte ein privilegiertes Leben. Ab 1933 lebte sie in Paris. Beide Frauen engagierte sich im Widerstand, beide brachte diese Zivilcourage ins KZ, wo sie einander begegneten. "Sie waren dem NS-Terror ausgeliefert. Ihre Liebe war existenziell für sie. Sie war der Grund dafür, dass sie überlebten", ist der Filmemacher überzeugt. 

Versteckte Liebe

Als Nelly kurz vor Kriegsende in ein anderes Lager verlegt wurde, trennten sich die Wege der beiden Frauen. Die Befreiung führte sie in zwei verschiedene Länder. Doch sie schafften es, einander wiederzufinden. Sie gingen nach Venezuela und bauten sich in Caracas ein gemeinsames Leben auf, das sie im Alltag völlig verbargen. Bis zu ihrem Tod haben Nelly und Nadine ihre Liebesgeschichte geheim gehalten, sogar vor engsten Familienmitgliedern. "Es war die Sprachlosigkeit der Überlebenden einer unmenschlichen Zeit, die nahtlos ins Verstecken einer damals gesellschaftlich nicht akzeptierten gleichgeschlechtlichen Beziehung zweier Menschen überging. Ihre Liebe hat ihnen die Kraft zu diesem Leben gegeben", resümiert Gertten. Die begeisterte Aufnahme seines Films beim Katsdorfer Kinopublikum gibt ihm darin definitiv recht.
Die Berlinale 2022 nominierte "Nelly und Nadine" für den Dokumentarfilmpreis sowie für den Teddy Award, mit dem der Film dann in der Kategorie Jury Award ausgezeichnet wurde. Im Rahmen einer vom Meschenrechtesymposium organisierten Tour stellte der Regisseur "Nelly und Nadine" in sieben oö. Kinos vor.

Der Film wird aufgrund des großen Publikumsinteresses am Sonntag, 12. November 2023 um 18 Uhr im Kino Katsdorf nochmals gezeigt.

Menschenrecht auf Anerkennung als Rechtsperson

Regisseur Magnus Gertten stellte gemeinsam mit LABg. Erich Wahl (Bewusstseinsregion) den Film bei einer Tour durch sieben Kinos in OÖ vor. | Foto: Eckhart Herbe
Jahrzehntelang schlummerten die Erinnerungen an Nelly und Nadine unentdeckt auf einem Dachboden. | Foto: Bewusstseinsregion
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