Detektivische Meisterleistung
Historische Aufzeichnungen eines "Vich und Leit-Doktors" entschlüsselt
SAALFELDEN. Mit detektivischem Fingerspitzengefühl ging Peter Kohlbacher an die schwierige Aufgabe heran, das Rätsel eines alten Buchfragments zu lösen. Die Niederschrift war von Christine Nöbauer vor Jahren aus einem Haufen Bauschutt gerettet worden und harrte seither darauf, entschlüsselt zu werden. Aufwändige Recherchen ergaben nun, dass es sich um eine historische Sammlung von Koch- und Heilrezepten handelt. "Das war eine spannende Sache, denn das Buch befand sich in sehr schlechtem Zustand, große Teile davon konnten nicht mehr gerettet werden", schildert Kohlbacher. "Die Suche nach dem Autor ist nicht glatt verlaufen, ich bin immer wieder auf Irrwegen gelandet. Eine falsche Fährte kostete mich viel Zeit." Das mühevolle Stöbern in Archiven, der akribische Vergleich von Handschriften und altem Papier machte sich schließlich bezahlt: Als Verfasser der Schrift konnte Bartholomäus Neumayr identifiziert werden, der von 1784 bis 1803 Wirt vom Gasthof Neuwirt in Piesendorf war und sich auch als "Vich und Leit-Doktor" bezeichnete.
Tatort Küche
Kohlbacher hat nun gemeinsam mit Nöbauer ein Buch herausgebracht, in dem detailliert die historischen Umstände, unter denen das Werk entstanden ist, beschrieben werden. Die noch erhaltenen Rezepte sind originalgetreu angeführt. "Es gibt keine Mengenangaben, und es wird auch nicht angeführt, für wie viele Personen das Rezept reicht. Diese Kenntnisse wurden offensichtlich vorausgesetzt", erläutert Nöbauer.
Durchaus seltsame Kochpraktiken werden beschrieben, darunter die Herstellung quasi gefälschter Gerichte. So wird einem Geißenschlögel ein "gämbsfueß" angeflickt und dann als Gamsschlögel zubereitet. Das gleiche Verfahren wurde auch bei Lamm angewendet, dem ein Rehfuß transplantiert wurde. Bei einem dieser trickreichen Rezepte findet sich sogar der Hinweis, dass das nicht leicht jemand merkt. Die Aufzeichnungen gewähren zudem interessante Einblicke in damalige Kochtechniken: welches Holz und welche Geräte verwendet wurden, wie man die Temperatur steuern konnte etc.
"Heilende" Rezepte?
Was die Heilrezepte betrifft, gehen die Autoren davon aus, dass der Wirt sie verkauft hat. Kohlbacher rät: "Finger weg!" Es werden z. B. Wundsalben mit Schwermetallen wie Blei hergestellt, was damals eine gebräuchliche Rezeptur war, und auch Schießpulver verwendet. "Das wurde im guten Glauben gemacht, die Volksheilkunde arbeitet mit solchen Methoden", sagt Nöbauer. Es werden auch Anregungen gegeben, wo die Zutaten am Besten gekauft werden können, und was sie kosten.
Nöbauer hat das Werk vor der Vernichtung gerettet und damit interessante historische Aufzeichnungen bewahrt. Ohne die unglaublich hartnäckige Recherche von Kohlbacher wären diese aber für die Nachwelt nicht mehr zugänglich. Ihm ist es zu verdanken, dass die Schrift entschlüsselt wurde. Geheimschriften hätten ihn immer schon fasziniert, erklärt der gelernte Elektrotechniker. "Ich hab' mich aber sehr geplagt mit diesen Aufzeichnungen, weil vieles ja auch kaum noch verständlich ist. 'Zuggers nach belieb oder noch Turfft' bedeutet z. Bsp. soviel wie 'Zuckern nach Bedarf'."
Präsentation des Werkes
Das Buch "Zwischen Kochtopf und Drudenfuß. Die Entdeckung einer Handschrift aus dem Pinzgau des 18. Jahrhunderts" wird von den Autoren Peter Kohlbacher und Christine Nöbauer am 19. Oktober um 19.30 Uhr im Museum Schloss Ritzen in Saalfelden präsentiert.
Am 14. November wird es um 19 Uhr im Samerstall in Niedernsill vorgestellt.
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