Holz in Tirol
Unser Wald leidet unter dem Klima

Vor etwas mehr als einem Jahr, im Jänner 2018, sorgte ein Sturm für diese Schäden in Häselgehr. | Foto: Walch
8Bilder
  • Vor etwas mehr als einem Jahr, im Jänner 2018, sorgte ein Sturm für diese Schäden in Häselgehr.
  • Foto: Walch
  • hochgeladen von Günther Reichel

Der Klimawandel setzt unserem Wald zu. Bezirksforstinspektor Josef Walch erklärt die Auswirkungen.

Die Temperaturen steigen

Die letzten vier Jahre waren die wärmsten Jahre seit dem Beginn der Temperaturaufzeichnungen. In den letzten 100 Jahren hat die Durchschnittstemperatur weltweit um 1 Grad Celsius zugenommen. In den Alpen erreicht die Klimaerwärmung schon die 2 Grad-Marke. Und wir stehen erst am Anfang dieser Erwärmung. Ein Anstieg der Jahresmitteltemperaturen zwischen 2 und 6 Grad - je nach Art und Umfang der Gegenmaßnahmen - wird von namhaften Klimaforschern erwartet. Die deutlichsten Anzeichen dieser Erwärmung sind die abschmelzenden Polkappen, der Anstieg der Meeresspiegel und der Rückgang der Gletscher. Große Sorge bereitet die Zunahme von Witterungsextremen wie orkanartigen Stürmen, Starkniederschlägen oder Hitzewellen.

Treibhausgase als Ursache

Verursacht wird die weltweite Erwärmung durch den nach wie vor ungebremsten Ausstoß an Treibhausgasen. Die Eiszeiten und Wärmezeiten, die in erdgeschichtlichen Zeiträumen immer wieder auftraten, lassen sich sehr gut mit den Schwankungen des Kohlendioxidgehaltes in der Luft erklären. Seit dem Beginn der industriellen Revolution hat der Verbrauch an fossilen Energieträgern um ein Vielfaches zugenommen. Die schrankenlose Verbrennung der fossilen Brennstoffe Erdöl, Kohle und Gas hält unvermindert an. Durch den nach wie vor ungebremsten Ausstoß von Treibhausgasen wird das Klima angeheizt. Noch nie war der Kohlendioxidgehalt in der Luft jedoch so hoch wie heute. Derzeit verbrennt die Menschheit weltweit jeden Tag eine Erdölmenge von 15 Mrd. Litern, das entspricht einem Güterzug mit Tankwaggons mit einer Länge von rund 9.000 km. Dieser Zug würde von Wien bis nach New Orleans reichen. Dazu kommen 22 Millionen Tonnen Kohle und 8 Milliarden m³ Erdgas, die täglich verbraucht werden. Große Sorgen für die Zukunft bereitet vor allem die Geschwindigkeit, mit der die derzeitige Klimaveränderung im Vergleich zu früheren Veränderungen abläuft.

Folgen des Klimawandels

Die vom Menschen verursachten Klimaveränderungen wirken sich auf das gesamte Leben, auf alle Lebensräume und Lebensgemeinschaften aus. Der Klimawandel hat damit auch weitreichende Auswirkungen auf unser Leben, unsere Gesundheit und unsere Ernährung. So nimmt z. B. die Zahl der Todesfälle durch Hitze auch in Österreich zu. Zu den Wirtschaftszweigen, die besonders vom Klimawandel betroffen sind, zählt die Land- und Forstwirtschaft. Nicht alles in diesem Bereich ist negativ einzustufen, in Summe überwiegen aber die negativen Auswirkungen sehr deutlich.
Positiv wirkt sich die Erwärmung auf das Pflanzenwachstum aus. Mit der Verlängerung der Vegetationszeiten und dem höheren Wärmeangebot wird das Baumwachstum angekurbelt. Die Holzvorräte im Wald nehmen zu. Mit dieser Erwärmung wandert auch die Waldgrenze im Gebirge nach oben. Negativ wirken sich höhere Temperaturen in Verbindung mit längeren Trockenperioden aus. Hier kommt es bei Baumarten, die gegenüber Trockenheit empfindlich sind, zu Vitalitätsverlust oder Ausfällen. Bei diesen Temperaturen ist im Wald auch mit einer stärkeren Vermehrung von tierischen Schädlingen und mit einem deutlich höheren Borkenkäferbefall zu rechnen. Mit der Häufung von starken Stürmen steigt das Katastrophenrisiko im Wald. Eine Zunahme der Schäden durch Windwürfe ist bereits jetzt zu verzeichnen, ein weiteres Ansteigen der Schadholzmengen ist zu befürchten. In den letzten Jahren kann auch eine Zunahme von heftigen Gewittern mit Starkniederschlägen beobachtet werden. Mit diesen Unwettern steigt die Gefahr von Bodenerosion, Muren und Hochwässern.

Fichte ist besonders gefährdet

Vor allem die Fichte, der „Brotbaum“ der Forstwirtschaft, ist durch den Klimawandel zunehmend gefährdet. Sie kann mit ihrem flachen Wurzelwerk den starken Stürmen viel weniger standhalten als tiefwurzelnde Baumarten. So erreicht sie auch das tiefer im Boden vorhandene Wasser nicht und kommt bei längeren Trockenperioden unter Stress. In den tieferen Lagen nehmen bei der Fichte die Schäden durch Schädlingsbefall dramatisch zu. Allein im benachbarten Bayern waren im letzten Jahr rund 4 Millionen Festmeter Schadholz durch Borkenkäferbefall zu verzeichnen. Die in regelmäßigen Abständen im österreichischen Wald durchgeführten Waldinventuren belegen bereits jetzt, dass sich die Baumartenzusammensetzung verschiebt. Der Anteil der Fichte nimmt ab, der Anteil der Buche und Eiche nimmt zu. Die Wissenschaft rechnet mit dem Ausfall der Fichte in den Tieflagen unterhalb einer Seehöhe von 600 Metern in den nächsten Jahrzehnten.

Gegensteuern und Anpassen

Zum Einbremsen der Erderwärmung ist eine radikale Reduktion der Treibhausgase notwendig. Deutliche Energieeinsparungen und die Umstellung von Öl, Kohle oder Gas auf erneuerbare Energieträger, vor allem auf den verstärkten Einsatz der Sonnenenergie, müssen in den nächsten Jahrzehnten gelingen. Nur mit großen Anstrengungen, mit einer Abkehr vom Zwang zum ständigen Wirtschaftswachstum, nur mit einer gewissen Änderung unserer Lebensgewohnheiten und unseres Mobilitätsverhaltens werden wir die notwendigen Klimaziele erreichen.
Gleichzeitig ist es notwendig, dass in allen vom Klimawandel betroffenen Bereichen Anpassungsstrategien entwickelt werden. Vor allem in der Forstwirtschaft, die in langen Zeiträumen denkt und mit ca. 100-jährigen Umtriebszeiten rechnet, müssen aktiv Maßnahmen ergriffen werden, die den Klimawandel berücksichtigen. Bei der Aufforstung ist eine deutliche Erhöhung des Mischbaumartenanteiles anzustreben. „Klimafitte“ Baumarten wie Weißtanne, Lärche, Buche, Stiel- und Traubeneiche, Bergahorn etc. müssen verstärkt eingebracht und gefördert werden. Die Jagd muss dazu beitragen, dass diese Baumarten auch aufkommen können. Eine Reduktion der derzeit überhöhten Wildstände muss soweit gelingen, dass die verbissempfindlichen Mischbaumarten auch in den Bestand einwachsen können.

Verstärkte Waldpflege

Zur Erzielung möglichst stabiler Waldbestände ist eine verstärkte Waldpflege notwendig. Durch eine rechtzeitige Stammzahlreduktion, durch das Herauspflegen der Mischbaumarten und durch eine entsprechende Auslichtung wird das Aufwachsen standfester Bäume gefördert.
Der Pflege der Schutzwälder und der Erhaltung der Schutzfunktion kommt in den nächsten Jahren in einem Gebirgsland wie Tirol höchste Priorität zu. Zur Vermeidung von Erosionen und zur Erhöhung des Wasserrückhaltevermögens sind möglichst gut geschlossene Waldbestände am besten geeignet. Mischwaldbestände mit einem entsprechenden Anteil an tiefwurzelnden Baumarten können Stürmen am besten widerstehen. Zur Vermeidung von größeren Borkenkäferschäden ist eine saubere Waldwirtschaft erforderlich. Vom Borkenkäfer befallene Bäume müssen möglichst rasch aus dem Wald entfernt oder zu einem Zeitpunkt entrindet werden, in dem sich der Borkenkäfernachwuchs noch im Larvenstadium befindet. Bei längeren Trockenperioden ist ein hohes Waldbrandrisiko gegeben. Hier sollten alle, die im Wald arbeiten oder sich im Wald zu Erholungszwecken aufhalten, entsprechende Vorsicht im Umgang mit Feuer oder Zigaretten walten lassen.

Ausblick

Die Bewältigung des Klimawandels ist eine große Herausforderung für die Menschheit. Ein Umdenken in allen Bereichen und eine radikale Reduktion des Co2-Ausstosses sind zur Begrenzung der Erderwärmung notwendig. Jeder Einzelne kann in seinem Bereich einen Beitrag zum Schutz des Klimas leisten. Wenn wir rasch handeln, kann es uns noch gelingen unseren Kindern eine lebenswerte Welt zu hinterlassen.

Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Folge uns auf:

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.