Wolfgang Pirker, Gründer der Rieder Grünen
"Nach Tschernobyl folgte eine unglaublich intensive Zeit!"

Aktion gegen Atomkraft in Ried: Noch vor Tschernobyl, am 24. Jänner 1986, rollten Wolfgang Pirker und weitere Grüne in weissen Schutzanzügen mehrere "Atomfässer" durch Ried. Ihr Ziel: auf die Bedrohung durch die geplante Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf in Bayern aufmerksam zu machen.  | Foto: Pirker
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  • Aktion gegen Atomkraft in Ried: Noch vor Tschernobyl, am 24. Jänner 1986, rollten Wolfgang Pirker und weitere Grüne in weissen Schutzanzügen mehrere "Atomfässer" durch Ried. Ihr Ziel: auf die Bedrohung durch die geplante Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf in Bayern aufmerksam zu machen.
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RIED. Vor 35 Jahren, am 26. April 1986, ereignete sich im Reaktor-Block vier die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl. Wir haben mit dem Gründer der Rieder Grünen, Wolfgang Pirker, die Zeit zurückgedreht und über damals gesprochen.

Herr Pirker. Ein Jahr vor Tschernobyl waren sie als erster "Grüner" im Rieder Gemeinderat, richtig?
Pirker: Das stimmt, allerdings hießen wir zu dieser Zeit noch "Grün-Alternative Liste", kurz GAL. Ried war damals die erste Gemeinde in Oberösterreich, die sich am 31. Jänner 1986  per Gemeinderatsbeschluss gegen die WAA Wackersdorf, eine geplante Wiederaufbereitungsanlage für abgebrannte atomare Brennstäbe in Bayern, ausgesprochen hatte.  Vor diesem Beschluss haben wir von GAL am 21. Dezember 1985 an einer Demonstration gegen Wackerdorf teilgenommen und wurden mit Wasserwerfern und Gummiknüppeln "begrüßt".

Gab es damals auch in Ried Aktionen gegen die WAA Wackersdorf?

Ja, im Dezember 1985 luden wir von der GAL mit anderen Aktivisten zu Schweigekreisen. Am 24. Jänner 1986 ging es dann lautstark zu. Wir haben in weissen Schutzanzügen mehrere "Atomfässer" durch Ried gerollt, um auf die Bedrohung aufmerksam zu machen. Tschernobyl hatten wir damals gar nicht im Visier. Das änderte sich am 26. April 1986. 

Welche Konsequenzen brachte die Katastrophe von Tschernobyl für die Grünen mit sich?
Zuerst passierte kurzzeitig gar nichts, denn wir waren total überrascht und überrumpelt. Dann folgte eine unglaublich intensive Zeit mit vielen Aktionen. Die Atomkraft war ab diesem Zeitpunkt jahrelang ein wichtiges Thema für uns. Am 28. Juni gab es zum Beispiel eine große Demonstration in Regensburg. Der damalige bayerische Innenminister Karl Hillermeier hat gegen österreichische Protestteilnehmer allerdings ein Einreiseverbot verhängt. Daher haben wir an diesem Tag den Autobahngrenzübergang in Suben mit einer Blockade gesperrt.

Was wollten Sie mit Ihren Aktionen bewirken?

Der Reaktorunfall in Tschernobyl war schon passiert, da konnten wir nichts mehr dagegen tun. Daher richtete sich unser Fokus auf die Verhinderung von Wackersdorf. Und all unser Widerstand hat sich gelohnt, die Wiederaufbereitungsanlage wurde erfolgreich verhindert. Nach Tschernobyl gab es seitens der Gemeinde auch eine Resolution an das Land OÖ und den Bund gegen das Atomkraftwerk in Temelin. Wir forderten ein Mitspracherecht hinsichtlich Atomkraftwerke in Nachbarstaaten. 

1986 waren Sie Lehrer in Waldzell. Können Sie sich noch erinnern, wie die Situation damals war?
Wir haben uns im Unterricht erstmals mit Radionukliden wie Cäsium, Jod oder Strontium auseinander gesetzt und die Kinder über die Bedrohung informiert.  Wir machten sie darauf aufmerksam, keine frische Milch zu trinken und nicht barfuß zu gehen. Vieles, was zuvor positiv war wie frisches Obst, Eier aus Freilandhaltung oder frisches Gemüse, war plötzlich eine Gefahr. 

Wie lange waren Sie politisch für die Grünen aktiv?

Bis 2001, also insgesamt 16 Jahre. Ich war erster Gemeinderat und auch erster Stadtrat der Grünen in Ried. 1991 hatten wir bereits drei Gemeinderatsmandate, 1997 schon vier. Im Jahr 2000 habe ich allerdings die Diagnose Parkinson erhalten und 2001 meine politische Tätigkeit beendet. Diese Entscheidung war absolut die richtige, denn es wäre mir alles zu viel geworden.

Hatten Sie aufgrund Ihrer Widerstandaktionen auch öfter Probleme mit der Polizei?

Ich habe nie eine Anzeige erhalten, auch bei der Sperre der Autobahn nicht. Allerdings stand ich unter Beobachtung. Das wurde mir klar, als ich einen RSA- Brief vom Innenministerium erhielt. Darin waren zahlreiche Aktivitäten aufgelistet , an denen ich teilgenommen hatte. Eine Strafe habe ich aber nie erhalten.

Zur Sache

  • Die Katastrophe von Tschernobyl hat tausende Tote, hunderttausende heimatlose Menschen und eine radioaktiv verseuchte Umwelt hinterlassen.
  • Oberösterreich hat eine Allianz der Regionen für einen europaweiten Atomausstieg initiiert und die Studie „Risiken von Laufzeitverlängerungen alter Atomkraftwerke“ in Auftrag gegeben.  Klima- und Umwelt-Landesrat Stefan Kaineder ist Koordinator der Allianz. 
    Die Studie ist unter www.nuclearfree.eu abrufbar.

Die Studie kommt zu folgenden Schlussfolgerungen: 

  • Die Technologie und Sicherheitskonzepte aller derzeit betriebenen europäischen Leistungsreaktoren sind veraltet.
  • Aufgrund der Alterung – das Durchschnittsalter der Atomkraftwerke in Europa beträgt etwa 35 Jahre – steigt das Risiko von Fehlfunktionen und Unfällen signifikant an.
  • Nachrüstungen können die Altanalagen nicht auf das für Neubauprojekte geforderte Sicherheitsniveau heben, und es fehlt eine Regulierung für Nachrüstmaßnahmen.
  • Generell besteht ein unzureichender Schutz gegen neue Risiken, insbesondere durch äußere Einwirkungen wie zum Beispiel Erdbeben, Flugzeugabstürze oder Überschwemmungen.
  • Die Studie widerlegt eindeutig den Bericht des Joint Research Centers (JRC) der Europäischen Kommission zur Taxonomie-Richtlinie, in der die Atomenergie als nachhaltig und ungefährlich eingestuft wird.
  • Die Allianz der Regionen fordert daher eine Begrenzung der Laufzeit und Abschaltung alter Atomreaktoren, konkrete und verbindliche technische Sicherheitsanforderungen und keine Einstufung der Atomenergie als „nachhaltig“ im Rahmen der EU-Taxonomie
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