"Mittelalterliches Gehabe ablegen": Im Bezirk Rohrbach steigen die Kirchenaustritte

Die Kirchgänger werden im Bezirk immer weniger. | Foto: Foto: A. Höller
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2018 traten im Bezirk Rohrbach zehnmal so viele Menschen aus der katholischen Kirche aus wie ein. BEZIRK (anh). 58.378 Personen verließen in Österreich im letzten Jahr die katholische Kirche. Dies bedeutet eine Steigerung von 8,7 Prozent. Dem gegenüber stehen lediglich 5.133 Menschen, die in die Kirche eingetreten sind. Auch im Bezirk Rohrbach steigen die Austritte: 285 Menschen haben der Kirche 2018 den Rücken gekehrt. "Das sind um 41 mehr als im Vorjahr", bestätigt Michael Kraml von der Diözese Linz. "Oft ist der Grund dafür, dass man die Kirche eigentlich nicht braucht", sagt Stadtpfarrer Alfred Höfler. Viele hätten sich schon lange von ihr entfernt und komme dann der Kirchenbeitrag ins Haus geflattert, sei dies oft der Anlass, gleich alles aufzugeben. "Denn wozu zahle ich, wenn ich den 'Verein' nicht brauche?", ergänzt Höfler. Manchmal würden aber auch konkrete, persönliche Verärgerungen eine Rolle spielen. "Wenn man sich zum Beispiel über einen kirchlichen Vertreter und den Umgang ärgert", so der Pfarrer. Auch Vorfälle, die die Kirche generell betreffen, zählt er zu den Motiven, wie etwa Missbrauchsfälle.

Strukturmodell präsentiert

Diesen "grundlegenden Wandel in Kirche und Gesellschaft" hat auch die Zentrale längst erkannt. Im Jänner präsentierte die Katholische Kirche daher ein neues Strukturmodell, das zeitgemäßere, territoriale Strukturen aufweisen soll. Ziel sei es, die qualitätsvolle Seelsorge im Ort weiterhin zu gewährleisten und gleichzeitig das Miteinander haupt- und ehrenamtlicher Mitarbeiter zu stärken und sie in der Verwaltung zu entlasten. Dies ermögliche eine Konzentration auf die Kernaufgaben und schaffe Raum für Innovationsprojekte. Diese würden dem Bedürfnis der Menschen nach einem differenzierteren Zugang zur Kirche Rechnung tragen. Bischof Manfred Scheuer betont: "Es geht um eine Diskussionsgrundlage. Fertige Lösungen gibt es nicht, weil Leben und Glauben anders funktionieren." Bis Juli wird der Entwurf bei 70 Treffen besprochen. Ein Beschluss könnte Ende des Jahres folgen. Welche Auswirkungen dieser auf den Bezirk hätte, lesen Sie im Bericht auf Seite 2 unten.
Nicole Leitenmüller, Regionskoordinatorin der Katholischen Jugend im Oberen Mühlviertel, würde eine Aufwertung der Ehrenamtlichen begrüßen und findet es gut, dass sich dadurch mehr Spielraum für Innovationen in den Pfarr-Gemeinden ergebe. "Positiv ist auch, dass die Kirche in der Nachfolge Jesu handelt, indem die Verantwortlichen hinausgehen und sich bewusst Zeit für die Seelsorgen nehmen. Hinhören, was die Menschen bewegt und dann Handlungsschritte setzen." Die Seelsorgeteams sieht sie hingegen kritisch: "In unserer schnelllebigen Zeit finden sich nur noch wenige, die sich längerfristig an etwas binden wollen. Da wird Überzeugungskraft gefragt sein", so Leitenmüller.

Lebensnahe Gestaltung

Trotzdem gebe es laut Höfler immer wieder Menschen, die sich – unabhängig davon, ob sie katholisch sind oder nicht – in Projekten der Pfarre engagieren. Die Neuzugänge haben sich in den letzten zwei Jahren bei knapp 30 jährlich eingependelt. Die Kirche hätte laut dem Stadtpfarrer immer etwas zu bieten – vor allem in den Bereichen Orientierung und Lebenshilfe. Es ginge um Fragen wie: Wie finde ich zu einem erfüllten, zufriedenen Leben? Wie entdecke ich meinen Selbstwert? Wie kann mein Leben trotz Bedrohung oder Tod einen Sinn haben? "Die Frage ist nur, wie wir die Menschen erreichen. Unsere Sprache wird oft nicht mehr verstanden und unser Einfühlungsvermögen kommt nicht zum Tragen, wenn wir die wahren Sorgen, Fragen und Interessen nicht kennen", erläutert der Pfarrer. Oft würden zudem die falschen Themen angesprochen werden, die die Menschen nicht berühren. Die Kirche solle sich auch im Bild nach außen ändern. "Wir müssen unser mittelalterliches Gehabe ablegen. Besonders die Liturgie soll in zeitgemäßer Sprache, Musik und Form gestaltet werden. Die Kirche muss nahe an den Menschen sein, in einer dienenden und nicht bevormundenden Funktion", betont Höfler.

Aus drei Dekanaten werden zwei Pfarren

Der künftige Plan sieht die derzeitigen Pfarren weiterhin als selbstständige Einheiten, sie werden jedoch umbenannt in Pfarr-Gemeinden. Ausgehend von den ihnen bisher 39 übergeordneten Dekanaten werden rund 35 Pfarren gebildet, von denen jede aus durchschnittlich 14 Pfarr-Gemeinden besteht. Auch künftig sind diese selbstständig und haben eine eigenständige Vermögensverwaltung. Geleitet werden sie von Seelsorgeteams, denen Priester, hauptamtliche Seelsorger und Ehrenamtliche angehören. Jede Pfarrgemeinde hat eine hauptamtliche Ansprechperson bzw. Begleitung und einen Priester für die spezifisch priesterlichen Dienste. Die Pfarren werden von einem Pfarrvorstand geleitet, der sich aus dem Pfarrer als Gesamtleiter und zwei Vorständen für pastorale und wirtschaftliche Angelegenheiten zusammensetzt. Für den Bezirk Rohrbach würde dies folgendes bedeuten: Die derzeit 34 Pfarren, die noch den drei Dekanaten Altenfelden, Sarleinsbach und St. Johann angehören, würden auf zwei Pfarren mit jeweils 18 bzw. 13 Pfarr-Gemeinden aufgeteilt. St. Martin, St. Veit und Niederwaldkirchen würden mit weiteren Pfarr-Gemeinden aus dem Bezirk Urfahr-Umgebung eine eigene Pfarre bilden.

Zur Sache

• In Österreich gehören 5,05 Millionen Menschen der katholischen Kirche an. Im Bezirk Rohrbach sind es 49.317.
• Wer austreten will, gibt dies auf der Bezirkshauptmannschaft bekannt. Die Pfarre wird informiert. Der Austretende bekommt einen Brief vom Bischof, mit dem Angebot, sich den Schritt nochmals zu überlegen. Erfolgt darauf innerhalb von drei bis vier Wochen keine Rückmeldung, nimmt die Pfarre Kontakt auf, um die Gründe abzuklären. Geht es um den Kirchenbeitrag, können Lösungen bei der Beitragsstelle gesucht werden. Es besteht noch die Möglichkeit, den Schritt rückgängig zu machen.
• Eintreten kann man nach Gesprächen in der Pfarre oder bei einem Seelsorger. Vor dem Seelsorger und zwei Zeugen kann so etwa in kleinem Kreise das Glaubensbekenntnis abgelegt und unterschrieben werden. Es folgt die Meldung an die Diözese.

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