Erfolgreiches Projekt

Spanische Pflegeschüler beenden Ausbildung erfolgreich

Um den Fachkräftemangel im Pflegebereich zu kompensieren, wurde im Bezirk Reutte vor zwei Jahren das "Spanier-Projekt" ins Leben gerufen. Letzten Freitag konnten die SchülerInnen nun ihre Abschlusszeugnisse entgegennehmen.

REUTTE. Es war ein gewagtes Experiment mit unklarem Ausgang, das im Herbst 2019 von den 37 Gemeinden des Bezirks gestartet wurde: Der Gemeindeverband Bezirkspflegeheim, der Träger des Wohn- und Pflegeheims „Haus Ehrenberg“, gab den Startschuss für das „Spanier-Projekt“. Auf der Suche nach neuen Mitarbeiter/innen in der Pflege beschloss man die Fühler auch ins Ausland auszustrecken. In enger Zusammenarbeit mit der Regionalentwicklung Außerfern wurde eine Agentur in Spanien damit beauftragt, Jugendliche anzuwerben, die angesichts der hohen Jugendarbeitslosigkeit ihr Glück im Ausland suchen und eine Pflegeausbildung im Außerfern absolvieren wollten.

Von der Sonne Spaniens in den Außerferner Winter

Nach Bewerbungsgesprächen mit Dolmetscher via Skype einigten sich Pflegedienstleiterin Katharina Storf und Heimleiter Stephan Mayr vom Haus Ehrenberg sowie Pflegedienstleiter Joachim Pürstl vom Seniorenzentrum Reutte auf zehn Bewerber/innen, nämlich acht junge Damen und zwei Herren im Alter zwischen 18 und 28 Jahren. Diese setzten sich nach einigen Monaten Vorbereitung im November 2020 unter der spanischen Sonne in den Flieger, um wenige Stunden später im Außerferner Schneegestöber einzutreffen.

Denkbar schwierige Startbedingungen

Neben den klimatischen Gegebenheiten machten auch der damals herrschende strenge Corona-Lockdown, eine bald folgende Quarantäne und die begrenzten Sprachkenntnisse die ersten Wochen zu einer großen Herausforderung. Von der Organisation der Wohnsituation über Arztbesuche bis hin zu Behördengängen mussten zahlreiche Aufgaben in Angriff genommen werden. Nach wenigen Tagen wurden die Spanier/innen auch bereits als Mitarbeiter/innen in die Teams im Haus Ehrenberg bzw. im Seniorenzentrum integriert. Neben der Arbeit wurde ein intensiver Deutschkurs organisiert, um die Sprachkenntnisse weiter zu optimieren.

Unschätzbare Unterstützung

Gerade in der Zeit der Pandemie waren die zusätzlichen Arbeitskräfte eine unschätzbare Unterstützung für das Pflegeteam und die Heimbewohner/innen.

„Ohne sie hätten wir diese unglaublich schwierige Zeit niemals so gut bewältigen können“,

 ist sich Pflegedienstleiterin Storf sicher. Naturgemäß zeigte sich aber in den folgenden Monaten auch, dass sich der Neuanfang fernab der Heimat nicht für alle als dauerhaft richtige Entscheidung erwies. Der eine oder die andere scheiterte an den großen Herausforderungen und kehrte nach Spanien zurück. Diejenigen, die sich durchkämpften, können jetzt aber ihre wohlverdiente Belohnung in Form der Abschlusszeugnisse in Empfang nehmen.

„Wie ein Vater um seine Kinder“

Dass etwa Jonathan Súri Valdes bereits im April 2021 in die Ausbildung zur Pflegeassistenz starten konnte, bald darauf sogar zum Klassensprecher gewählt wurde und anlässlich der Abschlussfeier der Pflegeschule in der Wirtschaftskammer eine unterhaltsame Rede hielt, zeugt von der beeindruckenden Entwicklung, die in der Zeit seit 2020 passiert ist. Dass er in dieser Rede davon sprach, dass sich die Leitung im Haus Ehrenberg und das Schulteam um Direktor Peter Mittermayr um ihn und seine Kolleg/innen gekümmert hätten „wie ein Vater um seine Kinder“, sorgte für Rührung im Publikum.

„In den ersten Monaten hat es sich wirklich manchmal so angefühlt, als hätte man plötzlich zwölf Kinder zu betreuen statt nur die zwei eigenen“,

unterstreicht auch Heimleiter Mayr den großen Aufwand, den das Pilotprojekt anfänglich mit sich brachte.

„Meine Heimat ist Tirol“

Dass sich dieser Aufwand gelohnt hat, steht heute außer Zweifel. In einer stimmungsvollen Zeremonie bekamen am 9. September bereits drei Spanier/innen ihre Zeugnisse als fertig ausgebildete Pflegeassistent/innen überreicht. Zwei weitere werden in den nächsten Tagen folgen. Das Haus Ehrenberg kann mit Stolz und Freude vermelden, dass ab Oktober drei neue Mitarbeiter/innen im Haus begrüßt werden können, die ihre neu erworbenen Fähigkeiten gepaart mit südländischem Temperament zum Wohl der Bewohner/innen einbringen werden. Und so beendete Jonathan Súri Valdes seine Ansprache nach einem überschwänglichen Dank an alle Beteiligten im Gemeindeverband, in der Pflegeschule und im Haus Ehrenberg mit den überzeugten Worten „Meine Heimat ist Tirol“.

Ein Erfolg, der Mut macht

Angesichts des erfolgreichen Abschlusses soll das Projekt keine Eintagsfliege bleiben. Der Ausbau der bestehenden Pflegeheime, der sowohl in Ehenbichl als auch in Reutte in vollem Gang ist, ist angesichts der demographischen Entwicklung im Bezirk eine wichtige Investition in die Zukunft, bedeutet aber auch einen weiter steigenden Bedarf an Fachkräften. Somit werden sich die Vertreter/innen der Pflegeeinrichtungen und des Campus Gesundheit bald wieder zusammensetzen, um über eine Fortsetzung des Projekts zu beraten.

Grünes Licht vom Gemeindeverband

Der Gemeindeverband Bezirkspflegeheim gab bereits grundsätzlich grünes Licht für weitere Planungen. „Dass die Bürgermeister/innen der Verbandsgemeinden uns in unserem Bemühen um neue Arbeitskräfte so tatkräftig unterstützen, ist ihnen hoch anzurechnen und alles andere als selbstverständlich“, so Heimleiter Mayr und Pflegedienstleiterin Storf unisono. Den politischen Verantwortungsträger/innen ist die Bedeutung der Pflege im Bezirk absolut bewusst, und die Verbesserung der Rahmenbedingungen ist ihnen ein wichtiges Anliegen.

Der nächste Flieger aus Spanien könnte also bald abheben…