Warum bin ich nicht im Mühlviertel geboren? Oder: Ein Land, wo gemordet, entführt, vergewaltigt und alles zerstört wird

Wien Westbahnhof
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Eine junge Mutter aus Syrien sagte am Westbahnhof zu mir: "Was kann ich dafür, dass ich in einem Land geboren wurde, wo gemordet, entführt, vergewaltigt und alles zerstört wird."WIEN, PABNEUKIRCHEN. Eine Mutter hält ihr Baby in der Hand. Sie sitzt am Gang beim Hauptschalter der ÖBB. Ihre zwei weiteren Kinder hüpfen am Gang. Der Vater hält Ausschau nach Bekannten. Das Baby der Syrerin müsste schon längst gewickelt werden. Eine Iranerin kommt auf das Ehepaar mit den drei Kindern zu und will helfen. Das Problem: Die Iranerin spricht perfekt Deutsch, Englisch und Persisch. Die syrische Familie spricht Arabisch und wenig Englisch. Hier hilft das Handy beim Übersetzen. Die Familie will weiter nach Deutschland. Alle wollen nach Deutschland. Heute sind 6.500 Flüchtlinge in Wien angekommen. „Nur zehn oder zwölf haben um Asyl angesucht“, erzählt mir ein Polizist am Westbahnhof.
Jetzt weiß ich, was die fünfköpfige Familie will: Sie will weiter nach Hamburg. Wenn alles gut geht, können sie in drei Tagen mit der Bahn nach Deutschland.


Der Engel vom Westbahnhof

Aber wo bleibt die fünfköpfige Familie über Nacht? Diese Frage belastet sie nicht mehr. Irgendwo wird ein Platz sein. So war es schon in den vergangenen Wochen. Wichtig ist einmal, das Baby trocken zu bringen. Da kommt ein wahrer Engel. Eine ältere Frau, sie sammelt im Auftrag der Caritas Spenden am Westbahnhof. Sie sagt zu mir: Für die drei Kinder und die Mutter gibt’s einen eigenen Raum einen Stock höher. Da kann das Kind gewickelt werden, Kinder können spielen, bekommen zu essen. Kommen Sie mit.“ Das alles der syrischen Familie zu erklären, war nicht leicht. Die Mutter wollte anfangs nicht mitgehen, da ihr Mann den Platz nicht verlassen kann. Er wartet auf Bekannte. Telefon haben sie keines. Daher muss man immer beisammen bleiben.

ÖBB-Vip Lounge als Kinderecke

Einen Stock höher ist die Vip-Lounge der ÖBB. Diese ist jetzt umfunktioniert in den Kids Corner. Ein buntes Treiben. Spielende Kinder, Mütter die ihre Kinder füttern, wickeln, mit ihnen spielen. Auch die syrische Mutter mit ihren drei Kindern ist mitten drinnen.
Ich schaue mich am Westbahnhof um. Nehme mir ja fast einen ganzen Tag Zeit. Helfe, wo ich gebraucht werde. Ich komme auch in die abgesperrten Teile. Die Erste Hilfe Station funktioniert großartig. Sehe wie verkühlte Kinder liebevoll behandelt werden. Die Caritas ist allgegenwärtig. Sie verteilt am Bahnsteig Wasser, Obst, Knabber-Gebäck usw. Hunderte warten wieder am Bahnsteig. Der letzte Zug für heute geht nur bis Linz. Salzburg ist überfüllt.

12Jährige ohne Eltern
Erst jetzt fallen mir die Plakate auf: 12 Jahre, Nur, ich bin hier ganz alleine ohne Eltern…Nur liebt und vermisst ihre Mutter…Alle Kinder sind gleich…Hier kann endlich mein Kind wieder Kind sein…Ich und meine Schwester sind fast zweimal ertrunken…Wollen wir Schulfreunde sein…
Obwohl sich so viele Menschen am Westbahnhof aufhalten, geht es still und leise zu. Ich sehe wieder den „Engel“ vom Westbahnhof. Ich frage die ältere Dame, warum sie für die Caritas sammelt:“…Ich konnte nicht mehr lachen, als ich von dem sah und hörte.“ Seit Wochen sammelt sie jetzt Spenden. Als wir so plauderten, kommen immer wieder Leute und geben Geld in die Box. Als eine junge Frau mit einem Lächeln gleich 100 Euro hineinwarf, sah ich, dass die alte Dame wieder lächeln kann.

Die Überraschung

Als ich spät am Abend zu meinem Zug ging, winkten mir Flüchtlinge zu. Ich stieg nicht ein. Eine größere Gruppe von Flüchtlingen verließ den Westbahnhof. Die Familie mit den drei Kindern, die ich am Nachmittag traf, winkt mir. Ich ging zu ihnen. Die drei Kinder waren neu eingekleidet. Das Baby schlief in einem Kinderwagen. Der Vater sagte mir, dass sie jetzt in ein Quartier gehen und schon eine Bahnkarte nach Deutschland haben.

Was kann ich dafür

Eine Feststellung beschäftigte mich bei der Heimfahrt: Eine junge Mutter aus Syrien sagte zu mir: "Was kann ich dafür, dass ich in einem Land geboren wurde, wo gemordet, entführt, vergewaltigt und alles zerstört wird. Was kannst Du dafür, dass Du in einem wunderbaren Land geboren wurdest."

Meine Schlussgedanken: So lange Leute nicht die Möglichkeit haben, in ihrem Land friedlich zu leben, wird es Flüchtlinge geben. Auch Zäune können das nicht verhindern. Wenn Europa in Westafrika Fischereirechte aufkauft und die Einheimischen keine Fische mehr fangen können, werden auch diese Völker zu uns kommen. Wenn man in Afrika Elendsviertel mit Schubraupen einebnet, darauf Luxuswohnviertel für Superreiche errichtet, dann kommen auch diese Leute zu uns…Wenn Europäer, Chinesen landwirtschaftliche Flächen in Afrika aufkaufen und den Kleinbauern die Lebensgrundlage wegnehmen, dann kommen diese Leute zu uns…

Mein Eindruck: ÖBB, Polizei und NGOs leisten großartige Arbeit am Westbahnhof. Viele Freiwillige helfen unermüdlich. Besonders aufgefallen sind mir die Caritas im ganzen Westbahnhof-Areal und die Helfer im Kids Corner.

Wussten Sie: In den Jahren 1875 bis 1919 wanderten aus der Österreichischen-Ungarischen Monarchie fast vier Millionen Menschen aus...
In den vergangenen zehn Jahren sind durchschnittlich zwischen 20.000 und 25.000 Österreicher pro Jahr weggezogen - vor allem nach Deutschland, in die Schweiz, die Türkei (durch Rückzug eingebürgerter Gastarbeiter im Pensionsalter), nach Nordamerika und Großbritannien. (Quelle ORF).


500 Kinder getötet

Bei den Kämpfen im Jemen sind laut Angaben der Vereinten Nationen (UNO) seit März mehr als 500 Kinder getötet und über 700 weitere verletzt worden. 1,7 Millionen Minderjährige seien durch Mangelernährung gefährdet, teilte das UNO-Kinderhilfswerk (UNICEF) heute in Genf mit.

606 Kinder, viermal so viele wie im vergangenen Jahr, seien von den Konfliktparteien als Soldaten zwangsrekrutiert, bewaffnet oder an Kontrollposten eingesetzt worden. (ORF). http://orf.at/#/stories/2302144/

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