Befreiungsfeiern: Appell an die Menschlichkeit
Wer Menschen ihre Menschlichkeit raubt, öffnet die Tore für jene beispiellose Barbarei, derer Österreich in der ersten Maihälfte gedachte . Wie erschreckend die Parallelen zu vielen der gegenwärtigen Konflikte und dem Umgang damit sind, vermittelten die Wortmeldungen bei den Befreiungsfeiern in der Region mehr als eindringlich.
Eine Auseinandersetzung mit den menschlichen Abgründen von gestern, aber auch mit den nicht minder intensiven humanitären Herausforderungen von heute boten die internationalen Gedenkfeiern an der Stollenanlage Bergkristall in St. Georgen an der Gusen, am Memorial des KZ Gusen und im KZ Mauthausen. Licht und Schatten lagen über diesem Wochenende, zu dem wenige noch lebende Opfer, viele ihrer Angehörigen und tausende junge Menschen aus mehr als 20 Staaten auf ihrer Gastgeber und die heimische Politik trafen.
Zweifellos zum Licht zählt das unvoreingenommene, herzliche Aufeinanderzugehen. Etwa die Schüler verschiedenster Länder, die schon mehrere Tage vorher angereist waren und mit ihren österreichischen Kollegen nicht nur die geschichtliche Auseinandersetzung sondern auch die vielfältigen Freuden junger Leute teilten. Oder das große Engagement für die vielen Flüchtlinge in den drei Gemeinden und die Zivilcourage ihrer Helfer, die jenes verantwortungsbewusste Handeln, welches in vielen Politikerreden als Vorbeugung für das "Nie mehr wieder" gefordert wird, auch für ihre Schützlinge einforderten.
Appelle zu Wachsamkeit und Zivilcourage
"Die Schatten des Vergangenen reichen bis ins Jetzt und sie wachsen wieder. Stehen wir gemeinsam dagegen auf!" Diese eindringliche Botschaft wurde mehr als einmal von Besuchern wie Einheimischen formuliert. Es macht betroffen, wenn Zeitzeugen die schleichende Entmenschlichung, zuerst in Worten, dann in Taten Einzelner, dann als Staatsterror vor 80 Jahren beschreiben. Und es beschämt, dann - etwa in der Festrede von SOS Menschenrechte-Vorsitzendem Günther Trübswasser beim Gedenkakt in Gusen - eine Zusammenfassung herabwürdigender, und polemisierender Äußerungen hochrangiger heimischer Politiker über Flüchtlinge zu hören. Von deren pauschaler Darstellung als Sozialschmarotzer über Asylunterkünfte als "Saustall" und die "Konzentrierung von Flüchtlingen in Lagern" bis zum völlig unverständlichen Abschieben bestens integrierte Menschen, die Helfer, Gemeinden und Firmen gleichermaßen vor den Kopf stößt. Es war völlig still, als ein junger Afghane aus St. Georgen und ein Syrer aus Langestein in fließendem Deutsch ihre Flucht, Hoffnungen und Ängste schilderten - dankbar, ohne anzuklagen, aber voller Zukunftssorgen. Und es beeindruckte, als Gäste wie Einheimische, Junge und Alte gleichermaßen spontan aufstanden und den beiden minutenlang applaudierten. Sicher einer der stärksten Momente, die aus gemeinsamem Gedenken tiefe Verbundenheit entstehen ließ.
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