"Die heile Welt ist am Bröckeln"
Nedzad Mocevic von der Beratungsstelle Extremismus über Prävention und aktuelle Entwicklungen.
SALZBURG (lg). Ist Extremismus "salonfähig" geworden und wie kann man extremistischen Verhaltensweisen begegnen? Dazu organisieren das Friedensbüro, St. Virgil und andere Salzburger NGOs von 28. bis 30. November eine Tagung, in der gemeinsam mit Experten Antworten auf die aktuellen Entwicklungen gesucht werden. Einer der Vortragenden ist Nedzad Mocevic von der Beratungsstelle Extremismus in Salzburg.
Schaut man sich die aktuellen Entwicklungen an, bekommt man das Gefühl, dass der Extremismus allgegenwärtig ist. Welche Gründe gibt es dafür?
NEDZAD MOCEVIC: Man muss ehrlich sagen, dass wir im Westen bisher in einer Blase gelebt haben, in einer heilen Welt, oft auf Kosten der meisten Menschen außerhalb dieser Blase. Durch gesellschaftspolitische Entwicklungen werden die Menschen in ihrer Ruhe und Sicherheit gestört. Es entstehen Veränderungen in der Welt und das macht den Menschen Angst und Sorge. Dadurch steigt das Bedürfnis nach scheinbar schnellen Lösungen und der Ruf nach dem "starken Mann" wird lauter. Das sieht man auch an den jüngsten Wahlergebnissen.
Wie kann man dem am besten entgegenwirken? Rationale Argumente scheinen ja nicht immer zu wirken.
NEDZAD MOCEVIC: Das stimmt, es gibt viele Menschen, bei denen rationale Argumente nicht mehr wirken. Sorgen und Ängste sind irrational. Wichtig ist, dass man dennoch nicht gleich zu Verurteilungen übergeht und dass man die Menschen, die dazu bereit sind, für den Dialog gewinnen kann. Und man soll den Menschen auch nicht die heile Welt vorgaukeln, sondern ehrlich sein und sagen: Ja, die nächste Zeit wird schwierig werden. Da brauchen wir nicht die Augen zu verschließen.
Wie erleben Sie die Situation in Salzburg, welche Ausprägungen des Extremismus gibt es hier?
NEDZAD MOCEVIC: In Salzburg gibt es ein starkes Problem mit dem Rechtsextremismus. Beschmierte Stolpersteine oder zerstörte Mahnmale begegnen uns leider immer wieder. Das Problem des Dschihadismus oder des religiösen Extremismus ist in Salzburg nur sehr vereinzelt aufgetreten. Ich arbeite viel in der Prävention; manchmal wird man von der Schule oder dem familiären Umfeld darauf aufmerksam gemacht, wenn jemand mit dem IS sympathisiert. Dann suchen wir das Gespräch. Meist sind es soziale und familiäre Probleme oder eine Perspektivenlosigkeit, die Menschen dazu veranlassen, mit dem IS zu sympathisieren.
Sie organisieren in Salzburg auch Workshops, worum geht es da?
NEDZAD MOCEVIC: Ich versuche, an den Ursachen des Extremismus zu arbeiten. Die Frage ist: Was macht die Menschen so frustriert? Dabei geht es oft um Kränkungen und Vorurteile, sei es gegen jemanden persönlich oder gegen einzelne Gruppierungen. Wesentlich ist das Thema Identität: Wir sind alle sehr unterschiedlich, aber in vieler Weise ist man auch gleich. Wenn nicht in der Ethnie, dann im Geschlecht, wenn nicht in der Religion, dann – einfach gesagt – am Fußballplatz, wenn man dieselbe Mannschaft unterstützt. Vorurteile sind immer da am stärksten, wo die Menschen am wenigsten Kontakt haben. Ich versuche Projekte zu machen, wo der Kontakt unter Menschen verschiedener Herkunft entsteht.
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